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Konfliktbearbeitung im Nahen und Mittleren Osten

Lesedauer: 5 Minuten
Straße in Beirut. Foto: Katrin Pakizer

19. Januar 2008
Die Worte Konflikt, Krieg und Krise dominieren die Wahrnehmung des Nahen Ostens und Nordafrikas in Europa. Deshalb ist es wichtig, zu einer differenzierten Analyse der Konflikte, ihrer Ursachen, Akteure und Tragweiten zu kommen. Viele der Konflikte - nicht nur der jahrzehntealte Nahostkonflikt - betreffen direkt gleich mehrere Länder und Gesellschaften der Region. Hierbei spielen regionale Hegemonialansprüche und geostrategische Machtpositionen, ethnokonfessionelle und strategische Allianzen, aber auch die Kontrolle natürlicher Ressourcen eine zentrale Rolle.

 
Grundsätze und Ziele der Konfliktbearbeitung

Zivile Konfliktbearbeitung zielt auf die Prävention von Gewalt. In einem Umfeld, in dem Gewalt den Alltag der Menschen prägt, wird deutlich, dass es nicht genügt, einen Konflikt kurzfristig einzudämmen. Eine langfristige Stabilisierung muss durch von der Bevölkerung legitimierte staatliche Strukturen gestützt werden. Konfliktträchtige Ungerechtigkeiten müssen beseitigt und das Vertrauen der Menschen neu gewonnen werden. In diesem Prozess sind die Hauptaspekte unserer Arbeit die Förderung des innergesellschaftlichen Dialogs und die Stärkung der Zivilgesellschaft.

Aktuelle Konflikte:

Der Widerstand gegen die Diktatur in Syrien ist längst zu einem bewaffneten Konflikt geworden, in den auch regionale und internationale Akteure involviert sind. Es haben sich ethnokonfessionelle und strategische Allianzen gebildet. Die Komplexität der syrischen Opposition ist offensichtlich: Zu unterscheiden ist zunächst zwischen bewaffneten (allen voran die Freie Syrische Armee) und unbewaffneten Gruppen und Bewegungen, die sich sowohl anhand ihrer Ausrichtung (beispielsweise säkular oder religiös) als auch anhand ihrer Unterstützer/innen unterscheiden. Der in Katar unternommene Versuch der Formierung einer legitimen Repräsentation der syrischen Opposition ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Regimewechsel in Syrien. Auch die Gespräche zwischen den USA und Russland sowie Russlands Distanzierung vom Regime können als Hoffnungsschimmer für ein Syrien nach Bashar al-Assad verstanden werden. Wie dieses aussieht, bleibt vorerst offen. Bewusste Anstiftung ethnokonfessioneller Konflikte durch Bewaffnung einzelner Bevölkerungsgruppen und Propaganda drohen tiefe Gräben in der syrischen Gesellschaft auszuheben, auch wenn sich bisher Kämpfe zwischen ethnokonfessionellen Gruppen in Grenzen gehalten haben und viele Oppositionelle um Einheit und Solidarität bemüht sind. In jedem Fall werden die Brutalität der Angriffe auf Opposition und Zivilbevölkerung und das Ausmaß der Zerstörung Narben hinterlassen, mit denen sich die Revolution und die Kräfte, die sie hervorgebracht hat, auseinandersetzen müssen.

Der Nahostkonflikt nimmt nicht nur aufgrund der historischen Verantwortung Deutschlands, sondern auch aufgrund unserer Verpflichtung für universale Menschenrechte und das internationale Völkerrecht eine zentrale Rolle in unserer Arbeit ein. Die Heinrich-Böll-Stiftung verfolgt das Ziel, Beiträge zu einer Zweistaatenlösung zu leisten. Das weithin anerkannte Scheitern des Oslo-Prozesses und der derzeitige Mangel an alternativen Strategien für eine dauerhafte Lösung des Konflikts lässt den Glauben an die Realisierung einer Zweistaatenlösung in beiden Gesellschaften mehr und mehr schwinden. Die anhaltende israelische Besatzung und die expandierende Siedlungspolitik, immer wiederkehrende Gewalteskalationen, die geographische und politische Spaltung Palästinas und die Perspektivlosigkeit der Menschen vor allem im Gazastreifen erhöhen in den palästinensischen Gebieten die Frustration über die politischen Eliten. In Israel wird insbesondere die Hamas als existenzielle Bedrohung wahrgenommen, ein Eindruck, der vor allem durch Äußerungen radikaler Hamas-Führer entsteht. Befürchtet wird, in einem unabhängigen Staat Palästina könnten die Hamas und andere gewaltbereite Gruppen Israel nicht nur aus Gaza sondern auch aus dem Westjordanland bedrohen. Allerdings befindet sich auch die Hamas in einem Diskussionsprozess, in den Israel bislang wenig Vertrauen setzt. Mehrere Führer haben Israel indirekt durch die Akzeptanz der Grenzen von 1967 anerkannt. Seit November 2012 ist Palästina als Beobachterstaat in der UN-Vollversammlung präsent; dies bleibt ein symbolischer Erfolg, solange der Konflikt ungelöst bleibt und die Besatzung andauert.

Arbeit in den Büros:

In Beirut setzen wir uns schwerpunktmäßig mit dem syrischen Konflikt und seinen Auswirkungen auf den Libanon auseinander. Dabei stehen eine differenzierte Analyse des Konflikts und eine Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements für eine friedliche Regelung im Zentrum der Arbeit. Ein weiteres Thema ist die problematische Sicherheitslage im Irak.

Das Büro Israel arbeitet mit Friedensorganisationen und mit Think Tanks zusammen, die neue Wege zu einer Konfliktlösung suchen und sich mit den Auswirkungen der Besatzung auf die israelische Demokratie beschäftigen. Darüber hinaus beschäftigt sich das Büro auch mit den Herausforderungen Israels in der Region. Dazu zählen die Auswirkungen der arabischen Aufstände auf die israelische Sicherheitslage, der Konflikt um das iranische Atomprogramm sowie die Krise im türkisch-israelischen Verhältnis. Perspektive ist dabei stets, welchen konstruktiven Beitrag deutsche und europäische Außenpolitik zur jeweiligen Konfliktbearbeitung leisten können.

Auch in Ramallah widmen wir uns nicht nur der Suche nach neuen Diskussionen über eine friedliche Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes, sondern stärken die Demokratiebestrebungen in der  palästinensischen Zivilgesellschaft und den innerpalästinensischen Dialog. Die Arbeit findet unter schwierigen Bedingungen in Ost-Jerusalem, der Westbank sowie dem Gazastreifen statt.

Alle Büros fungieren als Anlaufstellen und Netzwerke vor Ort und berichten über die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Zudem betreuen wir Delegationen und Reisegruppen, die sich vor Ort informieren möchten.

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