Kurz vor dem G8-Gipfel in St. Petersburg vom 15. bis 17. Juli finden in Russland eine ganze Reihe von Begleit- und Gegenveranstaltungen statt. Das Dossier „Demokratie in Russland“ zählt kurz chronologisch die wichtigsten auf und verweist mit Links zum Weiterlesen:
1. Civil G8 Forum
Das Civil-G8-Forum findet am 3. und 4. Juli in Moskau statt. Initiatoren sind die Vorsitzende des Rates zur Mitwirkung an der Entwicklung von Zivilgesellschaft und Menschenrechten beim Präsidenten der Russischen Föderation, Ella Pamfilowa, als Vorsitzende des Organisationskomitees und eine Reihe von im Rat vertretenen NGOs. Das Forum und eine ganze Reihe anderer Veranstaltungen finden mit Unterstützung des Kremls statt und haben unter anderem den Sinn, der Außenwelt zu demonstrieren, dass es mit dem Dialog zwischen Staat und Zivilgesellschaft in Russland nicht so schlecht steht, wie oft behauptet. Dazu wird sich Präsident Putin am 4. Juli den in Moskau versammelten NGO-VertreterInnen aus aller Welt stellen. Allerdings nehmen am Forum nicht nur, wohl nicht einmal überwiegend „loyale“ NGOs teil. Viel russische NGOs sehen darin trotz des wohl vor allem vom Kreml intendierten Propagandaeffekts ein Mittel, NGO-Beteiligung an G8-Gipfeln künftig zu institutionalisieren und über diesen Umweg die eigene, nach Verabschiedung des NGO-Gesetzes zum Jahresanfang noch prekärere Position in Russland zu stärken. Außerdem organisieren sie gleichzeitig andere Foren, in denen die Politik des Kreml schärfer kritisert wird. Durch die Teilnahme am Civil-G8-Forum versuchen sie dem Vorwurf aus dem Kreml zu entgehen, nur zu opponieren und nicht „konstruktiv“ an Problemlösungen mitzuarbeiten.
2. Konferenz „Menschenrechte in Russland“
Die Konferenz „Menschenrechte in Russland im Jahr des G8-Vorsitzes und des Vorsitzes im Europarat“ wird am 5. Juli in Moskau von russischen Menschenrechts-NGOs organisieren und ist ausdrücklich als kritische Ergänzung zum Civil-G8-Forum gedacht. Zu den OrganisatorInnen gehören Memorial, die Moskauer Helsinki Gruppe, die Soldatenmütter, die Stiftung zur Verteidigung von Glastnost und andere. Ziel ist es, die „Krise im Bereich Menschenrechte in Russland“ deutlich zu machen und Empfehlungen für die G8 und den Europarat zu erarbeiten, was zu ihrer Überwindung getan werden kann. Die Teilnahme von Thomas Hammarberg, Menschenrechtskommissar des Europarats, wird erwartet.
3. Alternatives Energieforum
In St. Petersburg organisieren vom 9. bis zum 11. Juli Ökologiegruppen wie Ecodefense, die Grüne Alternative und die Partei „Grünes Russland“ ein „Alternatives Energieforum“, dass Empfehlungen für den G8-Gipfel in den Bereichen Energiesicherheit, Energiegerechtigkeit und erneuerbare Energiequellen erarbeiten soll. Das Forum wird unter anderem von der Heinrich Böll Stiftung unterstützt. In seinem Rahmen wird in St. Petersburg am 11. Juli die russischsprachige Variante der Studie „Mythos Atomkraft“ vorgestellt.
4. Zweites Russisches Sozialforum
Ebenfalls in St. Petersburg wird vom 12. bis zum 16. Juli das „Zweite Russische Sozialforum“ stattfinden. Es wird von russischen GlobalisierungsgegnerInnen organisiert, die auch eine Demonstration gegen den G8-Gipfel in der Stadt angemeldet haben. Aller Voraussicht nach wird die Demonstration nicht genehmigt werden. Schon dass das Sozialforum im Kirowstadion am Stadtrand stattfinden kann ist eine Überraschung.
5. Konferenz „The Other Russia“
Die Konferenz „The Other Russia“ wurde vom Allrussischen Bürgerkongress und dessen Co-Vorsitzenden Garri Kasparow, Georgij Satarow und Ludmila Alexejewa initiiert. Zu ihnen hat sich noch Andrej Illarionow, bis Anfang des Jahres Wirtschaftsberater von Präsident Putin, gesellt. Nach Angaben der Veranstalter soll die Konferenz ein Sammelpunkt für alle oppositionellen politischen Kräfte sein und der Welt das „andere“ also nicht putinsche Russland zeigen. Die RednerInnenliste umfasst dementsprechend nicht nur PolitikerInnen vom demokratischen Flügel der russischen Politikszene, sondern auch Kommunisten wie den stellvertretenden KPRF-Vorsitzenden Iwan Melnikow, Nationalbolschwisten und den ehemaligen Rodina-Fraktionschef Sergej Glasjew. Außerdem werden Regierungsvertreter u.a. aus den USA und Deutschland erwartet. Mit grundsätzlicher Kritik am „Regime Putin“ wollen die Organisatoren ihren Anspruch bekräftigen, künftig Russland zu regieren. Diese Strategie ist bei einer Reihe von Parteien und vielen NGOs heftig umstritten.