Ein globaler Coup zum Wohle der Menschheit?

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Wir müssen sicherstellen, dass auch beim privaten Sponsoring das öffentliche Interesse im Mittelpunkt steht

26. März 2008

Von Barbara Unmüßig

Erstaunen und Respekt waren die ersten Reaktionen, als bekannt wurde, dass der zweitreichste Mann der Welt, Waren Buffett, der privaten Stiftung des reichsten Mannes der Welt, Bill Gates, einen Großteil seines Privatvermögens spenden will. Vom geschätzten Vermögen in Höhe von 44 Milliarden Dollar will Buffett in den nächsten Jahren 30 Milliarden an die Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung abgeben. Damit wächst deren Grundkapital auf 60 Milliarden Dollar, und sie wird auf Jahrzehnte hinaus unangefochten globale private Spendensupermacht sein. Toll finden das alle, ein Ewiggestriger, wer da Bedenken anmeldet.

Doch die Dimensionen stimmen in mehrfacher Hinsicht nicht mehr. Die Akkumulation eines solchen Vermögens in einem 75-jährigen Leben wird bewundert. Wie dies erwirtschaftet wurde, fragt kaum jemand. Schließlich, Erbschaftsteuer hin oder her, erinnert sich dieser Privatmann an die Sozialverpflichtung des Eigentums und gibt etwas an das globale Allgemeinwohl ab. Angesichts klammer öffentlicher Kassen kommt der private Geldsegen gerade recht. Oder gibt es noch einen anderen Zusammenhang zwischen der Anhäufung von Reichtum in Händen weniger und der Not öffentlicher Kassen?

Staaten und multilaterale Organisationen versuchen schon lange, die Löcher in ihren Kassen mit Sponsorengeldern von Konzernen oder privaten Stiftungen zu stopfen und Mittel für öffentliche Aufgaben aufzutreiben. Uno-Generalsekretär Kofi Annan hat dies für die ewig unter Geldmangel leidende Weltorganisation vorangetrieben. Während im weltweiten Trend die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit schrumpfen, werden globale öffentlich-private Initiativen zu einer tragenden Säule im Gesundheitswesen.

Ohne die Gates-Stiftung, die zu einem der wichtigsten Geldgeber in der globalen Gesundheitspolitik avanciert ist, gäbe es keine „globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung“, die bislang acht Millionen Kinder geimpft und damit 500 000 Kindern das Leben gerettet hat. 750 Millionen von insgesamt einer Milliarde Dollar Gesamtvolumen der Initiative stellt allein die Gates-Stiftung. Uno-Organisationen wie Unicef oder die Gesundheitsorganisation WHO steuern nur noch marginale Summen bei. Die WHO, die das Gesundheitswesen im Uno-System koordinieren soll, verfügt gerade einmal über ein Zweijahresbudget von 3,3 Milliarden Dollar.

Dies ist eine fast zu vernachlässigende Summe im Vergleich zu den privaten Spendenmilliarden eines Bill Gates. Kein Wunder, wenn kommerzielle Sponsoren oder die Gates-Stiftung mit einem Sitz im Aufsichtsrat der diversen Public Private Partnerships (PPP) der Uno im Gesundheitswesen vertreten sind, die WHO jedoch nicht. Wer zahlt, bestimmt und kontrolliert die Entscheidungen. Fragen nach demokratischer Legitimation, Kontrolle und Transparenz solcher privatwirtschaftlicher Dominanz, Fragen, mit denen sich übrigens Nichtregierungsorganisationen stets konfrontiert sehen, stellt die politische Öffentlichkeit hier so gut wie nicht. Die chronische finanzielle und operative Krise der Uno scheint zunehmend akzeptiert zu werden.

Jeden Tag sterben rund 35 000 Menschen an ansteckenden Krankheiten wie Aids, Malaria und Tuberkulose sowie an den von der Forschung am meisten vernachlässigten Krankheiten wie Chagas oder der Schlafkrankheit. Hunderte Millionen Menschen sind von diesen Krankheiten betroffen. Und dennoch wird viel zu wenig in die entsprechende Forschung investiert: Diagnoseprogramme, Impfstoffe, bezahlbare und zugängliche Medikamente.

Wer die Listen der jährlichen Projektmittelvergabe der Gates-Stiftung betrachtet – sie stehen transparent und zugänglich im Internet! –, der sieht, dass hier viel Geld in die Entwicklung neuer Medikamente oder Behandlungsmethoden sowie in Impf- und Bildungskampagnen fließt. Das ist eine gute Prioritätensetzung, und jede Gates-Million ist besser als keine.

Angesichts des immensen privaten Geldsegens der Gates' und Buffetts werden allerdings schon die ersten Stimmen laut, die fordern, die Uno solle sich doch komplett über private Mittel finanzieren. Den zwölf Milliarden Dollar Jahresbudget der Uno stehen immerhin potenzielle 60 Milliarden einer um die Buffett-Milliarden erweiterten Gates-Stiftung gegenüber. Für Regierungen in Nord und Süd ist es also verlockend, sich so ihrer eigenen Verantwortung für die Finanzierung globaler öffentlicher Aufgaben entziehen zu können.

„Gesundheit für alle“ wurde 1978 in Alma-Ata von allen WHO-Mitgliedstaaten als Leitbild verabschiedet. Soll es bei diesem Leitbild bleiben, dann müssen auch weiterhin die Staaten und die multilateralen Organisationen öffentliche Aufgaben wie Bildung und Gesundheit übernehmen und finanzieren. Private Spender setzen ihre eigenen Prioritäten und folgen Kriterien des vorzeigbaren/vermarktbaren und manchmal auch schnellen Erfolgs. Der Aufbau eines funktionierenden Gesundheitswesens in der Dritten Welt gehört nicht zu ihren höchsten Prioritäten. Das öffentliche Interesse muss aber klar im Mittelpunkt stehen, wenn es um Menschenleben geht. Hierfür sind Regierungen verantwortlich. Und die WHO kann ihr globales Mandat nur mit mehr Mitteln erfüllen, andernfalls wird sie von privaten Spendern weiter marginalisiert.

Kaum ein Kritiker von PPP und globalen privaten Initiativen fordert ernsthaft, auf die Mischung von privaten und öffentlichen Geldern oder privaten Spenden zu verzichten. Und die neue Super-Gates-Stiftung wird ohne Zweifel Maßstäbe setzen. Aber was letztlich ihre Prioritäten sein werden, wird nicht zuletzt von der öffentlichen Debatte darüber abhängen, wie wir sicherstellen, dass das öffentliche Interesse im Mittelpunkt stehen muss, wenn es um Sponsoring und PPP geht.

Barbara Unmüßig ist Mitglied des Vorstands der Heinrich-Böll-Stiftung

Dieser Kommentar ist erschienen im Handelsblatt vom 3. Juli 2006