In welchem Umfang die EU auch zukünftig auf Energieimporte angewiesen sein wird, hängt maßgeblich davon ab, ob und wann uns die Energiewende gelingt. Inner- und außerhalb der EU muss sich das Konzept der drei E – Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung – durchsetzen.
Die EU verabschiedet viele, meist jedoch unzureichende Maßnahmen. Grundlage der EU-Energiepolitik da so genannte „20-20-20 bis 2020“. Das heißt, bis 2020 soll der Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent steigen, Emissionen von Treibhausgasen um 20 Prozent reduziert und die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöht werden. Die Richtung stimmt, doch die Ziele reichen nicht aus. Um weltweit die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, muss die EU den Ausstoß von CO2 um mindestens 30 Prozent verringern. Möglich ist das nur, wenn die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut und eine höhere Energieeffizienz erreicht wird.
Die Richtung stimmt, die Ziele reichen nicht aus
Einsparpotenziale müssen endlich genutzt werden – beispielsweise bei der Wärmedämmung. Gerade hier könnten sehr viel Emissionen vermeiden und Energie effizienter genutzt werden. 36 Prozent der CO2-Emissionen stammen aus dem Gebäudesektor. Die im November 2009 verabschiedete Gebäuderichtlinie blieb leider hinter grünen Erwartungen zurück. Hier schafft jeder investierte Euro Versorgungssicherheit. Je effizienter wir innerhalb der EU mit Energie haushalten, desto unabhängiger werden wir vom Import fossiler Energieträger.
Wegweisend für den Ausbau der erneuerbaren Energien war die Einführung einer kostengerechten Vergütung im deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die EU-Kommission selbst hat dies als effizientes Instrument erkannt. Dass eine entsprechende Richtlinie noch nicht europaweit umgesetzt werden konnte, liegt an Widerständen aus einzelnen Mitgliedsstaaten.
Eine neue Energieaußenpolitik
Auch bei der zukünftigen Ausgestaltung der Energieaußenpolitik müssen wir umdenken. Setzt Deutschland, setzt die Europäische Union weiterhin auf den Ausbau der Gas- und Ölpipelines, wird es zu einem Wettlauf um Ressourcen kommen. Jedoch darf eine sichere Energieversorgung für Deutschland und Europa nicht zulasten anderer gehen. Eine global gerechte Energiesicherheit kann nur erreicht werden, wenn wir weltweit zusammenarbeiten, den Wettlauf um Ressourcen verringern und einen fairen Ausgleich der Interessen schaffen. Die Maxime muss lauten: weg vom Öl, weg von fossilen Energiequellen – ohne dadurch neue nukleare Risiken zu schaffen.
Erneuerbare Energien, Effizienz und Einsparung sind die Schlüssel zu einer globalen Energiewende. Die EU muss hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
Eine weitgehende Energieautonomie ist politisch, technologisch und wirtschaftlich erstrebenswert. Dazu aber müssen wir das Wettrennen um die letzten fossilen Brennstoffe beenden und Energiepartnerschaften auf der Basis erneuerbarer Energien aufbauen. Gemeinsam mit den Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens müssen Projekte wie DESERTEC, das sich für die Übertragung von in Wüstenregionen erzeugtem Solar- und Windstrom nach Europa einsetzt, vorangetrieben werden. Wichtig dabei: Der erzeugte Strom soll größtenteils in den Erzeugerländer genutzt, nur Überschüsse sollen exportiert werden.
Energiegerechtikeit
Auch für das in der Nordsee geplante Supernetz für Windstrom wird automatisch eine engere Zusammenarbeit der Anrainer nötig sein. Solche ersten Schritte zu einer europäischen Energiewende müssen auch technologisch ermöglicht werden. Statt in den Ausbau von Erdgas- und Ölpipelines sollte in die Infrastruktur für erneuerbare Energien investiert werden. Die dafür benötigten Netze müssen saniert und ausgebaut, Speichertechnologien müssen weiterentwickelt werden.
Die bestehenden Kooperationen Nordstream, Southstream und Nabucco sind, wenn überhaupt, nur mittelfristige Lösungen. Für die notwendige Fächerung der Bezugsquellen für Energie sind die geplanten Pipelines kurzfristig ein richtiger Schritt. Zur angestrebten Energiewende können Nabucco, South- und Nordstream jedoch keinen Beitrag leisten, da sich alle drei Projekte auf Erdgas beschränken. Zudem fehlt eine Strategie, die den teilweise in Armut lebenden Ländern am anderen Ende der Pipelines einen Zugang zu Energie ermöglicht.
Stromnetze sanieren und ausbauen, Speichertechnologien weiterentwickeln
Vor allem das Projekt Nordstream weist massive Probleme auf. Seine Umweltverträglichkeit ist fraglich, ob es zu einer Auslastung kommen wird, unklar, und das strategische Interesse der EU an der Ukraine und Weißrussland bleibt in der Schwebe. Dass das einseitige Vorgehen Deutschlands in den baltischen Staaten und Polen nicht gut angekommen, konnte nicht überraschen.
Die Politik der Gas- und Ölpipelines muss der Vergangenheit angehören. Ziel europäischer Energiepolitik muss sein, die Abhängigkeit von Öl, Kohle, Gas und Uran deutlich zu verringern. Nur dies wird zu einer höheren Sicherheit bei der Versorgung führen und gleichzeitig zum Klimaschutz beitragen.
Die EU muss eine stimmige Energiepolitik entwickeln, die sowohl nach innen als auch nach außen konsequent auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung setzt. Die Energiewende muss zum zentralen Baustein eines „Green New Deal“ werden, eines neuen grünen Gesellschaftsvertrags.
Manuel Sarrazin ist MdB für Bündnis 90/Die Grünen.
Das Webdossier versammelt zum Teil kontroverse Beiträge von Expertinnen und Experten, die an der Konferenz teilnahmen. Die in den Beiträgen vertretenen Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Sicht der Heinrich-Böll-Stiftung wider.
Dossier
Europäische Energiepolitik
Der Abschied von Kohle, Öl, Gas und Atomkraft ist machbar. Der Übergang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien muss politisch vorangetrieben werden. Es geht um Investitionsanreize und Zukunftsmärkte, um Energiesicherheit und Machtfragen, um technische Innovationen und gesellschaftliches Umdenken.Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert.
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