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Zusammenfassung
Die Region Pakistan/Afghanistan hat im vergangenen Berichtszeitraum keine Fortschritte auf dem Weg zu stabiler Demokratie und nachhaltiger Entwicklung gemacht. In beiden Ländern sind die inneren Instabilitäten, die Schwächen der Zentralregierung, terroristische Gewaltakte und die Disparitäten bei der wirtschaftlichen Entwicklung eher gestiegen.
Dabei sind die bilateralen Beziehungen Pakistan/Afghanistan auf Grund wechselseitiger Vorwürfe im Kampf gegen den Terrorismus von Rückschritt geprägt. Netzwerke von Neo-Taliban und Al Qaida sind grenzüberschreitend zwischen den pakistanischen Provinzen Baluchistan und NWFP und den afghanischen Provinzen Kandahar und Helmand aktiv. Die Internationale Gemeinschaft begegnet diesem Phänomen weitgehend nur mit militärischen Mitteln.
In beiden Ländern droht der manifeste Anti-Amerikanismus zu einer grundsätzlich anti-westlichen Stimmung umzukippen. Misstrauen und Ablehnung gegenüber westlichen Modellen und Werten sind gerade bei der überdurchschnittlich großen jugendlichen Bevölkerung beider Länder vorhanden, wo Teile in ihrer beruflichen Perspektivlosigkeit zudem Orientierung im totalitären Islam suchen.
Sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan wird versucht, neue außenpolitische Strategien für den regionalen Kontext zu entwickeln. Diese Neuorientierung umfasst die bilateralen Beziehungen nur unzureichend, Irritationen und gegenseitige Aversionen sind in beiden Gesellschaften gewachsen.
Für die innere Entwicklung Pakistans wird 2007 entscheidend sein, ob das Land sieben Jahre nach dem Militärputsch über freie und faire Parlamentswahlen im 60. Jahr seiner Gründung zu einer demokratischen Entwicklung zurückfinden kann. Die das gegenwärtige Regime tragende Armee hat sich im letzten halben Jahrzehnt wie eine Krake der pakistanischen Gesellschaft und Wirtschaft bemächtigt und ist hauptsächlich an einem weiteren Ausbau ihres Finanzimperiums interessiert.
General Präsident Musharraf hat im letzten Jahr weiterhin die politische Arena in Pakistan bestimmt und rivalisierende Gegner aus dem parteipolitischen Spektrum instrumentalisiert. Seine beabsichtigte Wiederwahl hängt davon ab, wie er die Kardinalfrage im Spannungsverhältnis zum Parlament lösen wird: ob er vor einer Wiederwahl zum Präsidenten vom Posten des Armeechefs zurücktritt und damit der Anordnung des Obersten Gerichtshofs Folge leistet oder nicht.
Die Lage in der Nordwestgrenzprovinz NWFP mit seiner fortschreitenden Talibanisierung der Gesellschaft und die gewaltsamen Ressourcenkonflikte in der Provinz Baluchistan haben für das pakistanische Staatswesen enorme innere Sprengkraft.
In Afghanistan wird der weitere Staatsaufbau davon abhängen, wie sich das in der Bevölkerung gewachsene Konflikt- und Frustrationspotential in den nächsten sechs Monaten entwickelt. Und diese Entwicklung hängt auch davon ab, wie streng und lang der Winter 2006/2007 werden wird.
Um Afghanistan nach Jahren der Versäumnisse nun doch noch irreversibel zu stabilisieren, sind militärisch, politisch und wirtschaftlich weit größere Anstrengungen als bisher nötig. Dabei wird auch Deutschland militärisch mehr gefordert sein als bislang. Formale demokratische Fortschritte Afghanistans gemäß dem so genannten Bonn-Prozess haben nicht zu einer parallelen materiellen Verbesserung des afghanischen Staatswesens und der Lage der Bevölkerung geführt.
Die Gesamtlage hat sich in Afghanistan seit dem Frühsommer 2006 auf so Besorgnis erregende Weise entwickelt, dass Kurskorrekturen des internationalen Engagements in Afghanistan dringend angezeigt sind. Daneben haben inneren Schwächen des politischen Systems um die Regierung Karzai zu einem teilweise dramatischen Vertrauensverlust der Bevölkerung geführt, der das Potential birgt, die gesamte internationale Gebergemeinschaft in eine Legitimationskrise zu stürzen.
Inhalt
Zusammenfassung
1. Zentrale Entwicklungen in beiden Ländern
2. Pakistan
2.1 Innenpolitik
- Militär und Regierung
- Parteien und islamischer Fundamentalismus
- Druck der Straße, Islamismus und Terrorismus
2.2 Wirtschaft, Haushalt und Soziales
- Notstand des Bildungs- und Rechtswesens
- Ressourcenkämpfe
- Politische Folgen des Erdbebens
2.3 Außen- und Sicherheitspolitik
- Nuklearfixiertheit und indische Reflexe
- Regionalmachtansprüche
3. Afghanistan
3.1 Innere Entwicklungen
- Abschluss des Bonn-Prozesses
- Destabilisierung der Sicherheitslage
- Wachsende Legitimationsdefizite auf drei Ebenen
3.2 Wirtschaftliche Entwicklungen
- Rahmendaten
- Afghanische wirtschaftspolitische Besonderheiten
3.3 Außenpolitik
Ausblick
Lahore
Regionalbüro Pakistan, Juli 2005 - Oktober 2006
Gregor Enste
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Lahore (Cantt.)
Pakistan
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