Kann das iranische Atomprogramm noch gestoppt werden?

Kann das iranische Atomprogramm noch gestoppt werden?

2. Februar 2008
Von Ralf Fücks
Als im Dezember die amerikanischen Geheimdienste ihren Report zu den „nuklearen Fähigkeiten und Intentionen“ des Iran veröffentlichten, ging ein Seufzer der Erleichterung durch Europa: mit der Einschätzung, dass der Iran sein Atomwaffenprogramm Ende 2003 eingefroren habe, schien die Option eines US-Militärschlags noch während der Rest-Amtszeit von Präsident Bush vom Tisch. Man kann den Bericht als eine Art Präventivschlag gegen die Falken in der US-Administration lesen, mit dem ihnen jede Legitimation für ein erneutes politisches und militärisches Abenteuer aus der Hand geschlagen wurde – eine Revanche der Dienste für ihre Instrumentalisierung im Vorfeld des Irak-Kriegs.

So weit, so gut. Es wäre allerdings ein Fehler, sich jetzt beruhigt zurückzulehnen. Um Atommacht zu werden, braucht es drei Elemente: spaltbares Material, Trägersysteme, mit denen die tödliche Fracht transportiert werden kann, sowie die Fähigkeit zum Bau nuklearer Sprengköpfe. Wenn die US-Sicherheitsdienste richtig liegen, hat der Iran nur diese Komponente auf Eis gelegt, und zwar angesichts des damaligen Siegeszugs der US-Armee im Irak. Die beiden anderen Elemente – die Anreicherung von Uran und der Bau von Mittelstreckenraketen - wurden hartnäckig weiter verfolgt. Inzwischen haben sich die Kräfteverhältnisse am Golf dramatisch gewandelt, und zwar zugunsten des Iran. Die USA stecken bis zum Hals im irakischen Morast, während Teheran in die Rolle der dominanten Regionalmacht hineinwächst. China hat sich mit milliardenschweren Investitionen in die iranische Ölförderung eingekauft und liefert ebenso wie Russland moderne Militärtechnologie. Syrien ist durch einen Beistandspakt eingebunden, und der lange Arm Teherans reicht bis weit in den Irak, in den Libanon, nach Palästina und Afghanistan. Der sprunghafte Anstieg des Ölpreises hat sein Übriges getan, um die Macht der Mullahs zu festigen.

Auch die bisher von den Vereinten Nationen beschlossenen Sanktionen waren nicht dazu angetan, die Machthaber in Teheran nachhaltig zu beeindrucken. So lange es ihnen gelingt, China und Russland gegen die USA auszuspielen und rege Geschäfte mit europäischen Ländern wie Deutschland und Italien zu treiben, können sie ihr Nuklearprogramm unbeirrt fortsetzen. Es ist dann nur eine Frage der Zeit und der Entschlossenheit, die Bombe tatsächlich zu bauen.

Das allerdings hätte dramatische Konsequenzen weit über die Region hinaus. Bereits jetzt ist klar, dass Ägypten und Saudi-Arabien sich nicht mit einer atomar gestützten Dominanz des Iran arrangieren werden. Das gilt auch für die Türkei. Dort hört man die Formel: wenn der Iran atomar aufrüstet, wird die Türkei entweder Mitglied der Europäischen Union oder selbst eine Atommacht. Ein nuklearer Rüstungswettlauf in dieser instabilen und konfliktträchtigen Region gleicht einem Spiel mit dem Feuer. Nicht zuletzt wäre die Atombombe in der Hand eines extremistischen Regimes, das die Auslöschung des jüdischen Staates propagiert, ein unkalkulierbares Risiko für Israel.  

Die amerikanischen Dienste gehen davon aus, dass Teherans Atompolitik eher von einem Kosten-Nutzen-Kalkül als vom unbedingten Griff nach der Bombe „ungeachtet der politischen, ökonomischen und militärischen Kosten“ getrieben ist. Wer die fatale Alternative „bombardieren oder akzeptieren“ vermeiden will, muss deshalb auf eine Kombination von Angeboten und Druck gegenüber dem Regime setzen. Bisher wurde beides nur halbherzig betrieben. Wenn es eine Chance auf eine diplomatische Lösung geben soll, müssen die USA über ihren Schatten springen und Teheran direkte Verhandlungen über ein politisches Arrangement anbieten. Dazu gehören die strikte internationale Kontrolle des iranischen Atomprogramms und der Verzicht auf die Herstellung waffenfähigen Materials, ein wechselseitiger Gewaltverzicht und das Angebot auf sicherheitspolitische und energiewirtschaftliche Zusammenarbeit. Im Zuge solcher Verhandlungen wird sich zeigen, was die tatsächlichen Motive und Ziele des Iran sind. Und nur auf diesem Weg kann die internationale Gemeinschaft für harte Sanktionen gegenüber dem Iran gewonnen werden, falls sich das Regime am Ende einer diplomatischen Verständigung entzieht.

Ralf Fücks ist Vorstand der den Grünen nahe stehenden Heinrich-Böll-Stiftung 

Dossier

Machtkampf im Iran: Wo ist meine Stimme geblieben?

Drei Millionen Iraner_innen gingen vor einem Jahr auf die Straße und drückten ihren Unwillen aus. Grün - wurde die Farbe der Bewegung; Grün - als Symbol der Hoffnung auf einen politischen Wandel. Kann aus dem grünen Funken, der besonders unter den gebildeten jungen Iraner/innen weiter lebt, erneut ein Feuer der Freiheit werden?

Ralf Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Er publiziert in großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in internationalen politischen Zeitschriften sowie im Internet zum Themenkreis Ökologie-Ökonomie, Politische Strategie, Europa und Internationale Politik.