Von Sebastian Wienges
Gute Nachrichten vermeldet das Washingtoner Worldwatch-Institute in seinem aktuellen Bericht "Zur Lage der Welt 2008", der in deutscher Sprache von der Heinrich-Böll-Stiftung und Germanwatch herausgegeben wird. Längst sei ein Erfolg vieler Bemühungen zu erkennen, die Produktion umweltfreundlich zu gestalten und Umwelt- und Ressourcenverbrauch einen Preis zu geben und zu senken. Nicht, dass sich alle Sorgen um die bedrohten Öko-Systeme dieses Planeten in Wohlgefallen aufgelöst hätten. Aber es gäbe heute eine Reihe von neuen Akteuren, innovativen Unternehmen und individuellen Wirtschaftsführern, die nachhaltige Entwicklung als neuen Markt erkannt und ihre Investitionen in umweltfreundliche Technologien gesteigert hätten – aus rein ökonomisch-rationalen Erwägungen, wie der Bericht feststellt.
Der Bericht bescheinigt eine ökologische Trendwende
Das Besondere an diesem ökologischen Boom: Die Akteure machten Gewinn, seien erfolgreich am Markt und trügen aktiv zu einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft bei, so der Bericht weiter. Eigentlich seien die Unternehmer und die von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen nicht mehr auf politische Maßnahmen angewiesen. Eine wachsende Anzahl aufgeklärter und kritischer Konsumenten berücksichtige mittlerweile bei ihrer Kaufentscheidung ökologische Kriterien. Einzige Aufgabe einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik könnte noch darin bestehen, ökologische Innovationen dabei zu unterstützen, sich auch langfristig am Markt zu etablieren. Damit könnten auch andere Anbieter davon überzeugt werden, auf nachhaltige Produktstandards zu setzen.
Dass innovative nachhaltige Marktführer nicht nur "Greenwashing" betreiben, sondern auf die Märkte der Zukunft und den ökologischen Strukturwandel setzen, das betonte Kristina Steenbock, stellvertretende Vorsitzende von Germanwatch, auf der Berliner Pressekonferenz zur Vorstellung des Berichts "Zur Lage der Welt 2008". Ihrer Meinung schloss sich Worldwatch-Präsident Chris Flavin an, indem er auf die Innovations- und Investitionswelle hinwies, die Beteiligungskapital zunehmend aus der IT-Branche in grüne Technologien verschiebe. Mit Beteiligungen an Unternehmen, die nachhaltige Technologien entwickeln und verkaufen, ließen sich im Silicon Valley mittlerweile hohe Renditen erzielen, so Flavin weiter. Die Investment-Firma Kleiner Perkins Caufield & Byers, bei der Al Gore kürzlich Partner geworden sei, wolle 40 Prozent ihres Kapitals in nachhaltige Technologien investieren. Für Flavin ist die Weltwirtschaft damit an einem Wendepunkt angekommen: Die USA, EU, Indien und China vollzögen bereits die Wende zur Nachhaltigen Marktwirtschaft, verloren geglaubte Industriearbeitsplätze entstünden durch diese neue "grüne industrielle Revolution". Nun dürften die Entwicklungsländer den Anschluss an die ökologische Trendwende nicht verpassen.
Politik, Unternehmen und Verbraucher müssen gemeinsam handeln
Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, betonte auf der Pressekonferenz, dass die Politik alleine nicht handlungsfähig sei, sondern dass die "ökologische Modernisierung des Kapitalismus" nur in Kooperation mit den Verbrauchern und den Unternehmen gelingen könne. Erforderlich sei auch ein Transfer von Technologie und Know-How in Entwicklungs- und Schwellenländer.
Nicht unerwartet war in diesem Zusammenhang die Ankündigung von Milan Nitzschke, Leiter für nachhaltige Unternehmensentwicklung bei SolarWorld, dass sein Unternehmen die Unterstützung für Schulen, Krankenhäuser und netzfernen Stromverbraucher auch in Zukunft ausweiten wolle. Dies gab Nitzschke anlässlich einer Podiumsdiskussion zum Thema in Berlin bekannt. Erneuerbare Energien böten Entwicklungsländern zusätzliche Perspektiven, da sie eigene Wertschöpfungsketten in den Ländern selbst schüfen und andere, teurere Energieträger ersetzten, so Nitzschke. China beispielsweise habe längst erkannt, dass ein fortgesetztes Wachstum eine nachhaltige Wirtschaftsweise erforderlich mache, was Flavin bestätigte.
Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, zitierte anlässlich der abendlichen Diskussion den New Yorker Times-Kolumnisten Thomas Friedmann: Der Journalist hatte erklärt, dass das Land, das am schnellsten "grün" werde, zur weltweit führenden Wirtschaftsmacht aufsteigen könnte. Um den notwendigen Innovationsdruck zu erzeugen und den ökologischen Marktführern einen Vorteil zu verschaffen, schlug Bütikofer den "Top-Runner-Ansatz" vor, der jeweils das CO2-effizienteste Produkt oder die CO2-effizienteste Dienstleistung in einer Branche zum Standard für alle Wettbewerber erhebt: Diesen Standard müssten dann alle Wettbewerber in einem vorgegebenen Zeitrahmen selbst erreichen, womit sich am Markt ein Rennen um immer nachhaltigere Lösungen ergebe.