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Bloggen trotz Stromausfall

Im Jemen gibt es deutlich mehr Männer, die bloggen, als Frauen. Damit sich das ändert, hat Ghaidaa Al-Absi mit Unterstützung von Rising Voices* ein Projekt ins Leben gerufen, das Frauen im Umgang mit sozialen Medien schult. 

Katrin Zinoun: Vorweg die Frage: Können Sie die Frauen im Jemen mit Ihrem Projekt EWAMT (Empowerment of Women Acitivists in Media Techniques) überhaupt erreichen? Viele können die Blogs doch gar nicht lesen? 70 Prozent der Frauen im Jemen sind Analphabetinnen. 

Ghaidaa Al-Absi: Das ist eine berechtigte Frage und ich stelle sie mir immer wieder. Wie kann politisches Empowerment funktionieren, wenn die Frauen nicht lesen können? Ehrlich gesagt, ich glaube, dass es nicht möglich ist. Ich denke, wir müssen den Menschen erst Lesen und Schreiben beibringen. Dann erst kann unsere Arbeit greifen. Dann kann Bloggen dazu beitragen, auch den Analphabetismus in Bezug auf Internet und soziale Medien abzubauen. 

Warum ist es für Frauen im Jemen denn so wichtig, zu bloggen? 

Zunächst mal – die Frauen lernen ja nicht nur das Bloggen, sie lernen in meinem Workshop grundsätzlich den Umgang mit sozialen Medien. Sie können sich danach mithilfe dieser Technik ausdrücken. Selbst wenn sie selber nicht bloggen, sie wissen, wo sie die Blogs finden und können darüber interagieren. Was das Bloggen ihnen grundsätzlich bringt? Im Jemen gibt es mehr männliche Blogger als weibliche. Das Bloggen wird den Frauen Mut machen, der Welt auch ihre Meinungen mitzuteilen. 

Wie viele Frauen haben an Ihren Workshops teilgenommen? Und was ist daraus entstanden?

Seit April 2009 haben wir 200 jemenitische Frauen ausgebildet. Die Teilnehmerinnen waren Frauen aus verschiedenen lokalen NGOs, politischen Parteien und sozial engagierte Aktivistinnen. 

Können Sie sagen, wie viele Blogs daraus entstanden sind? 

Nach jedem Seminar sind die Frauen verpflichtet, ein Blog zu beginnen. Es gab also 200 Bloggerinnen, von denen einige anonym während der Revolution gebloggt haben. Es gibt allerdings keine Statistiken darüber, wie viele Bloggerinnen politisch engagiert sind.

Hatten Sie Probleme, Ihr Projekt zu realisieren? Wurden Sie behindert? 

Von oben nicht, nein. Die Probleme, die wir bei dem Projekt hatten, waren die selben, die wir täglich haben: Der Strom fällt regelmäßig aus und die Internetverbindungen sind unzuverlässig. Auch die Revolution verzögerte das Projekt. Sie dauerte 10 Monate und wir mussten unsere Arbeit aufgrund des Mangels an Treibstoff und der schwierigen Sicherheitslage zunächst unterbrechen. Dann aber haben wir eine Lösung gefunden: Mit Laptops haben wir die Workshops in kleinen Gruppen in Cafés mit Generatoren fortgeführt. 

Haben sich die Frauen frei gefühlt, ihre Meinung zu veröffentlichen, oder hatten sie Angst vor möglichen Konsequenzen? 

Einige haben ihre Meinungen, Gefühle und Erfahrungen im beruflichen oder privaten Leben frei geäußert. Andere fühlten sich nicht wohl dabei: Sie fürchteten die Reaktionen der Leser, besonders wenn ihre Texte den Bräuchen und Traditionen widersprachen. 

Haben bloggende Frauen einen Einfluss auf die Revolution gehabt? 

Es gab tatsächlich Bloggerinnen, die vom Tahrir-Platz in Sanaa und dem Alhuria-Platz in Taizz, wo die Revolution begann, berichteten – zum Beispiel Atiaf Alwazir in ihrem Blog Woman from Yemen. Der Einfluss ist schwer zu messen, was man aber sagen kann: Während der Revolution wuchs das Interesse vor allem an den Blogs, die über die Revolution berichteten oder Meinungen dazu äußerten.


Ghaidaa Al-Absi ist die Gründerin der Kampagne Safe Streets und twittert unter @GhaidaaMotahar.

Katrin Zinoun ist freie Autorin, Lektorin und Übersetzerin. In ihrem Blog dialogtexte.de beschäftigt sie sich mit Fragen der Globalisierung und des Kulturdialoges. Als Lingua Editor für Global Voices hilft sie dabei, Nachrichten, die es nicht auf Titelseiten schaffen, für deutschsprachige Leser zugänglich zu machen. 



*Rising Voices ist ein Projekt von Global Voices Online. Es berichtet über benachteiligte Stimmen, die auch online wenig Gehör finden. Außerdem werden Mikrodarlehen an Projekte vergeben, die eine Partizipation mithilfe digitaler Medien ermöglichen.