Pará und seine neuen Säulen der Entwicklung und der Nachhaltigkeitsförderung

19. Februar 2008
Valmir Gabriel Ortega, Umweltminister des Bundesstaates Pará

Von Valmir Gabriel Ortega, Umweltminister des Bundesstaates Pará

 

Dossier: Klima und Wandel in Amazonien

Portugiesisch, PDF (24 KB)

Der Bundesstaat Pará vereint die größten Widersprüche und Herausforderungen Amazoniens. Diese Widersprüche sind zum großen Teil aus den ungelösten Problemen entstanden, die von Umweltzerstörung, Armut, ländlicher Gewalt und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen herrühren. Sie brachten dem Bundesstaat im Hinblick auf sein Ansehen und auf eine nachhaltige Entwicklung äußerst ungünstige Bilanzen ein. Auf der anderen Seite ist es Pará in den letzten Jahren gelungen, gemeinsam mit der brasilianischen Bundesregierung eine wirksame Aktion durchzuführen, die zur Gründung und Implementierung seiner Schutzgebiete führte, sowie zur offiziellen Anerkennung und zum Schutz der indigenen Territorien und der Gebiete traditioneller Bewohner des Waldes und die somit eine beachtliche Verringerung der Umweltzerstörung und des Verlusts von Biodiversität bewirkte.

Die Degradierung der Umwelt in der Vergangenheit und die jüngsten Versuche dies umzukehren ließen zudem bedeutende Unterschiede zwischen dem östlichen Teil des Bundesstaates, mit seiner dichteren Besiedlung und größeren abgeholzten Flächen, und dem westlichen Teil erkennen, wo über 80% der Fläche von Regenwald – überwiegend Schutzgebiete und Indigene Territorien – bedeckt ist. Diese gegensätzlichen Landschaften Parás reagieren auch unterschiedlich auf die weltweiten Klimaveränderungen. Auf der einen Seite erhöht die Lage Parás im äußersten Osten Amazoniens den Randeffekt (edge effect) des Waldes, der durch die ökologische Verarmung der Restbestände des Regenwaldes durch Abholzung noch verstärkt wird. Auf der anderen Seite gewinnen die Schutzgebiete im Westen des Bundesstaates immer mehr an Bedeutung für die Stärkung der Widerstandskraft des Waldes gegenüber menschlichen Eingriffen und den Auswirkungen des Klimawandels.

Dieses differenzierte Szenario stellt insofern eine Herausforderung dar, als es innerhalb des Bundesstaates unterschiedliche Strategien zur Bewältigung des Klimawandels erfordert. Einerseits werden dringend Instrumente benötigt, die den Einsatz gegen die Abholzung belohnen, wie von der brasilianischen Regierung bei der letzten Klimakonferenz vorgeschlagen. Andererseits gibt es die Möglichkeit einen intensiven Prozess der Wiederaufforstung durchzuführen, der durch eine Verknüpfung verschiedener Finanzierungsmechanismen, einschließlich des Emissionshandels, getragen würde. Dadurch könnte eine Fläche von über 5 Millionen Hektar mit einheimischen Arten aufgeforstet werden.

Spezielle Schutzgebiete und die Förderung nachhaltiger Entwicklung

Gegenwärtig genießen über 60% der 1,2 Millionen km² großen Fläche Parás als Umweltschutzgebiete (UC) oder Indigene Territorien (TI) besonderen Schutz. Die Indigenen Territorien beherbergen und bewahren nicht nur einen immensen Reichtum an Biodiversität und lebendigem Wald, sondern auch die kulturelle Vielfalt, die von den dort ansässigen Völkern vertreten wird. Mehr als 37 Ethnien leben dort und bewahren ihre materielle, kulturelle und soziale Lebensweise

Über 20% der Fläche des Bundeslandes gehören zur Kategorie der „Schutzgebiete zur Nachhaltigen Nutzung“, wodurch ein anderes Modell wirtschaftlicher Entwicklung verwirklicht werden kann, das auf einer geregelten und rationalen Nutzung der natürlichen Ressourcen aufbaut. Mit dem neuen Gesetz der Nationalwälder kann insbesondere das Potential der Wälder auf nachhaltige Weise genutzt werden, wobei vorrangig das Recht der lokalen Gemeinschaften gesichert ist.

Diese neue rechtliche Grundlage zeigt, gemeinsam mit dem riesigen ökologischen Reichtum des Bundesstaates, die Möglichkeit eines neuen wirtschaftlichen Entwicklungsmodells auf, das besonders für den Westen Parás in Frage kommt. Diese Herausforderung soll durch gemeinsame Aktionen mit der brasilianischen Bundesregierung gemeistert werden, um die nachhaltige Nutzung der staatlichen und landeseigenen Wälder durch Konzessionsverträge gesetzlich festzulegen. Dieser Prozess wird von den lokalen Gemeindeorganisationen begleitet und ihnen wird das vorrangige Nutzungsrecht dieser öffentlichen Gebiete zugesichert.

Die bereits weitgehend degradierte östliche Region, verlangt im Gegensatz dazu eine Waldwirtschaft, die an Wiederaufforstung gebunden ist, das heißt, eine Zurückgewinnung der zerstörten Flächen. Die aktuelle Herausforderung ist es, diese zerstörten Flächen (weitestgehend Privatbesitz), auf denen bisher die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzgebiete nicht eingehalten werden, durch Aufforstungsmaßnahmen wiederzubeleben. Durch dieses Modell soll Pará zum Vorreiter der Aufforstung werden.

Die Aufforstung und die Wiederbelebung der Wälder sollen zusammen mit der nachhaltigen Nutzung dieser natürlichen Ressourcen die großen Säulen der Entwicklung einer nachhaltigen Waldwirtschaft werden. Damit sollen Arbeitsplätze geschaffen und wirtschaftliche Tätigkeiten mit Nachhaltigkeit vereinbar gemacht werden. Außerdem soll ein neues wirtschaftliches Umfeld geschaffen werden, das die Rechte der Arbeiter respektiert, ein neues Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, sowie zwischen dem Unternehmenssektor und den lokalen Gemeinden herstellt und dadurch wegweisend wird für die Gesetzgebung und nachhaltige Entwicklung des Bundesstaates. Wird dieser Prozess in den geplanten Ausmaßen verwirklicht, wird er als grundlegenden Effekt die Abschwächung und Vermeidung der Auswirkungen des globalen Klimawandels haben, sei es durch das Zurückhalten von CO2, oder durch die Minderung des Randeffekts der ökologischen Verarmung der Wälder.

Hierfür ist die gesetzliche Regelung der Bodenverteilung von zentraler Bedeutung. Die brasilianische Bundesregierung hat in den letzten drei Jahren bereits einiges in Gang gebracht und es ist nun an der Zeit, diesen Prozess in Zusammenarbeit mit der Landesregierung zu intensivieren. Auf diese Weise werden wir die staatlichen und landeseigenen Länderein weitergehend nutzen können, sowohl für Schutzmaßnahmen und die Gründung neuer „Gebiete zur nachhaltigen Nutzung“, als auch für Ansiedlungen im Rahmen der Agrarreform, für die legitime Landvergabe an traditionelle Gemeinschaften oder an Kleinbauern, deren Landrecht in den letzten Jahrzehnten missachtet worden ist.

Dieses Modell soll den mittleren und großen Grundbesitzern verdeutlichen, wie im Bundesstaat die gesetzliche Regelung und Ordnung des Landes aussehen wird. Sie wird auf einem Prozess der Vergabe basieren, die denjenigen ihr Landrecht zusichert, die produzieren wollen. Gleichzeitig soll die Nutzung des Privatbesitzes im Hinblick auf die ökologischen Pflichten der Besitzer und auf die Erfüllung der sozialen Funktion des Bodens reguliert und geordnet werden.

Diese Entwicklungssäulen werden es uns ermöglichen, die Gewalt auf dem Land zu verringern, die degradierten Flächen wiederzubeleben und die illegale Abholzung und Zerstörung des Amazonasregenwaldes aufzuhalten. Somit wird ein Entwicklungsmodell geschaffen, das im Einklang mit dem lebendigen Wald und den traditionellen Lebensweisen funktioniert. Gleichzeitig entsteht ein neues wirtschaftliches Umfeld in dem die Regelung der Arbeitsverhältnisse entscheidend verbessert werden kann.

Dies sind die Meilensteine, die die aktuelle Regierung erreichen will. Es handelt sich um Maßnahmen, die nicht nur einem Amt oder dem Bundesstaat alleine obliegen, sondern den Einsatz verschiedener unabhängiger Teile der Regierung verlangen, die ihrerseits stark in die Bundesregierung oder in Bezirksregierungen eingebunden sind. Im Rahmen dieser Initiativen und Programmen soll eine starke Allianz mit der Gesellschaft aufgebaut werden, sei es mit sozialen Bewegungen, Wirtschaftssektoren oder der organisierten Sozialgesellschaft allgemein. Diese Allianz soll nicht nur einzelne Probleme und Konflikte lösen, sondern eine neue Zukunft für den Bundesstaat Pará verwirklichen, in der wir die wirtschaftliche Entwicklung mit dem Schutz der Biodiversität und der kulturellen Vielfalt vereinbaren können, womit auch die Lebensqualität der traditionellen Bevölkerung verbessert werden kann. Indem wir uns diesen Herausforderungen stellen, eröffnen wir für Pará die Möglichkeit, aktiv zum Aufbau einer neuen nachhaltigen Gesellschaft im brasilianischen Amazonasgebiet beizutragen.

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