Steuer auf Finanztransaktionen: Auf der Zielgeraden

Aktion der Kampagne "Steuer gegen Armut", organisiert von Oxfam, Attac, Jusos und Grüner Jugend, Berlin am 21. Juni 2011. Bild: Jusos de, Lizenz: CC BY-NC 2.0  Original: flickr.com

25. November 2011
Sven Giegold

Unter dem Druck leerer Staatskassen und offensichtlich ungerechter Lastenverteilung der Finanzkrise steigen die Chancen zur Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTT) immer weiter. Die Ränge der Gegner und Zauderer lichten sich.

Die Idee zur Beruhigung des Finanzkasinos über eine Steuer findet sich schon bei Keynes und kam in anderer Form durch Wirtschaftsnobelpreisträger Tobin ab 1972 wieder in die Diskussion. Seit 1997 ist die Steuer eine Kernforderung der Organisation Attac, die ursprünglich sogar nach der " Taxe Tobin " benannt war.

Ernstliche Durchsetzungschancen eröffneten sich jedoch erst mit den zunehmend untragbaren Kosten der Finanzkrise. Immer mehr Vertreter und Vertreterinnen aus Politik, Ökonomie und Wirtschaft, auch Sparkassen und mittelständische Unternehmen sprechen sich seitdem für diese Steuer aus.  Am 28. September legte die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag zur Einführung der Steuer vor, nachdem sie sich lange dagegen gesträubt hatte.

Den Durchbruch brachte eine fraktionsübergreifende Mehrheit im Europaparlament, die die gesamte linke Mitte vereinte und die politische Rechte spaltete. Der Antrag für die FTT, der von fast allen deutschen Abgeordneten (außer der FDP) unterstützt wurde, war ein großer Erfolg. Gleichzeitig bewegte sich die deutsche CDU / CSU von einer FTT-skeptischen Position zu einer klaren Befürwortung. Dazu hat die breite zivilgesellschaftliche Kampagne " Steuer gegen Armut " unter Beteiligung der Kirchen entscheidend beigetragen. 

Ebenso bewegte sich der französische Staatspräsident Sarkozy von einem zögerlichen Befürworter zum Unterstützer. Er entdeckte das Thema für die französische Präsidentschaft in der G20 sowie als Ausweis seiner sozialen Gesinnung während des französischen Präsidentschaftswahlkampfs. Freilich wusste er, dass die Chancen eines Konsenses in der G20 null sind, weil dies bereits vorher am Widerstand von USA, Kanada, Brasilien u. a. gescheitert war.  Doch als die deutsche Bundeskanzlerin und vor allem auch ihr Finanzminister Schäuble die Steuer auch in der EU und sogar in der Eurozone als Vorreiter forderten, sah sich auch Sarkozy genötigt, die FTT ebenso auf europäischer Ebene zu unterstützen.

Die EU-Kommission werkelte derweil an einer Machbarkeitsstudie, deren Autoren der FTT ablehnend gegenüberstanden. Irgendwann wurden diese Aktivitäten in der "Generaldirektion Steuern " dem Kommissionspräsidenten Barroso angesichts des wachsenden politischen Drucks zu bunt, und er änderte den Kurs:  Unter Einbeziehung von technischen Vorschlägen aus Frankreich und Deutschland wurde nun nicht nur eine Studie, sondern gleich ein Vorschlag vorgelegt.

Danach soll die FTT mit einer breiten Bemessungsgrundlage in der ganzen EU eingeführt werden. Für Derivate soll der Steuersatz bei 0,01 Prozent liegen, bei Aktien, Anleihen usw. bei 0,1. Um die Verlagerung von Geschäften einzuschränken, will die Kommission das Sitzlandprinzip auf den Auftraggeber der Transaktionen anwenden. Es würden damit auch Transaktionen steuerpflichtig, die außerhalb der EU ausgeführt werden.

Großbritannien hat bereits Skepsis angedeutet, und Schweden will die Steuer nur unterstützen, wenn London auch dabei ist. Gleichzeitig leidet Großbritannien trotz hartem Sparkurs unter großen Haushaltslöchern. Es ist also gut möglich, dass das Land seine ablehnende Haltung noch ändert. Jedes Land der EU muss allerdings einer Steuer zustimmen, da in Steuerfragen im Rat leider Einstimmigkeit gilt. Sollte diese nicht erreicht werden, würde sich die Frage stellen, die Steuer nur in der Eurozone einzuführen. Frankreich und auch die Bundesregierung haben dazu schon Zustimmung signalisiert. Allerdings hat die FDP ihren Kurs in dieser Frage jüngst verschärft. Sie will die FTT nun nur noch, wenn sie in der ganzen EU eingeführt wird. Die Steuer wird damit zu einer weiteren roten Linie der FDP in Europafragen, die auch bisher eine kurze Halbwertszeit in der Krise hatten.

Streitpunkt ist zudem die Verwendung der milliardenschweren Einnahmen.  Die EU-Kommission möchte das Geld zur Erhöhung der Eigenmittel der EU nutzen. Die Mitgliedsländer müssten dann weniger in den EU-Haushalt zahlen. Die NGOs, Kirchen und auch Frankreich und wir Grünen wollen das Geld für globale öffentliche Güter wie Klimaschutz und Armutsbekämpfung verwenden, zumindest zu großen Teilen. Das hätte einen großen Vorteil: Die Steuer wäre so leichter globalisierbar. Das Thema ist gut mit globalen UN-Konferenzen zu Klimaschutz, Rio+20 und Millennium-Entwicklungszielen zu verbinden. Gerade die Schwellenländer hätten einen größeren Anreiz, sich bei einer solchen Verwendung der Steuer zu beteiligen. Eine Koalition der Willigen könnte so weiter wachsen.

Sven Giegold

Sven Giegold ist seit 2009 EU-Abgeordneter der Grünen. Er ist Gründungsmitglied von Attac Deutschland und vom Tax Justice Network.

Böll.Thema 4/2011: Zur Zukunft Europas

Im Moment reden wir Tag für Tag über Krisenmanagement, doch nebenher wurden in den letzten 18 Monaten Fakten geschaffen, die das Gesicht der Eurozone maßgeblich verändern. Und das merkt die Bevölkerung. Bei allem Optimismus, den wir für die Entwicklung einer europäischen politischen Identität und Kultur aufbringen: Im Moment haben wir zwei Strömungen, die gegeneinander arbeiten. Es gibt durchaus antieuropäische Gefühle und einen antieuropäischen Populismus. Bei uns in Deutschland ist dieser nicht so deutlich in einer Partei manifest. In anderen Ländern schon, und dort findet diese Strömung mehr mediales Gehör. Wir müssen um die Idee Europa kämpfen. Und wenn wir denn am Ende zu einem neuen Vertrag kommen, muss die Frage in eventuellen Referenden nicht mehr heißen: „Ja oder nein zum Vertrag?“, wobei die Neinsager sein Inkrafttreten verhindern könnten. Die Frage muss stattdessen sein: „Wollen wir oder wollen wir nicht beim nächsten Schritt dabei sein?“

Daniela Schwarzer, Stiftung Wissenschaft und Politik