Sie befinden sich in "Kapitel 7: Die Terrorismusdiskussion (1973 - 1979)".
Am 5. September 1977 wird in Köln der Präsident der Arbeitgeberverbände, Hanns Martin Schleyer entführt. Am 9. September berichtet Michael Wesener in der Zeit über die Entführung Schleyers und zitiert Schaulustige am Tatort: »Kopf ab« - »Die Polizisten sollten mal beim Böll nachsehen, die sitzen da und trinken zusammen Kaffee.«
Auf Bitten der Landesregierung von Baden-Württemberg richten Heinrich Albertz, Heinrich Böll, Helmut Gollwitzer und Kurt Scharf einen Aufruf an die Entführer: »Wir appellieren an die Entführer von Hanns Martin Schleyer: Seien Sie sich klar, dass weiteres Töten alles vernichtet, was Sie erreichen wollen, und unabsehbare Folgen für unser ganzes Land haben wird, auch für ihre Freunde in den Gefängnissen! Lassen Sie Menschlichkeit über Ihre Planung siegen und geben Sie das mörderische Tauschgeschäft von Menschenleben gegen Menschenleben auf!«
Heinrich Böll über die Distanzierung von Gewalt
Klaus Bresser: Dennoch wird Ihnen heute vorgeworfen, dass die klare und eindeutige Distanzierung, wie Sie sie jetzt in der Zeit niedergeschrieben haben, zu spät kam, jedenfalls später als die anderer.
Heinrich Böll: Ich brauche mich nicht von Terror und Mord zu distanzieren, weil ich mich nie damit identifiziert habe. Dieses unsinnige Ansinnen, »jetzt muß er sich aber distanzieren«, ist ja schon eine Erscheinungsform der Perversität. Wenn in der Straße neben mir eine Frau ermordet wird oder vergewaltigt und ermordet wird, brauche ich doch nicht meinen Abscheu auszudrücken. Wer auch nur fünf Zeilen außer diesen zehn Zeilen, die immer wieder zitiert werden, von mir gelesen hat, wird mir nicht unterstellen, daß ich je Mord und Terror und ähnliche Dinge auch nur andeutungsweise gebillligt habe.
Deshalb brauche ich mich doch nicht von einem Terrorakt zu distanzieren. Das ist doch absurd. Das ist doch schon eine Mutation der Denkvorgänge, Herr Bresser. Verstehen Sie? Wenn Sie mir erlauben, das kurz zu sagen. Diese ganze Argumentation ist mir zu dumm, von Herrn Spranger und anderen, und ich werde nie darauf eingehen, und ich habe auch nicht die Absicht, mich zu verteidigen.
Aus einem Interview mit Klaus Bresser, 1977
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