Die Gender-Arbeit der Heinrich-Böll-Stiftung in Lateinamerika

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17. Januar 2008



Der so genannte „Machismo“ ist in den lateinamerikanischen Gesellschaften nach wie ein dominierender Aspekt auch der Alltagskultur. Zwar stellen mittlerweile die Verfassungen und viele Gesetze Frauen und Männern zunehmend gleich, im Alltag sind Frauen jedoch in fast allen Lebensbereichen (z.B. Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheit, Land- und Erbrecht) weiterhin benachteiligt. (Innerfamiliäre) Gewalt gegen Frauen und sexistische Diskriminierung sind in allen sozialen Schichten und kulturellen Zusammenhängen weit verbreitet.     

Folgen der Globalisierung – Geschlechterverhältnisse verändern sich

Die Situation von Frauen und die Beziehung zwischen den Geschlechtern haben sich in den letzten Jahrzehnten in Lateinamerika stark verändert. Viel mehr Frauen haben bezahlte Arbeit und Zugang zu Bildung. Ihre Lage hat sich dadurch jedoch kaum verbessert. Frauen arbeiten mehrheitlich im informellen Sektor, ohne soziale Absicherung und mit geringen Verdienstchancen. Das Bildungsniveau liegt zwar in manchen Ländern inzwischen über dem der Männer, dies schlägt sich aber nicht in einem gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt nieder. In den Strukturanpassungsprozessen mussten hauptsächlich Frauen - zumeist jenseits der öffentlichen Wahrnehmung- die negativen Folgen abfedern: Der Abbau von öffentlichen Dienstleistungen sorgte für eine Zunahme der Hausarbeit,. auch die Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme wirkte sich stärker auf Frauen aus.

Migration – für immer mehr Frauen ein hoffnungsvoller Ausweg

Migration erscheint immer mehr Männern und Frauen als Ausweg aus der Arbeitslosigkeit oder als Chance, dieLebensbedingungen zu verbessern. Waren es zunächst mehrheitlich Männer, die abwanderten, sind inzwischen fast die Hälfte aller MigrantInnen in Lateinamerika und der Karibik Frauen. In manchen ländlichen Regionen Zentralamerika und Mexikos sind fast alle Männer im erwerbsfähigen Alter nach Norden, in die USA, ausgewandert. Auch dadurch verändern sich traditionelle Rollenbilder und die geschlechtliche Arbeitsteilung, weil Frauen neue Tätigkeiten übernehmen.

In Bewegung – Frauen kämpfen (nicht nur) für ihre Rechte

Rege feministische Bewegungen gibt es fast überall in Lateinamerika. Zu den zentralen Themen gehören zum einen die „klassischen“ Themen der Frauenbewegung: der Kampf gegen häusliche Gewalt und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, wie beispielsweise auf Schwangerschaftsabbruch. Gerade in Lateinamerika wird aber auch das Konzept der ciudadanía activa, der aktiven (Staats-)Bürgerschaft, maßgeblich von Teilen der Frauenbewegung getragen. Dieses Konzept richtet das Augenmerk auf die Hindernisse zur Ausübung der Gesamtheit der Bürgerrechte und zielt auf Partizipation, Selbstermächtigung sowie Selbstverantwortung und weniger auf den Ruf nach dem Staat.

Schon in den 80er Jahren spielten Frauenorganisationen eine wichtige Rolle in den zivilgesellschaftlichen Kämpfen gegen die Militärdiktaturen im Cono Sur. Beispielhaft sind die wöchentlichen Demonstrationen der Mütter von Verschwundenen, die Madres de la Plaza de Mayo, in Argentinien. Aber auch in den Stadtteilbewegungen der 80er Jahre waren mehrheitlich Frauen aktiv.

Frauen- und feministischen Bewegungen ist gelungen, ihre Forderungen und Rechte auf die demokratische Agenda zu setzen. Sie haben es geschafft, im öffentlichen Raum wahrgenommen zu werden, und konnten erreichen, dass viele ihrer Forderungen als legitim anerkannt wurden. Auf legaler, institutioneller und kultureller Ebene haben sie reale Fortschritte erzielt. Gleichzeitig ist es immer noch schwer, Gender-Perspektiven in die offizielle Politik einfließen zu lassen.

Empowerment von Frauen und Geschlechterdemokratie

Die Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt in Lateinamerika und der Karibik zivilgesellschaftliche feministische Organisationen, die sich für die Ermächtigung von Frauen und für Geschlechterdemokratie einsetzen und Geschlechterverhältnisse auf politischer Ebene diskutieren. Sie unterstützt diese in ihrer politischen Intervention, beispielsweise im Bereich Bildung und Mobilisierung von Öffentlichkeit, Kampagnen und Lobbyarbeit. Sie fördert Organisationen, die Frauen über ihre Rechte aufklären, oder Beratungen, Qualifizierungen und Weiterbildungen anbieten.

Inhaltlich arbeitet die Stiftung vor allem im Bereich geschlechterdemokratische Haushalts- und Personalpolitik, Freihandel, Ökonomie und Gender sowie in der Antirassismus- und in der Bildungsarbeit.