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Wahlen in Pakistan: Welche Parteien und Kandidaten sind entscheidend?

14. Februar 2008
Von Schakeela Malik

Von Schakeela Malik
Büro Lahore der Heinrich-Böll-Stiftung

Das Parteiensystem in Pakistan konnte sich aufgrund der immer wieder durch Militärregierungen unterbrochenen demokratischen Entwicklung, nicht als stabiles Gebilde erweisen. Anzeichen hierfür sind neben einer starken Fragmentierung des Parteiensystems, fehlende innerparteiliche Demokratie und ein Führerkult um die Parteispitze.

Von den 71 in Pakistan registrierten politischen Parteien, konnten bei den letzen Parlamentswahlen im Jahre 2002 insgesamt 15 Parteien in der National Assembly oder den Provinzparlamenten Sitze erlangen. Hiervon waren jedoch lediglich fünf Parteien mit mehr als einem Abgeordneten vertreten. Das Parteienspektrum in Pakistan lässt sich in 4 zentrale „Cluster“ von Wählern unterteilen: neben  der Pakistan Peoples Party (PPP) und den Splitterparteien der Muslim-League spielen religiöse und regionale Parteien eine Rolle. Im Folgenden sollen eben jene Parteien und ihre voraussichtlichen Kandidaten für das Amt des Premierministers behandelt werden.

Pakistan Peoples Party (PPP)

1967 von dem späteren Premierminister gegründet ist die PPP eine Mitte-Links Partei mit sozialistischen Zügen. Bis zu ihrer Ermordung am 27. Dezember 2007 war seine Tochter Benazir Bhutto Parteichefin, seither ist es ihr 19- jähriger Sohn Bilawal Bhutto Zardari. Die PPP konnte insgesamt drei Mal die Regierung stellen, zwei Mal unter Benazir Bhutto. In beiden Fällen wurde sie aufgrund von Korruptionsvorwürfen des Amtes enthoben.

Die Wählerschaft der PPP befindet sich vor allem in der Provinz Sindh, wo die Partei bei allen Wahlen stets mehr als 40% der Stimmen auf sich vereinen konnte. Benazir Bhutto ist nach einem 8-jährigen Exil im Oktober 2007 zurückgekehrt und spätestens seit ihrer Ermordung zur Symbolfigur für den zivilen Widerstand gegen das Militärregime von Pervez Musharraf geworden. Dementsprechend ist aufgrund der starken Sympathie für sie mit einem Zuwachs in allen Provinzen zu rechnen. Laut jüngsten Meinungsumfragen könnte die PPP insgesamt rund 50% aller Wählerstimmen auf sich vereinen. Die Partei geht ohne Kandidaten für das Amt des Premierministers ins Rennen geht; welcher der beiden Spitzenkandidaten, Parteichef Asif Zardari oder Makhdoom Amin Fahim Premierminister werden wird, soll nach den Wahlen bekannt gegeben werden.

Asif Zardari
Der 51- jährige Witwer der ermordeten Benazir Bhutto tritt nicht zur Wahl an, da er aufgrund von gegen ihn vorliegenden Korruptionsvorwürfen von der Wahl disqualifiziert ist. Bekannt ist Zardari unter dem Spitznamen “Mr. 10%”, was ihn eine 11- jährige Haft und mehrere Anklagen gekostet hat.

Innerhalb der Bevölkerung besitzt Asif Zardari aufgrund seiner dubiosen Vergangenheit einen sehr geringen Rückhalt. Laut der jüngsten Umfrage des International Republican Institute (IRI) unterstützen ihn nur 16 % der Befragten als Parteichef und lediglich 8 % würden ihn gerne als nächsten Premierminister sehen. 

In einem Interview mit dem amerikanischen Magazin Newsweek vergangene Woche gab er bekannt, an dem Amt des Premierministers interessiert zu sein, zumal er über die größte Anerkennung innerhalb der Partei verfüge und es keine alternative politische Figur in der PPP gäbe. In dem am 6. Februar veröffentlichten letzten Willen der verstorbenen Benazir Bhutto benennt sie Asif Zardari als alleinige Parteiführung in der politischen Transitionsphase, was seine Wahl zum Premierminister in der Anhängerschaft weiter unterstützen wird. Pakistanische Journalisten gehen davon aus, dass er nach den Wahlen versuchen wird, die zwischen Pervez Musharraf und Benazir Bhutto vereinbarte National Reconciliation Ordinance auf sich auszuweiten, um die Disqualifizierung zu umgehen und seine Wahl zum Premierminister zu ermöglichen.

Makhdoom Amin Fahim
Unter der Regierung von Premierminister Zulfikar Bhutto Kabinettsmitglied und ebenfalls unter der zweimaligen Regierung der Tochter Benazir Bhutto. Als stellvertretender Vorsitzender führte er während ihrem 8- jährigen Exil die Partei an und ist seit 2002 Fraktionsvorsitzender in der National Assembly. Nach den Wahlen 2002 wurde ihm von Präsident Pervez Musharraf das Amt des Premierministers angeboten, welches er jedoch ablehnte.

Makhdoom Amin Fahim, bekannt für sein Charisma und seine Konflikt vermeidende Art, verfügt über einen sehr starken Rückhalt in der Bevölkerung. In den jüngsten Meinungsumfragen würde rund die Hälfte der Befragten  ihn gerne als nächsten Premierminister sehen und sogar fast 80% als den Kandidaten der PPP.
Sollte Asif Zardari jedoch eine Kandidatur anstreben, ist es höchst zweifelhaft, ob Makhdoom Amin Fahim sich dagegen beweisen kann und wird.


Pakistan Muslim League Nawaz (PML- N)

Die PML- N ist neben der Pakistan Muslim League-Quaid die größte Splitterpartei, die aus der 1962 vom damaligen Militärherrscher Ayub Khan gegründeten Muslim League hervorgegangen ist. Die PML-N ist eine Mitte- Rechts Partei, welche sich insbesondere durch eine moderate, auf Privatisierung und Deregulierung basierende Wirtschaftspolitik auszeichnet. Parteianhänger heben gerne den ideologischen Bezug zum Gründervater Pakistans Muhammad Ali Jinnah und seiner Partei All-India Muslim League hervor. Laut jüngsten Meinungsumfragen würden sich 22% der Befragten bei den Parlamentswahlen für die PML-N entscheiden. Die Wählerschaft der Partei befindet sich insbesondere in der Provinz Punjab, aus der auch die Mehrheit der Parteimitglieder stammt.

Nawaz Sharif
Nawaz Sharif, ehemaliger Protégé des Militärdiktators Zia ul- Haq hatte seit der Parteigründung im Jahre 1993 bis 2002 die Parteiführung inne. Seither hat sein jüngerer Bruder Shahbaz Sharif, der sich ebenfalls im Exil befindet diese übernommen. Zweimalig stellte Nawaz Sharif die Regierung, wobei seine zweite Amtsperiode durch Misswirtschaft geprägt war, was im Oktober 1999 zu dem unblutigen Militärputsch von Pervez Musharraf führte. Mit Hilfe der saudischen Königsfamilie konnte er jedoch einer Haftstrafe entgehen und lebte seither in Dubai im Exil. Im November 2007 kehrte er nach einem 8-jährigen Exil zurück. 

Da gegen ihn Vorwürfe von Korruption vorliegen, ist er von den aktuellen Wahlen disqualifiziert. Dennoch glauben rund 20% der Wähler er sei derjenige, der die Probleme in Pakistan am ehesten lösen könne. Nawaz Sharif hat bisher jedoch keinerlei Ambitionen an dem Amt des Premierministers bekannt gegeben.

Javed Hashmi
Er ist ehemaliges Kabinettsmitglied unter der 2. Amtsperiode von Nawaz Sharif und derzeitiger Vorsitzender der Alliance for Restoration of Democrary (ARD), einem eher symbolischen Zusammenschluss mit der PPP. Im April 2004 wurde er aufgrund seiner harten Kritik der Armeeführung wegen Diffamierung und Anstiftung zu Unruhen zu 23 Jahren Haft verurteilt. Im August 2007 wurde diese verbleibende Haftstrafe von einem dreiköpfigen Ausschuss des Obersten Gerichtshofes unter Vorsitz des Richters Iftikhar Chaudhry zu einer Bewährung ausgestellt. Seit Verhängung des Ausnahmezustands am 3. November 2007 befindet sich Javed Hashmi unter Hausarrest. Neben Nawaz Sharif ist er diejenige Führungspersönlichkeit, die unter der Wählerschaft den stärksten Rückhalt findet. 15 % aller Wähler gaben im Januar 2008 an, ihn gerne als nächsten Premierminister zu sehen.


Pakistan Muslim League- Quaid (PML-Q)

Die Führungsmitglieder der 1999 vom Militär gegründeten Splitterpartei der Muslim League rekrutieren sich größtenteils aus ehemaligen Mitgliedern der PML-N, dessen Regierung von Pervez Musharraf des Amtes enthoben wurde. Die PML-Q ist derzeitig die Regierungspartei im Punjab und ein Koalitionspartner in den Provinzen Balotchistan und Sindh.

Durch die starke Abhängigkeit zum Militär, hat die Partei kaum eine programmatische oder ideologische Ausrichtung entwickeln können. Durch ihre offensichtliche Unterstützung der Militärherrschaft von Pervez Musharraf, muss sich die Partei einem immensen Legitimationsverlust in der Bevölkerung stellen: Nur rund 15% der Wähler würden ihre Stimme noch der Partei geben. Die Parteiführung hat Chaudhry Shujaat Hussain inne, als Spitzenkandidat um das Amt des Premierministers gilt jedoch sein Cousin Pervez Elahi.

Chaudhry Pervez Elahi
Der ehemalige Ministerpräsident des Punjab und derzeitiger Fraktions-vorsitzender der PML-Q in der National Assembly, gehört einem der einflussreichsten Clans der Provinz an.  Bekannt ist dieser insbesondere für seine Verbindungen zur religiösen Lobby. Nur 5% der Wähler glauben noch er könne zur Lösung der Probleme Pakistans beitragen. Die PML-Q stellt somit für die pakistanische Bevölkerung in keinster Weise mehr eine politische Alternative dar.  


Muttahida Qaumi Movement (MQM)

Die MQM ist die größte ethnische Regionalpartei. Ihre Anhängerschaft rekrutiert sich aus den sog. Mohajirs, den nach der Teilung Britisch-Indiens nach Pakistan migrierten Muslimen, welche die Bevölkerungsmehrheit der Großstädte Karachi und Hyderabad in der Provinz Sindh stellen. Ursprünglich eine Studentenbewegung der 70er Jahre, gründet sich die Partei 1978 unter der Führung von Altaf Hussein und wird als Gegengewicht zur im Sindh stärksten Partei PPP zum Protégé des damaligen Militärherrscher Zia ul- Haq.

Die MQM ist derzeit Koalitionspartner der von der PML-Q angeführten Regierung im Sindh und stellt 17 Abgeordnete in der National Assembly. Bei den kommenden Wahlen wird die MQM laut Umfragen nur rund 5% der Stimmen im Sindh auf sich vereinen können, was durch den erwarteten Anstieg der Wählerstimmen für die PPP zu erklären ist.

Altaf Hussein
1992 flieht Altaf Hussein aus Angst vor diversen Anklagen und Beschuldigungen wegen Mittäterschaft an Mord, Geiselnahme und Folter nach London und führt seither seine Partei aus dem Exil an. Nur rund 1% der Bevölkerung sieht ihn imstande die Probleme Pakistans meistern zu können, im Sindh sind es immerhin 4%.


Pakistan Tehreek-e- Insaf (PTI)

Die PTI (deutsch: Bewegung für Gerechtigkeit) ist eine linke soziale Bewegung, die seit seiner Gründung 1996 durch die Kricketlegende Imran Khan einen starken Zulauf erfahren hat. Bei den Wahlen 2002 stellte die Partei zwar nur je einen Abgeordneten in der Provincial und der National Assembly, hat seither aber stark an Popularität, insbesondere bei der jungen Generation gewonnen. Laut einer im September 2007 durchgeführten Bevölkerungsumfrage würden 5% aller Befragten bei den Wahlen für die PTI stimmen, in der NWFP waren es sogar 13%. Im Dezember 2007 gibt Imran Khan jedoch bekannt, dass seine Partei die kommenden Wahlen boykottieren wird, da ohne Wiederherstellung der Judikativen nicht von freien und fairen Wahlen gesprochen werden könne.