Vielen ist der Libanon vor allem noch aus den 70er und 80er Jahren ein Begriff, als die Bilder von bewaffneten Milizionären auf den Straßen Beiruts und die Nachrichten von Entführungen um die Welt gingen. Bis heute hat der kleine Staat an der Levanteküste mit einem schlechten Image zu kämpfen. Die Tatsache, dass es auch nach dem Bürgerkrieg immer wieder zu kriegerischen Handlungen auf libanesischem Boden kommt, trägt ihren Teil dazu bei. Zunehmend erinnert man sich aber auch wieder an die Zeit vor dem Bürgerkrieg, als Beirut das „Paris des Nahen Osten“ genannt wurde, und der Libanon als Oase des Friedens und der Freiheit in der Region galt. Tatsächlich ist es ist nicht übertrieben, von einem Revival zu sprechen: Der Libanon ist zurück auf der touristischen Weltkarte und Beirut wird derzeit als die „heißeste Stadt am Mittelmeer“ gehandelt. Die Tourismusindustrie ist mittlerweile einer der treibenden Wirtschaftssektoren des Landes.
Weltweit hat das unaufhaltsame Wachstum des Tourismussektors mit seinem hohen Flächen- und Ressourcenbedarf längst die Diskussion über dessen ökologische Auswirkungen entfacht. Derzeitiges Topthema ist dabei der Klimawandel. Wer oder was verursacht ihn? Wer oder was wird am stärksten von ihm betroffen sein? Der Tourismus, so viel steht fest, ist Täter und Opfer gleichermaßen. Angesichts der Vielzahl von – großenteils natürlichen – Attraktionen des Libanon einerseits und seiner erst wieder am Anfang stehenden touristischen Entwicklung andererseits, bietet sich hier eine seltene Chance: Die Wechselwirkungen von Klimawandel und Tourismus könnten zumindest theoretisch frühzeitig berücksichtigt werden. So wäre es denkbar, eine nachhaltige Entwicklung einzuleiten, in welcher der Schutz der natürlichen Ressourcen des Landes und des Klimas die Grundlage für eine langfristige Prosperität des Tourismussektors darstellen würden. Es stellt sich daher die Frage, ob Bewusstsein für die Thematik, der politische Wille, und entsprechende Strategien vorhanden sind.
Ausgangslage
Touristische Attraktionen
Am Berührungspunkt dreier Kontinente war der Libanon über die Jahrhunderte Mittelpunkt vieler Zivilisationen, denen man heute noch begegnen kann. Das Land wird von zwei großen Gebirgen, dem Libanon und dem Antilibanon, durchzogen, die parallel zur Mittelmeerküste verlaufen. Diese haben dem Land auch seinen Namen gegeben. „Lubnan“ ist das arabische Wort für „weiß“ und bezieht sich auf die schneeverhangenen Berge, die auch in dem weißen Streifen der Nationalflagge wieder gegeben sind.
Entlang der Küste liegen etliche Orte des alten Phöniziens. In Städten wie Byblos, Sidon, Tyros und Tripoli warten unzählige antike Stätten mit ihrer jahrtausendealten Geschichte auf Kulturinteressierte. Neben uralten Burgen und kleinen, verwinkelten Souks locken sie auch mit Schnorchel- und Tauchausflügen zu den Unterwasserruinen des antiken phönizischen Reiches.
Die Hauptstadt Beirut zieht mit ihrem berühmt berüchtigten Nachtleben, Shoppingmalls und etlichen kulturellen Events viele Städtereisende an. Vom saudischen Millionär bis zum Low-Budget-Backpacker – es ist für jeden etwas dabei. 2009 wurde die Stadt von der New York Times sogar zur Nummer eins der „The 44 Places to go“ gewählt. Beirut ist ebenfalls Ziel für Medizintouristen aus aller Welt. Das Angebot reicht von der Schönheitsoperation bis zur Transplantation. Gut ausgebildete Ärzte, moderate Preise, Anonymität und liberale Gesetze ziehen ausländische Kunden an.
Zu den Schattenseiten gehört indes der Sextourismus. Die Nachfrage ist groß und das Angebot auch. Im Vergleich zu anderen arabischen Ländern gilt der Libanon als tolerant und lässt dadurch die Hemmungen mancher Touristen, die im Alltagsleben geltenden Tabus zu brechen, deutlich sinken.
Bei einem Winterurlaub fällt wohl den Wenigsten zuerst der Libanon ein. Das Land bietet großartige, schneebedeckte Berghänge und kann auch auf eine lange Tradition des alpinen Skifahrens zurückschauen. Bereits in den 1930er Jahren begannen französische Offiziere das Pistenspektakel auf den Bergen zu etablieren, als sie die erste Skischule gründeten. Inzwischen existieren zahlreiche Ski-Ressorts und ganze Dörfer sind vom Winter(sport)tourismus abhängig. Auch partywillige Sportler und Nicht-Sportler müssen auf nichts verzichten. In allen größeren Skiressorts finden allabendliche Après-Ski-Vergnügen statt und sind mittlerweile weit über die Landesgrenzen hinweg bekannt.
Freunde des Wanderns können auf dem 440 km langen „Lebanon Mountain Trail“, der vor der Kulisse einer beeindruckenden Landschaft vom Norden in den Süden des Landes führt, historische Stätten besuchen und das Leben der Einheimischen kennenlernen. Bed&-Breakfast-Unterkünfte, ein Campingplatz und Ecolodges stehen für Übernachtungen zur Verfügung und zur Stärkung der Kräfte laden allerorts kleine privat betriebene Restaurants ein. Der „Lebanon Mountain Trail“ ist im Rahmen eines international geförderten Projektes entstanden und soll eine nachhaltige ökologische, soziale und ökonomische Entwicklung des ländlichen Raumes unterstützen.
Entlang der Küste stehen den Einheimischen und Touristen zahllose Strandressorts zur Auswahl. Einige davon besitzen einen direkten Zugang zum Meer, andere bieten nur Swimmingpools. Umgeben von schattenspendenden Palmen auf großzügig angelegten Wiesen kann sich der Besucher einem entspannenden Sonnenbad hingeben. Wenn der kleine Hunger oder Durst kommt, kann man sich gegen ein entsprechendes Entgelt jederzeit etwas von den Servicekräften bringen lassen. In den meisten Beachclubs wird eine Eintrittsgebühr fällig, die zwischen 5 $ und 30 $ pro Tag liegen kann.
Das Mittelmeer liegt fast überall in Sichtweite und bietet somit die Möglichkeit, verschiedene Reisetypen (Städtetrips, Bildungsreisen, Ökotourismus usw.) mit Badeurlaub zu verbinden. Das Ministerium für Tourismus propagiert auf seiner Website nicht umsonst die „Möglichkeit zum Skifahren am Morgen und einem entspannenden Bad im Mittelmeer am Nachmittag“. Hier gilt schlichtweg die Devise, dass auch im kürzesten Urlaub alles realisierbar ist.
Wirtschaftliche Bedeutung
Und die Branche boomt. Der Nahe Osten weist im internationalen Vergleich das stärkste touristische Wachstum auf, obwohl die üblichen Hauptdestinationen Ägypten und Saudi-Arabien mit Einbrüchen der internationalen Ankünfte zu kämpfen haben. Zu den neuen antreibenden Märkten gehören der Libanon, Katar und Syrien. Der libanesische Sektor konnte im vergangenen Jahr einen Anstieg der Besucherzahlen von 17,12% verzeichnen. An dieser Stelle muss jedoch hinzugefügt werden, dass in die Statistik scheinbar sämtliche Grenzübertritte fließen, d.h. auch der irakische Flüchtling oder der syrische Arbeiter werden als „Touristen“ gezählt. Inzwischen gehört die Tourismusindustrie mit 10,2% am BIP zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes. Ein Anteil von 38% der Arbeitsplätze des Libanons wird durch die direkte und indirekte Tourismusindustrie geschaffen.
Die World Tourism Organization (UNWTO) versteht unter dem Begriff Tourismus:
"Aktivitäten von Personen, die an Orte außerhalb ihrer gewohnten Umgebung reisen und sich dort zu Freizeit-, Geschäfts-, oder bestimmten anderen Zwecken nicht länger als ein Jahr ohne Unterbrechung aufhalten. Außerdem muss gewährleistet sein, dass deren hauptsächlicher Reisezweck ein anderer ist, als die Ausübung einer Tätigkeit, die von dem besuchten Ort aus entgolten wird”
Die meisten Touristen kommen nach wie vor aus dem arabischen Raum. Wie die aktuellen Zahlen belegen, entdecken aber auch mehr und mehr europäische Touristen den Libanon als Destination. Das beliebteste Ziel ist Beirut. Mittlerweile haben auch große Reiseanbieter wie die FTI Touristik GmbH einen eigens für den Libanon als Destination entwickelten Katalog herausgebracht. Die wichtigsten Tourismusformen neben den Städte- und Kulturreisen sind der Sommer- und der Winter(sport)tourismus.
Neben ihrer Rolle als eine der wichtigsten Devisenquelle bietet die Branche eine Alternative oder Ergänzung zu Deviseneinnahmen aus Rohstoffen, landwirtschaftlichen oder industriellen Exporterzeugnissen. Insbesondere Länder wie der Libanon, deren Energie- und natürliche Ressourcen limitiert sind, sind heute auf die wirtschaftliche Antriebskraft des Sektors angewiesen. Tourismus ist für viele Empfängerländer eine wichtige, wenn nicht gar die wichtigste Einnahmequelle. Gut geplant und gesteuert kann er Arbeitsplätze und damit verbundene Einkommen generieren. Vorgelagerte Bereiche wie die Landwirtschaft können durch Multiplikatoreffekte (d.h. durch eine Vervielfachung der ursprünglichen Einkommens- und Arbeitsplatzeffekte) profitieren und er kann zu einem ökonomischen und sozialen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Zentren und peripheren Regionen beitragen.
Der Tourismus ist mit seinem Dienstleistungscharakter, seiner Konjunkturabhängigkeit sowie seiner Kapitalintensität durch eine hohe saisonale Abhängigkeit gekennzeichnet. Die Branche reagiert daher besonders empfindlich auf politische Instabilität, konjunkturelle Schwankungen, Gesund-heitsrisiken wie Epidemien und Umwelt- und Naturkatastrophen. Im Zusammenspiel mit dem starken Wettbewerb unter den Destinationen und deren zunehmender Austauschbarkeit für die Reisenden können die genannten Faktoren innerhalb kürzester Zeit zu einem Einbruch der Nachfrage eines Reiselandes führen.
Wetterabhängiger Sektor
Viele touristische Attraktionen und Aktivitäten sind von den klimatischen Verhältnissen abhängig. Was wäre ein Sommerurlaub ohne Sonne, ein Winterurlaub ohne Schnee? Die Natur ist das Herzstück des Tourismus.
Das Klima ist ein grundlegendes Merkmal einer Tourismus-Destination. Es ist ein ausschlaggebender Faktor für Motivation und Zufriedenheit. Für die Reiseentscheidung spielen die subjektiven Empfindungen eine wesentliche Rolle. Die Wahrnehmung dessen, was „gutes“ Wetter ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, z.B. von der Art der geplanten Aktivität oder auch dem Alter.
Der Klimawandel kann nicht allein auf die Veränderungen der Atmosphäre reduziert werden. Es handelt sich vielmehr um sehr komplexe Wechselbeziehungen einzelner Sphären. So steuert bspw. die Vegetation (Biosphäre) in erheblichen Maße den Kohlendioxidgehalt (CO2) der Atmosphäre und somit deren Treibhauswirkung. Gleichzeitig ist sie wiederum stark abhängig von den Eigenschaften der Atmosphäre, wie Temperatur und Wasserdampfgehalt. Kurzum: jeder Eingriff auf eines dieser Teilsysteme wirkt sich letztlich auf das gesamte Klima aus. Die leidtragenden Sektoren sind in erster Linie die, die direkt von der Natur abhängig sind, darunter auch der Tourismus. Er ist aber nicht nur Opfer sondern auch Täter.
So ist der Tourismus grundsätzlich an Mobilität geknüpft. Ganz gleich, ob Nah- oder Fernziel, es wird in der Regel mit einem Transportmittel erreicht – PKW, Bahn oder Flugzeug. Diese wiederum verursachen die klimarelevanten Treibhausgas (THG) -Emissionen und benötigen Ressourcen in Form von fossiler Energie und Flächen für die Infrastruktur.
Zudem bringt die Unterbringung der Touristen einen hohen Energieverbrauch und erhebliche Emissionen mit sich. Erzeugt werden diese durch Heizwärme, Klimaanlagen, Warmwasser, Beleuchtung sowie durch Haushalts- und technische Geräte. Hinzu kommt der beträchtliche Flächen- und Wasserbedarf.
Die Verpflegung trägt ebenfalls zu den klimawirksamen Schadstoffaustößen bei. Nicht zuletzt dann, wenn keine regionalen, landestypischen Produkte angeboten werden, sondern auf internationale Produkte zurückgegriffen wird. Diese müssen wiederum importiert werden und sind somit allein durch den größeren Transportweg für einen Teil der mit der Verpflegung verbundenen Emissionen verantwortlich. Emissionen entstehen auch bei der Zubereitung der Mahlzeiten und der damit verbundenen Nutzung von Energie.
Freizeit- und Urlaubsaktivitäten, insbesondere solche, die mit Mobilität und Verkehr verknüpft sind, tragen mit Emissionen zur Schadstoffbelastung der Atmosphäre bei und beschleunigen den Wandel des Klimas zusätzlich. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um Aktivitäten an Land (z.B. Motorcross-Touren durch die Wildnis), in der Luft (z.B. der Hubschrauber-Rundflug) oder auf dem Wasser (z.B. Jet-Ski-Fahren) handelt – sie schädigen das Klima und belasten den genutzten Naturraum.
Die Kosten des Klimawandels
Wenngleich der Libanon im internationalen Vergleich nur ein kleiner CO2-Emittent ist - die größten Treibhausgas-Täter sind die westlichen Industrieländer - so kurbelt doch auch er den Klimawandel an. Gleichzeitig betreibt das Land, was nur etwa halb so groß ist wie Hessen, einen stetigen Raubbau an seinen Ressourcen. Ob durch die übermäßige Nutzung von Flächen für neue Luxus-Appartements und Tourismusressorts; ob durch Müllhalden, die so nah am Wasser gebaut sind, dass jede kleine Welle einen Teil des Mülls ins Meer spült, oder durch den verschwenderischen Umgang mit Wasser und dem unglaublichen Bedarf an Energie aus fossilen Vorkommen – das Land scheint seinen Naturraum über die Maßen zu beanspruchen und es ist kein Ende abzusehen.
Vom Klimawandel werden verschiedene Regionen mehr oder weniger stark betroffen sein. Der Libanon wird mit zunehmenden Temperaturen, einem steigenden Meeresspiegel, abnehmenden Niederschlägen sowie vermehrten Extremereignissen (Stürme und Überflutungen) konfrontiert sein. Diese Veränderungen werden fatale Auswirkungen haben, wie Strand-, Boden- und Küstenerosion und –degradierung, Desertifikation (Wüstenbildung), Hitzestress, eine reduziertere Wasserverfügbarkeit, zunehmende Brandgefahr, Dürre, Verschlechterung der Luftqualität, erhöhte Gesundheitsgefahren und den Verlust von Lebensräumen. All diese Veränderungen betreffen direkt oder indirekt den Tourismus.
Die klimatischen Veränderungen zeigen bereits heute ihre Wirkung: Steigende Temperaturen sorgen für milde Winter und unerträgliche Hitze im Sommer, wie im letzten Jahr mit Temperaturen von teilweise über 40°C, die sonst nur in der Wüste oder in den Golfstaaten erreicht werden. Die Winter(sport)destinationen leiden unter der Erwärmung: ohne Schnee – kein Wintersport. Besonders deutlich wurde dies Anfang 2010. Die Saison startete viel zu spät und endete viel zu früh. Die finanziellen Einbußen waren für alle Beteiligten zu spüren. In der Region Mzaar-Kfardebian wird von Verlusten von bis zu 20 Millionen Dollar für die Betreiber von verschiedenen Shops ausgegangen. Möglicherweise handelte es sich um ein „Ausnahmejahr“, jedoch deuten langfristige Prognosen auf eine weitere Abnahme der Niederschläge und steigende Temperaturen hin.
Eine Küste an der ein erhöhter Meeresspiegel flachliegende Strandabschnitte und Inseln verschwinden lässt, verliert ihre Anziehungskraft für Strandurlauber. Noch ist für viele Besucher aus den Golfstaaten der Libanon ein beliebtes Ziel für den Sommerurlaub. Das milde, mediterrane Klima zieht jährlich Hunderttausende nach Beirut und in die Berge, um die „Sommerfrische“ zu genießen. Zunehmende Temperaturen und extreme Hitzewellen reduzieren durch die Überschreitung der Wohlfühlgrenze jedoch die Attraktivität dieser Sommerdestination. Die Touristenströme werden sich räumlich und zeitlich verlagern. Die durch die Hitze verursachte Trockenheit führt zusätzlich zu einer erhöhten Waldbrandgefahr.
Betroffen wären hier u.a. die touristisch genutzten Naturschutzgebiete mit ihren ohnehin schon gefährdeten Zedern – dem Wahrzeichen des Libanon, das für „Frieden, Heiligkeit und Ewigkeit“ steht. Extreme Temperaturen machen die Menschen anfällig für Herz-Kreislauf-Beschwerden und erhöhen den Bedarf an Trink- und Brauchwasser. Aber auch Städtereisen, die eher als wetter- und klimaunabhängige Tourismusform gelten, könnten aufgrund von höheren Temperaturen und Extremereignissen mit Einbußen rechnen. Schwere Stürme und Regenfälle richten immensen Schaden an der Infrastruktur an, egal ob an der Küste, auf den Bergen oder eben in der Stadt. Im Dezember 2010 zog bspw. ein heftiger Sturm mit bis zu 100km/h durch das Land und hinterließ umgeknickte Bäume, zerstörte Strandbars, fegte riesige Werbetafeln über den Highway und überflutete mit 5 Meter hohen Wellen den Küstenstreifen. Stürme und Regenfälle solcher Dimensionen bringen mitunter die Wirtschaft zeitweise zum Erliegen und fordern hohe Investitionen zum Wiederaufbau. Laut Aussagen der Umwelt-Abteilung der Weltbank könnten sich zukünftig die Kosten des Klimawandels für den Libanon auf etwa 500 Millionen Dollar pro Jahr belaufen. Gemeint sind neben den Kosten für beschädigte und zerstörte Infrastruktur, auch jene die für Anpassungs- und Vermeidungsmaßnahmen sowie ausgleichende Investitionen aufgrund volkswirtschaftlicher Einbußen aufgebracht werden müssen.
Herausforderungen
Adaption und Mitigation - Was muss getan werden?
Die grundsätzliche Problematik wurde von den relevanten Stakeholdern erkannt – auch wenn manch einer nicht von einem langfristigen Trend ausgehen will. Der Klimawandel hat Auswirkungen auf den Tourismus und umgekehrt auch. Es ist also notwendig, Maßnahmen zu implementieren. Zum einen sollten tunlichst klimaschädliche Emissionen vermieden oder zumindest vermindert werden (Mitigation). Nun ist bereits hinreichend bekannt, dass im Wesentlichen die Industrieländer für das Klimadilemma verantwortlich sind und somit auch am meisten unternehmen müssen. Der Libanon produziert lediglich 0,07% des weltweiten CO2-Ausstoßes und rangiert damit auf dem 76. Platz. Nichtsdestotrotz müssen die einzelnen Länder die Konsequenzen tragen und können auch vorort einige wesentliche Schritte einleiten.
Welche Maßnahmen müssen also ergriffen werden, um ein langfristiges Fortbestehen des libanesischen Touris-mussektors zu gewährleisten?
Land unter - Küstenzonen und Meeresspiegelanstieg:
Die Küste des Libanon wird durch den Anstieg des Meeresspiegels des Mittelmeeres betroffen sein. Wissen-schaftler erwarten eine Erhöhung von etwa 88 cm in den Jahren zwischen 1990 und 2100. Das würde bedeuten, dass große Küstenstreifen erodieren oder gar gänzlich im Meer verschwinden. Mit 70% lebt die Mehrheit der rund 4 Millionen Einwohner in diesem Gebiet. Etliche industrielle Anlagen befinden sich dort, ebenso wie zahlreiche touristische Einrichtungen, wie Strand- und Hotelressorts. Es gilt also sowohl die dort ansässige Bevölkerung als auch die wirtschaftliche Infrastruktur zu schützen. Technische Maßnahmen in diesem Bereich sind u.a. die Anbringung von Tetrapoden, Buhnen , das Aufschütten von Sand oder auch der Bau von Deichen. Gleichzeitig müssen Regelungen implementiert werden, die der Flächenversiegelung durch Neubauten und der Verschmutzung des Wassers sowie des Küstenlandstreifens entgegen wirken. Dieses könnte z.B. durch ein integriertes Küstenzonenmanagement (IZKM) oder durch eine kontrollierte Stadt- und Regionalplanung erreicht werden. Einen IZKM-Plan gibt es bereits und es wurden Pilotprojekte im Norden und Süden des Landes gestartet. Der Plan wurde von 2002 bis 2003 im Rahmen des United Nation Environment Programme´s Mediterranean Action Plan (UNEP/MAP) in Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium (MoE) erstellt. Er sieht u.a. die Förderung von nachhaltigem Tourismus vor. Jedoch findet er bislang landesweit kaum Umsetzung. Dabei bietet die Entwicklung alternativer Angebote eine große Chance für die Tourismusindustrie. So könnte auf diesem Wege nicht nur eine höhere Saisonunabhängigkeit erreicht, sondern auch neue Zielgruppen und Märkte erschlossen werden.
Durstige Zeiten - Temperaturanstieg und Wassermangel:
Der Anstieg der durchschnittlichen Temperatur hat vielseitige Auswirkungen und wird regional unterschiedlich ausfallen. Experten erwarten eine Erhöhung der durchschnittlichen Temperaturen bis zum Jahr 2040 von ca. 1°C an der Küste und 2°C im Inland. Hitzewellen wirken sich auf die menschliche Gesundheit aus und erhöhen den Wasserbedarf. Es besteht eine höhere Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und gleichzeitig entsteht eine Grundlage für die Entwicklung neuer Viren und Mikroben. Nicht nur der tägliche Bedarf des Menschen an Trinkwasser steigt, auch die Landwirtschaft braucht für die Sicherstellung der Nahrungsversorgung mehr Wasser. Der Tourismus benötigt extrem viel Wasser: ob für die Zubereitung von Mahlzeiten, die tägliche Reinigung von Hotelzimmern, Swimmingpools oder die Gartenanlage, die das Hotel erst richtig schön macht. Wasser, das für touristische Infrastruktur verwendet wird, fehlt der Natur und trägt unmittelbar zu deren Verödung bei. Der Druck auf die ohnehin knappen Wasserressourcen des Libanon könnte durch die Entwicklung des Tourismus zudem zu Konflikten führen. Insbesondere dann, wenn anderen Sektoren wie der Agrarwirtschaft Wasser entzogen wird, um es für touristische Aktivitäten umzuleiten, die vor allem für Reiseveranstalter und große Unternehmen profitabel sind. Eine zunehmende Wasserverknappung durch klimatischen und menschlichen Einfluss macht eine nachhaltige langfristige Entwicklungsstrategie unbedingt erforderlich.
Zusätzlich verschärft wird die Problematik durch die erwartete Abnahme der Niederschläge um etwa 20% bis 2040. Zum einen wird sich der Grundwasserspiegel durch die weitere Wasserentnahme nicht mehr vollends auffüllen. Die Folgen sind Bodenerosion, die Verödung landwirtschaftlicher Flächen, das Absinken von Gebäuden mit dementsprechenden Sachschäden, etc. Zum anderen ist der Wintertourismus direkt betroffen. Wem nützen die schönsten und modernsten Winterressorts, wenn kein Schnee mehr fällt bzw. liegen bleiben kann? Anfang 2010 hatte die Branche mit schweren finanziellen Einbrüchen zu kämpfen. Viele kleine Restaurants, Souvenirshops, Skiverleihstationen und Liftbetreiber standen bei den frühlingshaften Temperaturen leer. Hunderte Angestellte, die einen Großteil ihres Lebensunterhaltes innerhalb dieses Zeitraumes verdienen müssen, bangten um ihre Existenz. Eine der populärsten Maßnahmen, um einer solchen Situation zu entrinnen, ist die künstliche Beschneiung. Inzwischen dürfte aber allgemein bekannt sein, dass derartige Anlagen den Druck auf die Natur weiter erhöhen. Sie verbrauchen nicht nur enorm viel Wasser und verpesten mit Emissionen die Luft. Der Lärm, der von diesen Anlagen ausgeht, übt zudem Stress auf die beheimatete Fauna aus. Als Reaktion verlassen Arten ihr Habitat oder sterben im schlimmsten Falle aus. Pflanzen zeigen unter der künstlichen Schneedecke ein verzögertes Wachstum und die Diversität in solchen Arealen nimmt ab.
Eine weitere, gern gewählte Strategie ist das Ausweichen auf höhere Lagen. Für die Wintersaison 2010/2011 wurden bereits neue Skilifte oberhalb von 2000 Metern installiert. Das bringt sicherlich zumindest Tages- und Wochenendtouristen zurück auf den Berg. Jedoch ist das Problem damit nur kurzfristig gelöst. Einerseits ändert es nichts an der langfristigen Prognose, dass die Temperaturen steigen und somit auch diese Regionen früher oder später erreichen werden und dass in Zukunft weniger Niederschläge fallen – demnach also auch kein Schnee in jener Höhe. Auf der anderen Seite wird durch die Verlagerung letztlich das Problem noch verschlimmert, denn auch die neue touristische Infrastruktur benötigt Flächen. Es müssen neue Pisten geschaffen, Skilifte verankert und für das leibliche Wohl der Gäste gesorgt werden.
Gefordert wären Anpassungsmaßnahmen, die auf eine Diversifizierung des Angebotes abzielen und nach Möglichkeit ganzjährig offeriert werden könnten, ohne dabei die Natur zusätzlich zu strapazieren. In der Region um Mzaar-Kfardebian in den Bergen versucht man bereits, das Angebot über die vier Jahreszeiten zu erstrecken. Neben den üblichen Wintersport-Aktivitäten werden im Frühling, Sommer und Herbst vom Eselreiten, Tontaubenschießen, Minigolfen über Sonnenbaden an Outdoor- Pools bis hin zu den weniger umweltfreundlichen motorisierten Beschäftigungsmöglichkeiten alles angeboten. Dadurch wird eine höhere Saisonunabhängigkeit erreicht und gleichzeitig werden andere Zielgruppen angesprochen. Einschränkend muss allerdings hinzugefügt werden, dass es sich zumeist um Outdoor-Angebote handelt, die ebenfalls vom Wetter abhängig sind. Im Hinblick auf den Schutz der Natur und die Vermeidung klimaschädlicher Emissionen lässt sich kurz sagen: Quad-Touren durch die angrenzenden Wälder oder Hubschrauber-Rundflüge sind keine adäquate Alternative. Wohingegen bspw. die Etablierung themenbezogener Wanderungen oder Biking auf festgelegten Wegen durchaus akzeptabel wären.
Außer dem Sommer- und Winter-tourismus sind auch der Ländliche Tourismus und der Ökotourismus betroffen. Beide basieren auf einer intakten Natur und würden daher durch die beschriebenen Folgen des Klimawandels erheblich beeinträchtigt. Pascal Abdallah, Besitzer und Manager von Responsible Mobilities, einem Reisveranstalter für nachhaltige Reisen im Libanon geht davon aus, dass es zu einer massiven „[…] Abwanderung der Landbevölkerung kommen wird aufgrund der klimatischen Veränderungen, die einen negativen Einfluss auf die Landwirtschaft und lokale Wasserquellen haben werden, von denen sie abhängig sind.“
Stürme und Sturzfluten – Extremereignisse:
Eine besondere Herausforderung werden die häufiger und heftiger auftretenden Extremwettereignisse sein. Solche Ereignisse schränken üblicherweise die Nutzung des betroffenen Lebensraumes ein und bringen auch finanzielle Einbußen mit sich. In Gebieten, in denen sich der Raum für Siedlungen und andere Nutzungsgebiete mit Gefahrenzonen überschneidet, können extreme Wetterevents zu immensen Schäden an Personen und Sachwerten führen. So wird beispielsweise die Baalbeck-Hermel-Region regelmäßig von großen Sturzfluten heimgesucht, die ganze Straßenzüge mit sich reißen. Neben den offensichtlichen, direkten Schäden führen solche Naturereignisse aber auch zu indirekten Beeinträchtigungen. Der Tourismussektor muss in diesem Zusammenhang mit Mindereinnahmen als Folge veränderter Bedingungen (z.B. durch die Nicht-Nutzbarkeit von Wintersport- oder Strandanlagen, dem Fernbleiben von Gästen wegen unpassierbarer Straßen usw.) rechnen.
Wettereignisse in diesem Ausmaß lassen sich nur schwer voraussagen. Es ist vergleichsweise schwierig, geeignete Strategien zu entwickeln, um sich anzupassen. Der Schutz erfordert zudem hohe Investitionen. Bauliche Maßnahmen zum Küstenschutz, wie die bereits existierenden Tetrapoden, die zumindest eine abschwächende Wirkung gegen meterhohe Wellen haben, der Aufbau operationeller Frühwarn- und Krisenmanagementsysteme, die Anpassung der Baustandards bei Gebäuden und Straßen, die Einbeziehung von Extremereignissen in Bebauungspläne und die Bewusstseinsbildung unter der Bevölkerung sind denkbare Möglichkeiten.
Die Tourismuswirtschaft kann zwar den zusätzlichen Bau touristischer Infrastruktur in gefährdeten Gebieten vermeiden. Darüber hinaus kann sie an dieser Stelle aber kaum handeln. Die Hauptverantwortung liegt hier vielmehr auf der Seite des Staates. Dieser muss prinzipiell auch für die Finanzierung solcher Projekte aufkommen, wobei angesichts der objektiven Interessenslage auch Public-Private-Partnership(PPP)-Projekte in Betracht kämen. Lokale Bebauungspläne existieren wohl, aber an einer verantwortungsvollen Umsetzung scheint es bislang zu mangeln. Die Bande zwischen Politik und Wirtschaft sind eng geknüpft und das wirtschaftliche Interesse an kurzfristigen Profiten scheint hier offenbar die gewichtigere Rolle zu spielen. Spezielle Vorschriften für den Bau von Gebäuden gibt es nicht.
Dicke Luft - Emissionen:
Beirut liegt schon heute unter einer braun-grauen Kuppel aus Smog, die man beim Anflug auf den internationalen Flughafen durchaus erkennen kann. Die schlechte Luftqualität insbesondere in der Hauptstadt ist seit mehreren Jahren ein Thema: ein Problem, welches Beirut mit vielen Metropolen in der Welt teilt. Verursacht werden diese Emissionen zu etwa 25% durch den Verkehr. Zum täglichen Leidwesen der Bewohner Beiruts sind die Straßen voll von Autos, die stundenlange Staus auslösen. Die restlichen Emissionen stammen aus Industrieanlagen und Haushalten. Große Teile der Bevölkerung beziehen ihren Strom in Zeiten, in denen sie nicht über das öffentliche Netz versorgt werden, aus Benzin-betriebenen Generatoren. Hinzu kommen die unzähligen Klimaanlagen, die bei steigenden Temperaturen einmal mehr ihren Dienst tun müssen.
Um THG-Emissionen in der Tourismus-branche, insbesondere in den Bereichen Transport und Unterkunft zu vermeiden oder zu vermindern, gibt es verschiedene Lösungsansätze: Durch technische Innovationen kann die Energieeffizienz verbessert und der Energieverbrauch gleichzeitig verringert werden. Hotel-besitzer könnten z.B. die Zimmer mit Anlagen ausstatten, die einen versehentlichen Dauerbetrieb von Licht und Klimaanlagen ausschließen. Die Umstellung auf erneuerbare oder klimaneutrale Energiequellen (Photo-voltaik, Solarthermie, Geothermie usw.), ebenso wie die Möglichkeit der Energierückgewinnung aus Abfall – den es im Libanon reichlich gibt - schonen nicht nur die erschöpflichen Ressourcen, sondern helfen zugleich bei der Mitigation des Schadstoffausstoßes. Im Bereich der Verpflegung wäre schon ein Teil der Emissionen reduziert, wenn mehr lokale Produkte verwendet werden würden und weniger importierte Waren. Zudem hätte dies einen positiven Einfluss auf die lokale Wirtschaft. Die Etablierung und Förderung des öffentlichen Nahverkehrs könnte sowohl die chaotische Verkehrssituation lösen als auch die Luftqualität innerhalb der Städte verbessern. Bei der Touristeninformation ist im Übrigen auch ein Plan erhältlich, wo welche Buslinien fahren. Feste Abfahrtszeiten gibt es jedoch nicht und man sollte sich gut auskennen, denn mit der Nennung von Straßennamen wird man nicht ans Ziel gelangen. Gerade Touristen verfügen aber in der Regel nicht über eine solche Ortskenntnis.
Ansätze wie die Erhebung von Parkgebühren veranlassen vielleicht den einen oder anderen, sein Auto stehen zu lassen, auch da es in Beirut ohnehin kaum möglich ist, überhaupt einen freien Parkplatz zu ergattern. Laut Wael Hmaidan, Gründer der Umweltorganisation IndyACT, könnten zudem straßenbauliche Maßnahmen, wie das Höherlegen von Gehwegen, das wilde Parken auf und an den Fußgängerzonen verhindern. Dies würde gleichzeitig die Attraktivität des zu-Fuß-Laufens erhöhen.
Akteure und Maßnahmen
Zweifelsohne stellt das Einleiten der erforderlichen Maßnahmen angesichts der Interdisziplinarität des Tourismus eine große Herausforderung dar. Umso wichtiger scheint eine gezielte strategische Entwicklung, die alle politischen und wirtschaftlichen Ressorts einbezieht.
Gefragt sind einerseits die privaten Unternehmen, wie Hotel- und Restaurantbesitzer, Reiseveranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen. Bei ihnen liegt die Verantwortung, konkrete Maßnahmen umzusetzen und gleichzeitig ein Bewusstsein für die Umweltproblematiken zu schaffen. Andererseits ist es unausweichlich, dass die Politik Schritte unternimmt, um den Sektor zu erhalten und zu fördern. Notwendig sind ebenso der Erlass von Gesetzen und die Kontrolle von deren Einhaltung wie die Etablierung glaubwürdiger Zertifizierungssysteme. Auch sollten die Publikationen von Handlungsprogrammen und die Durch-führung bewusstseinsbildender Maßnahmen für Stakeholder und Touristen zur Anwendung kommen.
Doch wie sieht die Realität aus? Anpassung, Vermeidung, Ignoranz? Das Ministerium für Tourismus (MoT), so würde man meinen, ist für die übergeordnete Steuerung des Sektors zuständig. Offenbar ist das größte Hemmnis hier jedoch ein viel zu kleines Budget. Es reicht augenscheinlich nicht einmal für ein Update der Website des Ministeriums. Aktionspläne für die Anpassung des Winter(sport)tourismus und Aufklärungsbroschüren verstauben in der digitalen Schublade. Das Interesse einzelner MitarbeiterInnen ist groß. Doch es trifft anscheinend nicht auf das selbige bei den Entscheidungsträgern. Nichtsdestotrotz wurde bereits die eine oder andere Maßnahme eingeleitet, die einen Einfluss auf eine nachhaltige, klimafreundliche Entwicklung des Tourismus hat. So hat man u.a. das Hotelklassifizierungssystem um den Umweltaspekt erweitert. Das bedeutet, dass die durch umweltverträgliche Maßnahmen in einem Hotel erstandenen Punkte bei der Sterne-Vergabe mit berücksichtigt werden. Offizielle Richtlinien für Ecolodges liegen derweil dem Parlament vor und warten auf ihre Absegnung. Angesichts der seit Jahren anhaltenden Stagnation im politischen Prozess und der Paralyse der staatlichen Institutionen, kann dies jedoch noch dauern.
Wenn private Unternehmen touristische Projekte planen, so müssen sie zuvor beim Ministerium eine Erlaubnis einholen. In diesem Zusammenhang steht also jedes Vorhaben unter dem Logo des Tourismusministeriums. Größere Events wie der „International Mountain Day“ oder auch der „World Responsible Tourism Day“ stehen ebenfalls stets unter der Schirmherrschaft des Ministeriums. Über die Touristeninformationsbüros erhält man Broschüren, die auf öko-touristische Projekte aufmerksam machen. Im Wesentlichen besteht also die Aufgabe des MoTs, laut eigenen Aussagen, in der Kooperation mit privaten Unternehmen und NGOs sowie in der Bewusstseinsbildung. Die Verantwortung, dem Klimawandel aktiv zu begegnen, sieht man dort allerdings vorrangig bei der Privatwirtschaft. Neben dem kleinen Budget sieht sich das Ministerium noch mit einem weiteren Problem konfrontiert, welches es an einem aktiven Handeln hindert: die immer wiederkehrende politische Unsicherheit. Ihr gälte in jedem Falle die höchste Priorität – verständlicherweise, denn nichts schreckt den „normalen“ Reisenden mehr ab, als die Gefahr in einen politischen Konflikt zu geraten. Schlussendlich lässt sich also sagen, dass das Thema Klimawandel und sein negativer Einfluss auf die libanesische Tourismuswirtschaft zwar theoretisch angekommen ist, aber bislang keinen Platz in der politischen Agenda gefunden hat. Momentan sieht es auch nicht danach aus, dass sich das in naher Zukunft ändern wird.
Ein anderer einflussreicher Akteur ist das Ministerium für Umwelt (MoE). Viele der vom Ministerium getroffenen Maßnahmen betreffen den Tourismus direkt oder indirekt. Zum Beispiel spielen die Einrichtung von Naturreservaten oder Schutzgebieten als Attraktionen für den Ökotourismus eine große Rolle. Ebenso wirken sich der Erlass von Gesetzen und Handlungsstrategien zum Schutze der Umwelt auf die Tourismusindustrie aus. Das Ministerium gab kürzlich ein Handbuch zur Umweltprüfung für Hotels heraus - ob es jedoch in der Praxis angewandt wird, ist höchst fraglich. Der Arbeitsplan für die Jahre 2010 bis 2012 sieht u.a. vor, gemeinsam mit dem MoT und im Rahmen dessen politischer Strategie durch die Förderung von Schutzgebieten den Ökotourismus zu unterstützen. Desweiteren sollen etliche Gesetze bzw. Gesetzesvorschläge erlassen werden, die den Schutz der Umwelt gewährleisten. In Kooperation mit dem Ministerium für Öffentliche Arbeiten und Transport (MoPWT) steht die Förderung und Verbesserung des öffentlichen Verkehrs ganz oben auf der Liste. In einem Pilotprojekt soll bspw. der Fuhrpark eines Taxiunternehmens mit Hybrid-Autos ausgestattet werden. Das MoE arbeitet mit verschiedenen internationalen Organisationen, wie z.B. UNDP, zum Thema Klimawandel zusammen. Häufig bleibt es jedoch bei den Pilotprojekten und sobald die internationalen Akteure ihre Arbeit beendet haben – und deren finanzielle Unterstützung endet – gibt es keinen Fortgang.
Privaten Unternehmen kommt insofern eine wichtige Rolle zu, als dass sie zu den von den klimatischen Veränderungen direkt Betroffenen gehören. Wie schon erläutert, haben sinkende Besucherzahlen in den Zeiten der Hauptsaison auf jeden einzelnen Beteiligten der Wertschöpfungskette Einfluss. Sie alle sollten also ein Interesse daran haben, ihre Einkommen zu sichern. Möglich ist dies nur durch eine entsprechende Strategie, die die wesentlichen Fragen adressiert: Welche Produkte, Attraktionen oder Aktivitäten können angeboten werden, um Gäste anzulocken? Wie kann ein ganzjähriges touristisches Angebot implementiert werden? Welche Zielgruppen sollen angesprochen werden und wie kann bei all dem der Naturraum, als Basis des Tourismus, geschont werden?
In diesem Zusammenhang gibt es inzwischen eine ganze Reihe von umweltverträglichen Beherbergungen. Sie beziehen ihren Strom aus alternativen Energien, recyceln ihr Wasser und offerieren lokale Produkte. Zumeist handelt es sich um kleine, privat geführte Unterkünfte. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Bewusstseins-bildung, schützen ihre natürliche Umgebung und fördern die lokale Wirtschaft. Doch die Masse der Touristen nutzt vor allem die großen Hotels in den Städten. Viele internationale Ketten, wie die InterContinental Hotel Group (IHG), treten hier in Erscheinung. Die meisten von ihnen haben umwelt- und klimaverträgliche Maßnahmen als eine ihrer Unternehmensstrategien oder auch als Teil der Unternehmensphilosophie verankert. Die IHG hat z.B. das Programm „Green Aware“ für einen nachhaltigen Tourismus mit vier Handlungsfeldern: Wasser, Abfall, Community und Energie. Maßnahmen in diesen Bereichen sollen dem Schutz der Ressourcen und der Reduktion von CO2 dienen sowie eine nachhaltige Wirkung im Bezug auf die lokale Gemeinschaft haben. In der konkreten Umsetzung bedeutet das den Einsatz von wassereffizienten Duschköpfen und Toiletten sowie von energieeffizienten Produkten (sprich: Energiesparlampen) und der vermehrten Nutzung von nachhaltigen Energiequellen (Sonne, Wind, Biokraftstoffen ). Außerdem wird die Wiederverwendung und das Recycling von Materialien angestrebt, laut Website „…wo immer es möglich ist.“ Fraglich ist bei den angestrebten Maßnahmen, inwieweit sie einen tatsächlichen positiven Effekt haben. Der Einsatz von energiesparenden Geräten spart zwar, wie der Name schon sagt, aber vor allem Kosten für den Betreiber der Herberge. Wassereffiziente Sanitäranlagen sind durchaus sinnvoll. Deren Wirkung dürfte aber um einiges gemindert sein, wenn die Außen-dekoration eines Hotels aus einem riesigen Wasserfall besteht. Häufig wird mit einer entsprechenden Marketing-strategie aus einer Maßnahme, die selbst für viele private Haushalte inzwischen Standard sind, ein grünes Image erzeugt.
Es gibt wohl eine Reihe von Hotels dieser Kette, die die genannten Maßnahmen implementiert haben – die im Libanon allerdings nicht. Auf Nachfrage gab es die Auskunft, dass man gerade dabei sei, das Programm zu bearbeiten und entsprechende Schritte einleiten werde. Es bleibt also abzuwarten, welche wahrnehmbaren Handlungen hier veranlasst werden.
Reiseveranstalter bieten vom Ausflug zur antiken Stätte, über den Flugzeugrundflug bis zum Kartfahren alles an. Man kann nicht sagen, dass es sich immer um besonders klimaschonende Aktivitäten handelt. Sie sind vollends auf das Erlebnis ausgelegt, das vom Kunden nachgefragt wird. So entwickelt sich dieser Bereich ganz nach dem Motto „höher, schneller, weiter“. Dennoch gibt es einige Veranstalter, die sich auf Ökotourismus spezialisiert haben. Bei einem genaueren Blick wird jedoch schnell klar, dass nicht jeder Öko-Anbieter es so ernst nimmt. Pascal Abdallah gehört mit zu den wenigen „Überzeugungstätern“, die versuchen, auf alles zu achten: Getränke und Essen werden bei lokalen Shops gekauft und nicht vorab im internationalen Supermarkt besorgt. Attraktionen sind die Natur, Interaktion mit den Einheimischen und die historischen Sehenswürdigkeiten. Das jeweilige Ziel wird mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht – kein halbvoller, klimatisierter Bus – und erlangt damit für manchen vermutlich schon den Charakter eines Abenteuer- und Erlebnisurlaubs. Seine Zielgruppe sind nicht nur Touristen. Regelmäßig buchen auch Schulklassen Ausflüge mit Responsible Mobilities. Er möchte vor allem das Bewusstsein der Jugend dafür schärfen, wie wichtig die Umwelt für ihre Zukunft ist. Viel Geld verdienen lässt sich damit aber bislang offenbar nicht. Pascal bezieht sein Gehalt zum größten Teil aus seinem Dozenten-Job an der Uni. Aber hier widmet er sich demselben Thema und bildet zukünftige Tourismusmanager aus.
Von den unzähligen NGOs, die im Libanon aktiv sind, befassen sich wenige mit dem Thema Klimawandel. Zu ihnen gehört IndyACT. Ihre Arbeit besteht aus dem Lancieren von Kampagnen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Kultur. Tourismus war bisher nicht Gegenstand einer eigenen Kampagne. Er wird jedoch dazu benutzt, um auf das Thema Klimawandel aufmerksam zu machen. Gerade weil der Libanon so stark von diesem Sektor abhängig ist. Sie kooperieren im Rahmen ihrer Kampagnen mit den entsprechenden Stakeholdern, angefangen bei den jeweils zuständigen Ministerien, über Parteien bis hin zu privaten Unternehmen. In Bezug auf die klimatischen Veränderungen und die Auswirkungen auf den Tourismussektor sieht Wael Hmaidan die größte Herausforderung im Zustandekommen eines internationalen Abkommens. Deshalb sei IndyAct vor allem hiermit befasst. Hmaidan´s Meinung nach stünde die Verantwortungsübernahme der Politik an erster Stelle und solange da nichts passiert, könne auch keiner so richtig etwas tun.
Andere Organisationen wie Greenline, Partner der Heinrich Böll Stiftung, machen mit einzelnen, konkreten Projekten auf verschiedene Themen aufmerksam, die den Tourismussektor betreffen. So lautete bspw. ein Slogan im Rahmen der Kampagne für nachhaltigen Transport „On the move without your car”. Von 2002 bis 2004 lief ein Öko-Tourismus-Projekt mit einem zweitägigem Train-the-Trainer-Workshop, diversen Publikationen sowie der Etablierung eines Expertenteams für Öko-Tourismus. Im Rahmen der Kampagne „Access to rights…Right to resources“ will Greenline die aggressive Privatisierung öffentlicher Ressourcen bekämpfen und Bewusstsein dafür schärfen, dass die BürgerInnen ein Recht auf nachhaltige Entwicklung haben. Im Zuge dessen entstanden u.a. verschiedene Fact Sheets zu den Themen „Erneuerbare Energien“, „Der Strand gehört uns“ und „Grüne Räume – ein Recht für alle“.
Fazit
Die Tourismusbranche ist, wie aufgezeigt, stark abhängig von der natürlichen Umgebung. Der Libanon wird auf die Variabilität und die direkten und indirekten Veränderungen des Klimas empfindlich reagieren. Destinationen werden durch die voraussichtlichen Änderungen beeinflusst. Touristenströme verlagern sich, mit enormen wirtschaftlichen Auswirkungen, gerade auf der lokalen Ebene. Es gäbe also genug Gründe, um zu handeln.
Das Umweltbewusstsein in der Politik, bei den touristischen Akteuren und der Bevölkerung wächst und bei den Touristen sollte es zumindest erwartet werden. Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Angeboten steigt.
Zu dem Themenfeld Tourismus und Klimawandel im Libanon sind jedoch bislang kaum öffentlich zugängliche Informationen und Studien vorhanden. Nur wenige Akademiker beschäftigen sich konkret und aktiv mit dem Thema. Um eine adäquate Handlungsstrategie und Maßnahmen zu deren Umsetzung zu entwickeln, ist es erforderlich, dass eine umfangreiche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema erfolgt und, dass ein entsprechendes Monitoringsystem installiert wird, damit überhaupt Daten zur Verfügung stehen. Seitens der Tourismuspolitik läuft ebenfalls nur sehr wenig. So gibt es, trotz der Unterzeichnung und Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und vieler anderer internationaler Übereinkommen, keine Strategie zur Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels seitens des MoT. Einige private Akteure setzen sich für die Aufmerksamkeit bzgl. des Themas ein. Dies leistet jedoch bislang nur einen kleinen Beitrag.
Adaption- und Mitigationsmaßnahmen sind nicht zwangsläufig an ein internationales Abkommen gekoppelt. Selbstverständlich besteht auch die Möglichkeit der Eigeninitiative eines Staates. Dazu ist jedoch eine entsprechende Strategie erforderlich, die sowohl harte (z.B. Gesetze) als auch weiche Maßnahmen (z.B. Handlungsprogramme) enthält. Gleichzeitig sollte allen Beteiligten klar sein, wer womit in der Verantwortung steht. Es ist sicherlich wenig hilfreich, wenn die Politik die Verantwortung fast ausschließlich bei der Privatwirtschaft sieht, andere Organisationen meinen, dass ohne ein internationales Abkommen kaum etwas möglich ist und die Privatwirtschaft, bis auf wenige Ausnahmen, nur Maßnahmen implementiert, die kurzfristigen Profit, wie Verminderungsmaßnahmen, versprechen. Anpassung erfordert ein langfristiges Investment und bringt eben auch erst langfristig Profit – was meist nicht im Interesse der Wirtschaft liegt.
Es sollten ernsthafte Anstrengungen zur Identifizierung alternativer nachhaltiger Tourismusangebote unternommen werden, die möglichst nur geringe klimaschädliche Einflüsse haben und die unabhängiger vom Klima sind. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass alle an einem Strang ziehen. Eine entsprechende Vernetzung von Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit ist dabei unabdingbar und eine integrierte und integrative Planung ist wesentlich für eine erfolgsversprechende Entwicklung. Initiator und maßgeblicher Akteur muss allerdings die Politik sein, da nur sie über die entsprechenden Mittel verfügt, um eine Strategie durchzusetzen.
Den vorliegenden Text (PDF, 889KB, 18 S.) gibt es mit zahlreichen Bildern, Grafiken und Fußnoten zum Download hier »
Die Studie gibt es auch auf englisch
Manja Riebe ist Diplom-Freizeitwissenschaftlerin (FH). Bereits während ihres Studiums beschäftigte sie sich mit dem Themenfeld Klimawandel und Tourismus. Dazu untersuchte sie in ihrer Diplomarbeit die seinerzeit bestehenden Adaptions- und Mitigationsmaßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels im Freizeit- und Tourismussektor auf ihre Effektivität, Effizienz und Nachhaltigkeit. Seit Anfang 2010 lebt sie in Beirut und ihre Arbeit konzentriert sich derzeit auf diese Region.