Die energetische Gebäudemodernisierung voranbringen!

Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung
Foto: Ludwig Rauch

12. Juni 2012
Ralf Fücks
Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich begrüße Sie sehr herzlich zur heutigen Präsentation von zwei Studien, die sich beide mit energetischer Gebäudesanierung befassen und die wir „Strategien zur Modernisierung I+II“ genannt haben.
Wir freuen uns, dass diese Publikationen auf Ihr Interesse stoßen. „Energetische Gebäudesanierung“, überhaupt Energieeffizienz, gilt nicht gerade als sexy – im Gegensatz zu erneuerbaren Energien. Alles was sie erreicht ist, dass weniger Energie verbraucht wird. Das wirkt ein wenig blass gegenüber der Solaranlage auf dem Dach, bei der man immer darüber informiert ist, wie viel Strom sie gerade in Netz speist.

Dabei könnte nichts verkehrter sein als Geringschätzung gegenüber dem Thema Energieeffizienz. Denn wir können den Klimawandel nicht allein durch Substitution fossiler durch erneuerbare Brennstoffe aufhalten. Die ökologische Wende muss auf zwei Beinen gehen: erstens einer Effizienzrevolution und zweitens dem Übergang zu erneuerbaren Energiequellen und Werkstoffen. Die Effizienzrevolution reduziert den Stoffumsatz und erleichtert damit, den restlichen Bedarf an Energie  und Rohstoffen auf nachhaltige Weise zu decken. Es ist keine geringere Herausforderung, den Aufwand an elektrischer und Wärmeenergie zu reduzieren, als Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Erst beides zusammen schafft die Energiewende. Der Gebäudebereich ist dafür von zentraler Bedeutung.
 
Ich kann Ihnen also versprechen, dass es heute nicht um Kleinkram geht. Beide Studien untersuchen Förderinstrumente bzw. Investitionsstrategien. Die erste – „mit EKO-Quartieren zu mehr Energieeffizienz“ – entwickelt für die Sanierung der Gebäudehülle in Kombination mit einer regenerativen Wärmeversorgung ein eigenes, gebietsbezogenes Förderprogramm. Es handelt sich um eine Strategie, bei der öffentliches Geld  investiert wird – Mittel, die man z.B. durch die Streichung umweltschädlicher Subventionen freimachen könnte. Über die Vergabe der Mittel würden die Kommunen entscheiden – in Einklang mit ihren jeweiligen Klimaschutzkonzepten.

Das Herausfordernde an dieser Studie ist nicht der Ansatz der integrierten Quartierssanierung – es hat sich in diversen Modellprojekten gezeigt, dass dies eine sehr effiziente Herangehensweise an Energieeffizienz ist. Nicht umsonst hat die KfW-Bankengruppe ein neues Programm mit dem Titel „Energetische Stadtsanierung“ aufgelegt, das  ähnliche Ziele verfolgt. Diskussionen wird es vermutlich eher zu Ambitionen und Umfang der vorgeschlagenen Förderung geben – das Programm soll so ausgestattet sein, dass Quartiere anspruchsvoll und gleichzeitig warmmietenneutral saniert werden können.

Ich begrüße zu dieser ersten Studie herzlich Klaus Habermann-Nieße, der mit seinem Team von „plan zwei“ das Gutachten erstellt hat. Außerdem begrüße ich Michael Schäfer, Sprecher  für Energie und Klima der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, sowie Bettina Herlitzius, die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, die wir eingeladen haben, die Studie zu kommentieren.

Nach der Mittagspause werden Swantje Küchler und Uwe Nestle vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft ihre Untersuchung zu marktbasierten Instrumenten für die Gebäudesanierung vorstellen. Sie haben vier Instrumente miteinander verglichen – eine Erhöhung der Heizstoffsteuern, ein sog. Prämienmodell, ein Quotenmodell und kommunale Bürgschaften für Energiesparcontracting. Sie empfehlen ein Prämienmodell, das vergleichbar zum EEG als Umlagesystem konzipiert ist. Es belastet also nicht den Bundeshaushalt. Dieses Modell ist auch unser Favorit. Damit  wird ein dynamischer Investitionsfluss generiert, der nicht von politischen Mehrheiten abhängt – ein entscheidender Schritt zu mehr Investitionssicherheit.

Kommentiert wird das Gutachten zunächst von Christian Noll, Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz, sowie von Friedrich Seefeldt von der Prognos AG, bevor wir die Diskussion mit Ihnen eröffnen werden. Auch Ihnen vielen Dank, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben.

Bisher blockiert das Wirtschaftsministerium hartnäckig alle verbindlichen Zielvorgaben im Rahmen der EU-Effizienzrichtlinie. Energieeffizienz muss man als das  Stiefkind der Energiewende in Deutschland bezeichnen. Dabei wissen wir: Wenn nicht bis 2050 ein erheblicher Anteil der  Primärenergie eingespart wird, die heute gebraucht wird, um Strom und Wärme zu produzieren, droht die Energiewende zu scheitern.

Entscheidend dabei ist, Bewegung in den schon sprichwörtlichen Sanierungsstau zu bringen. Denn im Gebäudesektor schlummern gewaltige Potentiale, um ohne Komfortverlust Energie zu sparen. Gebäude sind unverändert für 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Gegenwärtig beträgt die Sanierungsrate weniger als 1 Prozent jährlich. Um das Ziel eines annähernd klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 zu erreichen, müsste die jährliche Sanierungsrate auf mindestens 2 Prozent steigen.

Ein wesentliches Investitionshemmnis ist die fehlende Sicherheit, dass sich Investitionen zur ökologischen Gebäudesanierung auch in angemessenen Fristen verzinsen. Das gilt vor allem für die Ertüchtigung der Gebäudehülle. Wegen des erforderlichen finanziellen Aufwands schrecken vor allem private Eigentümer häufig vor diesem Schritt zurück - ein Umstand, dem man mit dem Prämienmodell wirksam begegnen könnte.

Uns ist durchaus klar, dass wir uns mit Vorschlägen, die auf neue Umlagen oder Förderprogramme zielen, gegenwärtig auf ein sehr umstrittenes Feld wagen. Wir leben ja nicht hinter dem Mond. Zurzeit tobt eine heftige Debatte um stetig ansteigende Strompreise, seit 2002 sind das im Schnitt 10 Cent pro Kilowattstunde. Das wird von Energieversorgern und der Bundesregierung dem Ausbau der erneuerbaren Energien bzw. der EEG-Umlage in die Schuhe geschoben. Sie zielen darauf, das ganze Fördersystem für Regenerativstrom sturmreif zu schießen. Faktisch sind im genannten Zeitraum allerdings nur 3 ct/KWh dem EEG zuzuschreiben; das heißt zwei Drittel der Preiserhöhungen für Strom haben nichts mit den EEG zu tun.

In dieser Gemengelage erscheint es kühn, eine neue Umlage ins Spiel zu bringen, die sich auf die Optimierung der Gebäudehülle sowie auf den Ausbau regenerativer Wärmeversorgung bezieht. Auf den zweiten Blick ist es nur konsequent. Uns geht es darum, im Bereich der Energieeffizienz und der regenerativen Wärme eine ähnliche Dynamik auszulösen, wie sie den Strombereich schon kennzeichnet. Sie wird auf Dauer zu einem sinkenden Energiebedarf und damit auch zu geringeren Energierechnungen für private Haushalte führen. Außerdem sinkt auf diesem Weg die Abhängigkeit von Gasimporten, während die einheimische Wertschöpfung steigt. Ein groß angelegtes Programm zur energetischen Gebäudesanierung ist zugleich ein kostengünstiges und langfristiges Beschäftigungsprogramm für Handwerk und Industrie. Ein solches Programm refinanziert sich auf mittlere Frist selbst. Und kurzfristig lassen sich finanzielle Spielräume für das hier vorgeschlagene Prämienmodell gewinnen, indem die Privilegierung von energieintensiven Betrieben und die wettbewerbsverzerrende Preisbildung der großen Energieversorger reduziert werden.

Mit den Studien, die Ihnen heute vorgestellt werden, bringen wir zwei Instrumente in die Diskussion, die dazu beitragen sollen, den Gebäudebestand der Bundesrepublik klimaneutral zu machen. „Nur“ zwei Instrumente, könnte man sagen, denn um das Ziel zu erreichen, braucht man eine noch umfassendere Strategie, die auch das Ordnungsrecht und soziale Abfederungsmechanismen einbezieht. Dazu bleiben wir gern mit Ihnen und all jenen im Gespräch, die daran engagiert arbeiten.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat sich zur Aufgabe gemacht, praktikable Lösungen zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft in die Diskussion zu bringen.
Die Gebäudesanierung kann zu einem Schlüssel für mehr Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit werden. Sie ist zentraler Bestandteil eines ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft. Inwiefern die hier vorgestellten Ansätze – eine ambitionierte energetische Quartierssanierung und das Prämienmodell  - genau die Politikinnovationen sind, die den Sanierungsstau im Gebäudesektor auflösen, darüber möchten wir gern heute mit Ihnen diskutieren.

Ich möchte Swantje Küchler und Uwe Nestle von FÖS sowie Klaus Habermann-Nieße, Bettina Schlomka, Kirsten Klehn und Lena Jütting von „plan zwei“ sehr herzlich für die produktive Zusammenarbeit danken. Ohne ihre Leidenschaft für die Sache wären die Studien in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen.

Damit übergebe ich das Wort an Sabine Drewes, Referentin für Stadtentwicklung der Heinrich-Böll-Stiftung – allerdings nicht ohne mich zuvor auch bei ihr für die sachkundige und engagierte Betreuung der beiden Studien zu bedanken. Ich hoffe auf ein lebhaftes Echo und eine nachhaltige Wirkung dieser Initiative.

Vielen Dank!

Ralf Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Er publiziert in großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in internationalen politischen Zeitschriften sowie im Internet zum Themenkreis Ökologie-Ökonomie, Politische Strategie, Europa und Internationale Politik.

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