Grundeinkommens-Effekte auf die Situation von Frauen

Lesedauer: 6 Minuten

Indirekte, mittelfristige Effekte

13. Mai 2008

« zu "Grundeinkommens-Effekte"

 

Neubewertung von Pflege- und Familienarbeit (sogenannte Care-Arbeit)

 

  • Chancen: Anerkennung von Care-Arbeit und Entwicklung eines neuen Arbeits- und Wirtschaftsbegriffs

    Das Grundeinkommen böte die Möglichkeit einer besseren Anerkennung bisher unbezahlter Arbeit und damit eines Wandels der Interpretation von gesellschaftlich relevanter Arbeit. Care-Arbeit könnte größere Anerkennung erfahren, zumal das Grundeinkommen dann als monetäre Sichtbarmachung allgemeiner menschlicher Abhängigkeiten in Sozialstrukturen gelten und damit die gesellschaftliche Bedeutung freiwilliger Übernahme von Verantwortung für andere anheben könnte. Der Arbeitsbegriff könnte neu definiert werden, was weg führen würde von dem einseitigen, auf klassische Erwerbsarbeit fokussierten Verständnis von Arbeit und Produktivität. Da bis jetzt hauptsächlich Frauen den Großteil der Care-Arbeit übernehmen, wäre dies eine Anerkennung „weiblicher“ Arbeit.

  • Risiken: Anerkennung ja – aber keine geschlechtergerechte Arbeitsteilung

    Die Anerkennung von Care-Arbeit muss nichts an der Tatsache ändern, dass diese Arbeiten hauptsächlich von Frauen wahrgenommen werden; eine geschlechtergerechte Arbeitsteilung und den gleichberechtigten Zugang für Frauen zum Erwerbsarbeitsmarkt bewirkt diese Anerkennung noch lange nicht. Im Gegenteil könnten sich die bisherigen Strukturen der Geschlechter-Arbeitsteilung verfestigen, wenn auch mit mehr „Respekt“. Zudem ist es andererseits schwierig, mit dem Grundeinkommen die Anerkennung von Care-Arbeit fiskalisch auszudrücken, wenn es bedingungslos – also auch ohne gesellschaftlich nutzbringende Gegenleistung – an jede/n ausgezahlt wird, gleich wie viel die- oder derjenige zur Gesellschaft beiträgt. Fair im Sinne einer besonderen Anerkennung der Familien- und Pflegearbeit ist das nicht. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass das Grundeinkommen auch keine wirkliche Lohnersatzleistung ist – in befristeten Phasen der Familienarbeit fallen sonst erwerbstätige Personen auf das relativ geringe Niveau des Grundeinkommens „zurück“. Modelle wie z.B. das Elterngeld scheinen daher geeigneter zur wirklichen Anerkennung von Familien- und Pflegearbeit.

Zahlung eines Kinder-Grundeinkommens

 

  • Chancen: Verringerung des Armutsrisikos für Familien und Alleinerziehende

    Ein Kindergrundeinkommen schützt nicht nur jene, die (noch) nicht selbst für ihren Unterhalt sorgen können, nämlich Kinder, vor existenzieller Armut, sondern auch deren Eltern. Dies betrifft besonders positiv Alleinerziehende – in der Regel immer noch meistens Frauen – und Familien mit geringem sonstigen Einkommen.

  • Risiken: Einsparung öffentlicher Güter zu Lasten individueller Transfers

    Spezifische, sich nur auf das Kindergrundeinkommen beziehende Risiken sind nirgends in der Debatte zu finden. Es existiert allerdings die allgemeinere Sorge, dass aufgrund der hohen Kosten eines Grundeinkommens Investitionen in öffentliche Güter und Dienstleistungen wie Kinderbetreuung und Bildung eingespart werden. Hier müssen klare Prioritäten gesetzt und der Ausbau öffentlicher Güter dem individuellen Leistungstransfer in jedem Falle vorgezogen werden (siehe Kriterien).

Psychologische Effekte

 

  • Chancen: Existenzsicherung ist nicht mehr an Status und Erwerbsarbeit gebunden

    Im Zusammenhang mit der Neubewertung von Arbeit würde eine unabhängige Existenzsicherung Frauen (und Männern) in verschiedensten Lebenslagen entgegenkommen. Ein Grundeinkommen entspräche beispielsweise der Forderung nach einem „Hausfrauen-Gehalt“. Dies wäre insofern gerecht, als dass bisherige spezielle (v. a. familienpolitische) Leistungen wie z.B. Erziehungs- oder Elterngeld an vorherige Erwerbstätigkeit (oder das Partnereinkommen) gekoppelt sind; nicht-erwerbstätige Eltern (z.B. auch Studierende) oder Pflegende erhalten also keine oder nur Minimalleistungen. Mit dem Grundeinkommen entfiele diese Konditionierung.

  • Risiken: Hausfrauengehalt: ungerecht? Festigung traditioneller Rollenbilder?

    Das Grundeinkommen könnte aber auch negative psychologische Effekte haben, und zwar auf jene, die Haus- und Familienarbeit abends nach Ende ihrer Erwerbsarbeit erbringen (müssen). Diese zusätzliche Arbeitsleistung würde nicht in gleichem Maße gewürdigt wie für Hausfrauen, deren Hauptaufgabe ja in der Arbeit besteht, die andere „nebenbei“ und in sehr eingeschränkten Zeitfenstern erledigen können. An diesem Punkt ergibt sich also ein klares Problem mit der Frage, wie Arbeitsbegriff, Einkommen und Gerechtigkeitsvorstellungen zu vereinbaren sind. Zudem findet sich hier auch wieder die Gefahr der Vermischung von Frauen- und Familienpolitik, die die traditionelle Rollen und Aufgabenteilung nicht in Frage stellt. Der emanzipatorische Effekt des Grundeinkommens könnte sich damit ins Gegenteil verkehren.

Verhandlungsposition von Frauen innerhalb von Haushalt bzw. Familie

 

  • Chancen: Bessere innerfamiliäre Verhandlungsposition für Frauen

    Studien zeigen, dass innerfamiliäre Macht- und Statuspositionen u. a. vom individuellen Einkommen bzw. vom jeweiligen Beitrag der einzelnen Person zum Haushaltseinkommen abhängig sind: ein größerer Anteil am Haushaltseinkommen bedingt eines bessere Verhandlungsposition. Ein Grundeinkommen würde besonders jenen Personen, die bisher über kein eigenes Einkommen verfügten, damit auch mehr Macht und eine bessere Position innerhalb des Haushalts zugestehen. Da es meist Frauen sind, die – zumindest temporär – zu Gunsten von Kindererziehung oder Pflege auf Erwerbseinkommen verzichten, würde deren Position damit gestärkt werden.

  • Risiken: Keine bessere innerfamiliäre Verhandlungsposition von Frauen

    Neben der Frage, wie stark die Position wirklich vom Anteil am Einkommen abhängig ist oder doch auch vielmehr durch Sozialisation oder auch Organisation des Zusammenlebens bestimmt wird bzw. an welchen Indikatoren diese Positionierung festgemacht werden kann, ist Skepsis angebracht, ob ein Grundeinkommen die angenommenen Verhältnisse wirklich ändern würde: Zwar hätten Nicht-Erwerbstätige, also insbesondere Frauen, ein eigenes Einkommen, da das Grundeinkommen aber universell ist, würde auch das Einkommen des erwerbstätigen Partners/ der Partnerin ansteigen, was die absoluten Zahlen, nicht aber die Relation der Einkommen innerhalb des Haushalts ändern würde.

Veränderungen von Arbeitsorganisation, Arbeitsumfeld & Tätigkeiten in der Arbeitswelt

 

  • Chancen: Mehr Wahlfreiheit, bessere "Work-Life-Balance", attraktivere Arbeit

    Eine den individuellen Bedürfnissen und Ansprüchen entsprechende Einteilung von Arbeit in bezahlte und unbezahlte, haupt- und ehrenamtliche sowie familiäre Tätigkeiten könnte Frauen (wie auch Männern) ein ausgewogeneres Arbeitsleben ermöglichen. ArbeitgeberInnen müssten Arbeit attraktiver und lebensnaher gestalten bzw. anbieten und andere Tätigkeitsbereiche neben der Erwerbsarbeit – z.B. Familienzeit für Väter – respektieren.

  • Risiken: Verlust von non-monetären Vorteilen bezahlter Arbeit

    Längere Abwesenheit vom Erwerbsarbeitsmarkt, die durch das Grundeinkommen aufgrund bisheriger Rollenmuster eher bei Frauen befördert werden könnte, birgt nicht nur die Gefahr des Verlustes sozialer Netzwerke und Integration, sondern auch des Verfalls von Humankapital, insbesondere bei hochqualifizierten Frauen und Männern.

Pauschalisierung von "Arbeitsethos"

 

  • Risiken: Statistische Diskriminierung: Vorurteile gegenüber Arbeitnehmerinnen und "Rechtfertigung" von nicht geschlechtergerechten Arbeitsbedingungen

    Eine mögliche Folge der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und -phasen, mehr Entscheidungsfreiheit auch gegen Erwerbsarbeit und Anreize für bewusste Familienarbeit könnten Vorurteile z.B. von ArbeitgeberInnen gegenüber der sozialen Gruppe der Frauen erzeugen, die darauf abzielen, Frauen insgesamt als weniger produktiv im Sinne klassischer Erwerbstätigkeit zu betrachten. Dies wäre eine Pauschalisierung auf der Basis als „typisch“ erachteter weiblicher Arbeitsbiographien, die sich zu Lasten der individuellen Leistungsfähigkeit und Qualifikation von Frauen, die sich für Erwerbsarbeit entscheiden, auswirken könnten. In dieser Auffassung würde diese pauschale Annahme über Qualität „weiblicher“ Erwerbsarbeit in gewisser Weise zur Rechtfertigung von geschlechtsspezifischen Lohndifferenzen oder bevorzugter Arbeitsplatzvergabe an Männer herangezogen werden können.