Marianne Fritzen steht so offenkundig in Verbindung mit dem politischen Leben Petra Kellys, dass man dazu nicht viel Worte machen muss.
Unter den großen Anliegen, die Petra umgetrieben haben, standen die Gefahren der Atomenergie und die Sorge vor einem Atomkrieg ganz im Zentrum ihres rastlosen Aktivismus.
Friedensbewegung und Anti-Atombewegung waren Ende der Siebziger, Anfang der achtziger Jahre nur zwei Seiten einer Medaille. Gemeinsam entwickelten sie die politische Schwungkraft, von der auch die Grünen als neue politische Formation binnen weniger Jahre in den Bundestag katapultiert wurden.
Dieser Zusammenhang ist in der Folgezeit etwas aus dem Blick geraten, als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende der Block-Konfrontation auch das Risiko eines Atomkriegs zu verblassen schien. Aber inzwischen ist höchste Zeit, wieder daran zu erinnern, dass es keine stabile Trennwand zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft gibt. Das zeigt sich nicht nur im Fall des Iran, der unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms zumindest die Option des Baus von Atombomben anstrebt.
Man muss kein Untergangsprophet sein, um vorauszusagen, dass die Dämme der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen brechen werden, wenn sich diejenigen durchsetzen, die Atomenergie als unverzichtbaren Beitrag zur Lösung der Weltenergieprobleme propagieren.
Wer rund um den Globus Hunderte neuer Atomkraftwerke bauen will, landet unweigerlich beim Bau von Wiederaufbereitungsanlagen und Schnellen Brütern, um die Brennstoffzufuhr zu sichern. Denn auch Uran ist nicht unbegrenzt verfügbar, ganz zu schweigen von der Strahlenbelastung bei seinem Abbau.
Der Ausbau der Atomenergie mündet in die Plutoniumproduktion im großen Stil, in eine hochgefährliche, schwer beherrschbare Technologie und die massenhafte Erzeugung von Material für Atomwaffen. Das erinnert an den Zauberlehrling, der den Geist aus der Flasche lockt, dessen er dann nicht mehr Herr wird.
Wir beleuchten diesen Zusammenhang ausführlicher in einer neuen Studie zu den Kosten und Risiken der Atomenergie, die wir morgen der Öffentlichkeit vorstellen. Dabei geht es auch um den Mythos von der Atomenergie als Brücke in eine CO-2-neutrale Energieversorgung. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: die Atomenergie ebnet nicht den erneuerbaren Energien den Weg, sondern verfestigt die Marktmacht der Energiekonzerne und die zentralistische Erzeugungsstruktur.
Wenn wir heute den Petra Kelly Preis an Marianne Fritzen verleihen, dann ist das nicht nur eine Erinnerung an die Entstehungszeiten der grünen Bewegung.
Es ist auch nicht nur die rückblickende Würdigung einer Biographie, auf die das Wort vom „aufrechten Gang“ ohne falsches Pathos zutrifft. Pathos war sowieso nie die Sache von Marianne Fritzen.
Wofür sie steht, ist Zivilcourage im besten Sinn – also genau die Bürgertugend, die wir als politische Stiftung befördern wollen. Auf sie passt Heinrich Bölls Plädoyer für die „Einmischung von unten“ als Lebenselixier der Demokratie.
Zugleich ist diese Auszeichnung natürlich ein politisches Statement. Die Auseinandersetzung um die Atomenergie ist zurück auf der Tagesordnung, in der Bundesrepublik und international. Und damit ist auch die Atombewegung zurück – widerständig, bunt, phantasievoll und gewaltfrei. Petra Kelly würde das gefallen.