Abschlussrede beim Kongress McPlanet.com
(27.-29. Juni 2003, Berlin)
von Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung
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Aus dem Inhalt
Die Resonanz auf den Kongress war nicht nur zahlenmäßig überwältigend: Mit 1500 TeilnehmerInnen, 100 Einzelveranstaltungen und 130 JournalistInnen war es der größte Umweltkongress, der in den letzten 15 Jahren in der Bundesrepublik stattgefunden hat. Den Trägerkreis der Veranstalter – Attac, BUND, Greenpeace, das Wuppertal-Institut und die Heinrich-Böll-Stiftung – und alle ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beglückwünschte man dazu zu Recht mit „standing ovations“.
Noch nie haben die globalisierungskritische und die Umweltbewegung sich in dieser Intensität ausgetauscht. McPlanet.com bestätigt einmal mehr, dass NGOs und soziale Bewegungen eigene soziale und politische Orte für den Wissensaustausch, die kontroverse Debatte und die Strategiebildung brauchen. Zu oft ziehen sie den Karawanen der UN-Konferenzen, der Weltbank- und WTO-Tagungen hinterher und lassen sich von deren Tagesordnungen bestimmen. Mit dem Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre hat die globalisierungskritische Bewegung bereits vor Jahren begonnen, unabhängig von den Themen der offiziellen Institutionen und deren Regierungen nach eigenen Antworten für das Ziel einer sozialen und ökologisch gerechten Zukunft zu suchen. McPlanet.com hatte sicherlich so etwas wie den Charakter eines deutschen Weltsozialforums.
Vandana Shiva, eine unserer bekanntesten internationalen Gäste bei McPlanet.com, zeigte sich beeindruckt, dass ein so großes Spektrum der NGO-Welt nach Berlin gekommen war. Auch sie sieht, dass allzu oft nur noch in hochspezialisierten Zirkeln über Detailfragen der internationalen Umwelt- und Nord-Süd-Politik diskutiert wird.
Wir brauchen zwar spezialisiertes Wissen – sonst hätte McPlanet.com den Wissenshunger nicht befriedigen können und sonst könnten auch NGOs und soziale Bewegungen keine Ernst zu nehmende Medien- und Lobbyarbeit machen. Nur: Ab und an müssen wir uns Zeit nehmen, um den Kopf durchzulüften und den Blick auf das politisch Ganze zu nehmen. Globalisierungsprozesse sind komplex und multidimensional. Wer sich mit ihnen beschäftigt und wer sie politisch beeinflussen will, braucht viel Wissen um die ökonomischen, sozialen, kulturellen und ökologischen Zusammenhänge, um die gesellschaftspolitischen Kontexte und um das Interessens- und Machtgefüge zwischen Regierungen und ihren Institutionen.
(...)
NGOs und soziale Bewegungen brauchen zweitens viele Verbündete. Dazu gehören, wo immer sie über demokratische und freie Wahlen über entsprechende politische Legitimation verfügen – Parlamente und politische Parteien. Die globalisierungskritische Bewegung und NGOs haben es vermocht, Zweifel an der Wohlfahrtsorientierung der neoliberalen Variante der Globalisierung zu säen. Diese Zweifel haben auch die Parlamente in vielen Ländern erreicht. Erstmals beginnen Parlamente Forderungen an die Verhandlungspositionen ihrer Regierungen bei der WTO, beim IWF oder der Weltbank zu formulieren. Bislang haben die Ministerialbürokratien – ob in Brüssel oder Berlin weitgehend unkontrolliert von der Legislative ihre Liberalisierungs- und Deregulierungspositionen in der internationalen Handels und Finanzpolitik verhandelt. Nun haben die Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag kurz vor der Ministerkonferenz der WTO im mexikanischen Cancun ihre Forderungen an die Bundesregierung formuliert. Immerhin wird ein massiver Agrarsubventionsabbau gefordert und in ein Investitionsabkommen soll die WTO erst dann einsteigen dürfen, wenn die Doha-Entwicklungsrunde zu einem wirklich für die Entwicklungsländer befriedigenden Ergebnis gelangt sei.