Green Glamour vs. Gorleben

Lesedauer: 5 Minuten

Eine Diskussion zur Ästhetik des Öko-Protests

30. Januar 2008

Spätestens seit der Veröffentlichung des Stern-Reports und Al Gores aufrüttelndem Dokumentarfilm Eine unbequeme Wahrheit ist der Klimawandel zum Mainstream-Thema geworden. Dabei produziert der Diskurs über den drohenden ökologischen Kollaps nicht nur eine Unmenge von Texten (wissenschaftliche Expertisen, umweltpolitische Positionspapiere, journalistische Reportagen), sondern auch diverse Formen visueller Botschaften. Magazine illustrieren den Schrecken abschmelzender Polkappen, mathematische Graphen verdeutlichen den Ressourcenverbrauch, Adbusters persiflieren mit Guerilla-Anzeigen die Kommunikationsmaßnahmen von Öl-Konzernen. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie das bilderstürmerische Aufbegehren früherer Umweltbewegungen (No Nukes!) von einem aufgeklärten Alltagswissen abgelöst wird, das zwischen der Zumutung der empirischen Befunde und dem individuellen Bedürfnis nach einer „ökorrekten“ Lebensweise zu vermitteln versucht. Neue Bildsprachen und Ikonografien des Ökologischen sind zu beobachten. Der lange Marsch der Repräsentationen führt nicht nur von der notorischen Jutetasche zur zeitgemäßen Energiesparlampe, sondern schließt auch künstlerische Stellungnahmen zur „Ökologie der Angst“ (Mike Davis) ein.

Green Dreams

Anknüpfend an die Ausstellung „Green Dreams“ im Kunstverein Wolfsburg, welche anhand von künstlerischen Beiträgen die Entwicklung von gut 30 Jahren Umweltschutz beleuchtet, lud die Heinrich-Böll-Stiftung am 29. Januar 2008 ein, um unter dem Titel „Von Gorleben bis Heiligendamm – Zur Ästhetik des Protests“ über die veränderten Taktiken und visuellen Methoden der Umweltschutzbewegung zu diskutieren. Den Auftakt bildete eine Präsentation der Arbeiten, die noch bis zum 10. Februar in Wolfsburg gezeigt werden – etwa Julika Gittners skulpturale Umsetzung eines individuellen CO2-Fußabdrucks oder Nana Petzets konzeptuelle Arbeit „Das SBF-System (Sammeln, Bewahren, Forschen), das sich als Alternative zur Mülltrennung des Grünen Punkts versteht. Die Videoarbeit „Eure Kinder werden so wie wir“ des Künstlerduos Korpys / Löffler, die nicht der Ausstellung entstammt, bildete dann den Einstiegspunkt in die Diskussion. Die darin vorgenommene Parallelisierung einer Castor-Einlagerung in Gorleben 2006 sowie die Ereignisse des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 legten nahe, dass es mittlerweile Routinen des polizeilichen Handelns sowie darauf bezogene, eingeübte Choreographien des Widerstands gibt.

Choreographien des Widerstands

Dieter Rucht, Soziologe am Wissenschaftszentrum Berlin, sah denn auch „ein festes Repertoire mit geringen Variationen“ am Werk. Ein gewisser Ermüdungseffekt der Umweltprotestgruppen sei eingetreten, eine zahlenmäßige Überbietung etwa der Großdemonstrationen der 1980er Jahre kaum mehr möglich. Im Gegensatz zu den radikalen Aktionsformen etwa in der Freien Republik Wendland finde ökologische Opposition heute eher in „kühler und sachlicher Atmosphäre“ statt, habe sich dafür aber in der Medienarbeit enorm professionalisiert. Rebecca Harms, damals Aktivistin in Gorleben und heute EU-Parlamentarierin, konnte dies nur bestätigen. So hätten sich etwa für den legendären Treck nach Hannover 1979, bei dem 100.000 Menschen ihr Erschrecken über den Reaktorunfall in Harrisburg/USA zum Ausdruck brachten, nur ein halbes Dutzend Journalisten interessiert. Die Protestbewegung sei jedoch schon damals recht kreativ darin gewesen, visuelle Angebote zu entwickeln und etwa wendländische Bauern als positive Projektionsfläche zu nutzen. Bei den Protesten in Heiligendamm habe sie persönlich den Eindruck gewonnen, dass das „Verhältnis von Aktion und Botschaft“ in eine Schieflage geraten sei. Abgesehen von dem Recycling altbekannter Formen gewaltfreien Widerstands habe die buntscheckige globalisierungskritische Bewegung darin versagt, konkrete Kritik an politischen Programmen zu üben.

Protestbild

Andree Korpys wies darauf hin, dass das große Ausmaß der medialen Bildproduktion in Heiligendamm nicht darüber hinweg täuschen dürfe, dass der Zugang zu den Geschehnissen vor Ort streng limitiert war. So hätten die Berichterstatter den Gipfel weitgehend in einer Lounge auf 16:9-Flachbildschirmen beobachtet und ihre Pressefreiheit auf die freie Wahl am Buffet beschränkt. Im Grunde, so Korpys, müsse zeitgemäßer Protest genau diese Lenkung der Bilder adressieren. Axel Bosse, wie Harms einst Protestler in Gorleben und heute Ingenieur von Hybridautos bei VW, nannte die mediale Aufmerksamkeit „ein flüchtiges Gut“, das immer wieder neu erkämpft werden müsse. Beim Wiedersehen der ARD-Berichte zu den Räumungen in Gorleben sei im aufgefallen, dass schon damals die Helikopter ein zentrales Moment für die Inszenierung von Staatsmacht waren. Abweichende, aktivierende Bilder gegenüberzustellen bleibe so gesehen eine wichtige Herausforderung für jeden Versuch der politischen Einflussnahme.

Hollywood versus Heiligendamm

Unbeantwortet blieb die Frage, ob es heute eine soziale Bewegung gibt, die ein verändertes Umweltbewusstsein kulturell zu implantieren vermag. So scheinen die sogenannten Lohas („Lifestyle of Health and Sustainability“) vordringlich an einem ökologisch verfeinerten Lebensstil mittels strategischem Konsum und Green Glamour interessiert zu sein. Die Bremer Umwelthistorikerin Anna-Katharina Wöbse sah darin gewissermaßen eine Verkehrung des alten Öko-Prinzips, „befreiend zu entsagen“. Die Selbstermächtigung bestünde heute eben darin, befreit einzukaufen und einen punktuellen Habitus des Dagegenseins auszubilden. Deshalb seien „düstere Bilder“, wie sie katastrophische Zukunftsszenarien vermitteln, weiterhin ein unverzichtbarer Impuls für jede Politisierung. Die Benennung und Visualisierung möglicher Konsequenzen des sorglosen Energieverbrauchs sei so gesehen sogar wünschenswert. Ob dabei eher die Fiktions-Fabrikateure Hollywoods oder die kritischen Positionen der Gegenwartskunst die Nase vorn haben, konnte freilich an diesem Abend nicht entschieden werden.

Zum Warenkorb hinzugefügt: