Mit dem Ende der Industriegesellschaft ist die Teilung der Stadt in Arbeiten, Wohnen, Autoverkehr und Freizeit ebenso obsolet geworden wie die Einteilung der Menschen in Arbeiter, Angestellte, Beamte und Selbstständige. Das Leitbild vom Häuschen im Grünen, wo Papa mit dem Auto zur Arbeit ins Stadtzentrum pendelt, während Mama die Kinder zur Klavierstunde kutschiert, verblasst mehr und mehr. Und für Arbeiter geht es auch nicht mehr um das Wohnen im Arbeiterquartier der Gründerzeit oder in der Schlafstadt am Stadtrand und den Weg zur stickigen Fabrik.
Immer mehr Menschen suchen das urbane Leben. Sie erobern sich die Stadt gleichermaßen als Wohnort, Arbeitsort und Lebensort. Vielfalt, Lebensqualität und Toleranz sind das Markenzeichen der modernen Metropole. Und: Die Menschen wollen nicht mehr nur Erwerbstätige, Mieter und Betroffene sein. Sie sind selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger, die die Zukunft ihrer Stadt mitbestimmen und ihren Lebensraum mitgestalten wollen.
Berlin braucht ein Leitbild: Die moderne Metropole des 21. Jahrhunderts. Berlin als nachhaltige Kapitale kann zeigen, wie man Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit neu zusammenbringt. Wirtschaftliche Dynamik, Klimaschutz und effiziente Ressourcennutzung schließen sich nicht aus, sondern verstärken sich gegenseitig. Berlin muss der Leuchtturm werden, an dem man erkennt, wie all dies gemeinsam realisiert werden kann. Darauf setzt grüne moderne Großstadtpolitik. Darauf setze ich für Berlin als Hauptstadt und Modell für die neue lebenswerte Stadt der Zukunft.
Wir haben die Vision von einer Stadt für alle. Wir wollen eine Stadt, die sich gemeinsame Ziele setzt: beim Klimaschutz, bei der Schaffung von neuen zukunftsfähigen Jobs und bei der Verbesserung der Startbedingungen für unsere Jüngsten. Klima, Arbeit, Bildung – in diesen Bereichen kann und muss Berlin mehr leisten. Eine Stadt für alle ist die Vision, für die wir die Berlinerinnen und Berliner begeistern wollen.
Die grüne Vorstellung von urbaner Lebensqualität verknüpft Arbeiten und Leben miteinander. Wir wollen eine kindergerechte Stadt ebenso wie wir bürgerschaftliche Mitbestimmung bei der Stadtentwicklung anregen wollen, wir wollen den Klima- und Umweltschutz mit städtischer Erholung und Muße verbinden. Unsere Vorstellung ist eine Stadt, die die Freiheit anbietet, etwas Neues anzufangen.
Eine Stadt des sozialen Zusammenhalts
Die wachsende Sehnsucht nach urbanem Wohnen birgt aber ein neues Problem: In dem Maße, wie innerstädtische Stadtteile für mittlere Einkommensschichten als Wohnort interessant werden, steigen die Mieten, steigt die Eigentumsumwandlung, steigt die Verdrängung von Haushalten mit kleinem Portemonnaie und von Migranten. Abgedrängt werden sie meist in die wenig urbanen Großsiedlungen und Nachkriegsbauten an den Stadträndern. Die Verhinderung und Verminderung des sozialen Auseinanderdriftens der Stadt ist eine zentrale Aufgabe der Stadtentwicklungspolitik.
Wir wollen soziale Mischung erhalten und sozial stabile Nachbarschaften stärken. Wer benachteiligte Stadtquartiere im Stadtinneren ebenso wie am Stadtrand aufwerten will – und zwar ohne Verdrängung – muss für gute Schulen, KiTas und Jugendeinrichtungen sorgen. Wer hier investiert, verhindert das Abwandern junger Familien aus sozial stigmatisierten Stadtteilen. Ergänzend muss Berlin wieder mehr Wohnungsbau insbesondere für untere und mittlere Einkommensgruppen betreiben. Auch stellt sich für Migrantenfamilien zunehmend die Frage nach Wohnungsbau und Eigentumsbildung, um ihren Wohnstatus zu verbessern.
Wenn wir von einer Stadt für alle sprechen, sprechen wir auch davon, Ökologie, Ökonomie und Soziales integriert zu entwickeln. Allem voran steht für mich das Ziel auf der Agenda, die energetische Stadterneuerung mit CO2-Minderung und maximalem Einsatz erneuerbarer Energien zu bezahlbaren Wohnkosten voranzubringen.
Wir bleiben nicht bei der Vision stehen, wir machen uns auf den Weg. Instrumente einer zukunftsorientierten grünen Wohnungspolitik und sozial-ökologischen Stadtteilpolitik sind:
- Engagement für ein Mietrecht, das leistungslose Mietsteigerungen klar begrenzt und nur Investitionen in Klimaschutz und Barrierefreiheit begünstigt.
- Engagement für ein Klimawohngeld, das für bedürftige Haushalte bezahlbare Wohnkosten auch bei umfassender energetischer Sanierung sichert.
- Mieterschutz durch Erhaltungssatzungen und Zweckentfremdungsverbot.
- Stärkung vielfältiger Eigentumsformen und besondere Unterstützung von sozialen und gemeinschaftlichen Eigentumsformen wie Genossenschaften, Stiftungen, Baugruppen und Selbsthilfegruppen.
- Erhalt und Erweiterung der Angebote städtischer Wohnungen und die bessere Verteilung öffentlicher Wohnungsbestände in den Stadtteilen.
- Die Unterstützung von stadtintegriertem, nachhaltigem Wohnungsneubau auch bei knappen Kassen für untere und mittlere Einkommensgruppen durch Bereitstellung von Grundstücken, durch städtischen und genossenschaftlichen Wohnungsbau, durch städtebauliche Verträge, die Investoren zum Bau eines Anteils preiswerter Wohnungen verpflichten (Münchner Modell).
- Die Stärkung der Instrumente der Städtebauförderung und der Sozialen Stadt und ihre Öffnung für die energetische und nachhaltige Stadterneuerung. Dies ist insbesondere auch auf Bundesebene notwendig.
- Konsequente Investitionen in Schulen, KiTas, Jugendeinrichtungen, soziokulturelle Häuser und den öffentlichen Raum.
Die grüne Stadt
Das städtische Grün wird in Sonntagsreden gern gefeiert, in der Praxis sind urbane Freiflächen meist Bauerwartungsland. Straßenbäume werden unnötig gefällt und Grünflächen versiegelt, weil dies die Kosten der Grünpflege spart.
Die Stadt der Zukunft braucht mehr Grün. Diese Forderung ist aber selbst unter aktiven Umweltschützern umstritten. Meist wird dem das Ziel der urbanen Verdichtung gegenüber gestellt, um der Zersiedlung im Umland entgegenzuwirken. Aber gerade im Klimawandel mit seinen Wetterextremen braucht die verdichtete Stadt das Miteinander von kompakter Bebauung und Durchgrünung. Für urbane Erholung, Spiel und Sport ebenso wie für die Durchlüftung, Klimasenken und die CO2-Bindung sind kleine und große Grünflächen, Natur- und Landschaftsräume, Regenwasserversickerung, Grünvernetzung, Straßenbäume und Straßenbegleitgrün, Kleingärten und neues Urban Gardening sozial und ökologisch existentiell.
Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel und urbane Lebensqualität können ohne weiteres miteinander verknüpft werden. Hinzu kommt, dass städtischer Klimaschutz enorme ökonomische Perspektiven bietet. Wir können zeigen, wie man mit neuen Technologien und Verfahren Energie- und Ressourcenverbrauch massiv reduzieren kann. Wer auf Green Economy setzt, schafft bei sich die Arbeitsplätze der Zukunft. Ich bin sicher: Berlin kann den internationalen Wettlauf um die innovative Stadt der Zukunft gewinnen – wenn die Politik eine klare Richtung vorgibt und Potentiale hebt.
Die dicht bebaute, durchgrünte Stadt hilft die Zersiedelung einzudämmen, weil das Leben mit Kindern und das Leben für Alte mitten in der Stadt wieder lebenswert wird. Die durchgrünte Stadt begünstigt nachhaltige Mobilität. Sie lädt dazu ein, auf das Auto zu verzichten und sich auf grünen Wegen unfallfrei zu Fuß, zu Rad und mit dem ÖPNV zu bewegen. Die durchgrünte Stadt steht nicht im Widerspruch zu Urbanität. Urbanität braucht Nutzungsvielfalt und gesellschaftliche Vielfalt und die klare Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Raum.
Öffentliche Parks und Freiflächen sind existenziell für das urbane Leben. Für die neue Lust am Wohnen und Familienleben in der Innenstadt ist die Nähe zu öffentlichem und ohne Eintritt zugänglichem Grün, Spiel und Sport eine Grundvoraussetzung. Und die neuen Formen der Nutzung von Grün in interkulturellen Gärten, Urban Gardening und bürgerschaftlicher Grünpflege sind Ausdruck der elementaren Aneignung der Stadt, ihres Bodens und des sozialen Raums durch die Bürgerinnen und Bürger.
Da die „vorhandene Stadt“ nicht allzu viele neue Freiflächen herzaubern kann, brauchen wir auch das Grüne Haus. Es ist an der Zeit, dass wir nicht nur für das energieeffiziente Haus streiten, für Passivhäuser und Plus-Häuser sondern auch für begrünte Dächer und Fassaden. Wo ist die Bauordnung, die dem Investor vorschreibt: Wenn Boden versiegelt wird, muss auch Biotopfläche am Gebäude geschaffen werden? Nun haben die Solarfreunde gleich Sorge, dass dabei die Flächen für Photovoltaik und Solarthermie fehlen. Aber gerade da fängt innovative Architektur an.
Wir bleiben nicht bei der Vision stehen, wir machen uns auf den Weg. Instrumente zur Stärkung der grünen Stadt sind:
- Sicherung von Freiflächen als Klimaschneisen, Klimasenken und Naherholungsräumen.
- Regionale Kooperationen zur Sicherung und Pflege von Landschafts- und Naturräumen im Stadtumland.
- Kooperationen mit Naturschutz- und Umweltverbänden zur eigentumsrechtlichen Flächensicherung.
- Verbindliche Festlegungen in der Bauordnung über Flächenentsiegelung und das Schaffen und Pflegen von Biotopflächen bei Vollversiegelung.
- Ausweitung der Regelungen für die Leistung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei Bauinvestitionen.
- Schaffen und Pflegen von Grün im Rahmen von städtebaulichen Verträgen.
- Unterstützung von bürgerschaftlichem Engagement der Grünpflanzung und -pflege durch mehr Wasserpumpen im Straßenraum, Vereinbarungen über Grün- und Blumenpflege etc.
Eine Stadt mit urbaner Mobilität
Die autogerechte Stadt ist Vergangenheit – auch wenn manche Parteien das immer noch nicht begreifen wollen und auf noch mehr Beton und Teer setzen. Moderne Mobilität ist multimodal. Dazu gehört durchaus das Auto, aber auch viele andere Arten der Fortbewegung. Gerade in der Stadt nutzen immer mehr Menschen den Weg von und zur Arbeit gleichzeitig auch als Bewegungstraining und radeln, joggen, skaten etc..
Darum darf der öffentliche Raum nicht mehr ausschließlich Fahrbahn und Parkraum für Privatautos sein. Die Straßen müssen schrittweise Raum geben für den Fahrradverkehr, Fahrradstellplätze und für Carsharing-Stellplätze. Er muss auch mehr Raum da sein für urbanes Flanieren, sommerliche Cafés im Freien, Spiel und Erholung. In der Zukunft wird auch die Elektromobilität auf zwei und vier Rädern unsere Städte und Straßen neu prägen.
Eine Reihe von europäischen Metropolen hat innovative Konzepte eingeführt: Paris bietet seinen Bürgern ein flächendeckendes Fahrradleihsystem und seit kurzem auch ein flexibles Autoleihsystem, das mit dem ÖPNV auf einer Mobilitätskarte kombiniert wird. Die Holländer haben Shared Space erfunden. Die Schweizer gestalten in ihren Innenstädten Begegnungszonen. Dabei geht es jeweils um Straßen und Plätze, wo alle VerkehrsteilnehmerInnen gleichberechtigt sind und aufeinander Rücksicht nehmen müssen.
Deutschland hält sich bislang sehr zurück, neue Experimente im Umgang mit dem städtischen Verkehr und dem öffentlichen Raum zu wagen. Nach dem Bundesrecht sind bis heute noch nicht einmal Carsharing-Stellplätze auf Straßenland zulässig.
Wir bleiben nicht bei der Vision stehen, wir machen uns auf den Weg. Instrumente zur Stärkung moderner städtischer Mobilität und schöner öffentlicher Räume sind:
- Bestandserneuerung statt Straßenneubau
- Stärkung des Fahrradverkehrs mit breiten Fahrradspuren auf den Fahrbahnen, Fahrradstraßen und viele Fahrradstellplätzen, auch in den Wohnquartieren,
- Mobilitätskarten zur Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel und Verkehrsdienstleistungen
- Ausbau der Straßenbahnnetze
- Signalsteuerung für die Vorfahrt von Bus und Bahn
- Urbane Logistikzentren zur Bündelung des Güter- und Schwerlastverkehrs
- Konsequente Parkraumbewirtschaftung
- Experimente mit Begegnungszonen, mit Carsharing, Fahrradleihsystemen etc.
Dies alles sind kleine und größere Schritte auf dem Weg zur Stadt der Zukunft. Dazu gehören natürlich noch weitere, aber wir müssen uns endlich auf den Weg machen. Und wir müssen wissen: die neue urbane Zukunft hat längst begonnen. Eine Metropole wie Berlin, eine weltoffene, vibrierende Stadt, eine Stadt, in die ich mich verliebt habe, so wie Tausende Menschen vor mir und tausende Menschen nach mir, eine solche Stadt kann nicht bloß durch die Zeit stümpern. Für eine solche Stadt braucht es immer wieder eine Vision. Fangen wir an! Hier können wir zeigen, wie es geht!