Freunde!
Seit dem Beginn der „orangenen Revolution“ in der Ukraine, eigentlich direkt nach dem ersten Wahlgang der Präsidentenwahlen werden russische Massenmedien nicht müde zu behaupten, dass in Eurem Land ein Kampf zwischen Anhängern „prorussischer“ und „antirussischer“ Orientierung vor sich geht, und gleichzeitig unterstützen sie offen eine der Seiten des Bürgerkonflikts. Eine analoge Sicht auf die ukrainischen Ereignisse, nur unter umgekehrtem Vorzeichen der Sympathie biete auch ein bedeutender Teil der westlichen Presse seinen Lesern an.
Wir möchten, dass ihr wisst: In Russland gibt es nicht wenige Menschen, die daran nicht glauben.
Wir verstehen sehr gut, dass die ukrainischen Bürger – Ukrainer, Russen, Krimtataren, Russinen, Juden, Armenier, Griechen und andere unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Muttersprache, ihrer kulturellen Selbstbestimmung, ihres Wohnortes und sogar ihrer politischen Vorlieben – nicht auf die Straßen Kiews, Charkows und anderer Städte gegangen sind, um eine „antirussische“ Stimmung auszudrücken. Sie hatten es einfach satt, dass man sie nicht wie Bürger, sondern wie Arbeitsvieh behandelt hat.
Sie sind empört, dass Politiker, die nur an den eigenen Vorteil denken, versucht haben, sie zu manipulieren, und dass ihre Willensbekundung im Ergebnis grob gefälscht worden ist.
Und es geht dabei nicht um den Kampf um macht dieser oder jener Partei, dieses oder jenes Blockes und dieser oder jener Personen. Das multinationale Volk der Ukraine hat sich erhoben, um seine bürgerlichen und politischen Rechte, seine Freiheit und den Volkswillen zu verteidigen. Eben darin besteht der tiefe Sinn des Volksprotestes.
Es mag sein, dass diejenigen, die die offizielle Politik Russlands bestimmen, der Meinung sind, dass eine Ukraine, die von ethnokulturellen Konflikten geschüttelt wird, eine Ukraine, die von einer schwachen, korrumpierten, halbautoritären Regierung, die sich auf Hilfe von außen stützen muss, geführt wird, ein besonders bequemer Nachbar für uns Land sein wird.
Wir hoffen, dass Ihr wisst: Es gibt auch ein anderes Russland.
- Ein Russland, das das Recht kennt.
- Ein Russland, das an einer freien, einigen und stabilen Ukraine interessiert ist, die, wie es selbst auch, zur Rückkehr nach Europa strebt.
- Ein Russland, dass versteht: Eine Niederlage der Demokratie in der Ukraine wäre ein schwerer Schlag für die Demokratie in Russland.
- Ein Russland, das glaubt: Die Werte der Freiheit und der Wahrheit werden – hier früher, da später – in unseren Ländern siegen.
Wir sind mit Euch.
Gesellschaft „Memorial“
Moskauer Helsinki Gruppe