Von Marcia Pally
Wie ich höre, kommen die Rechten in Europa gerade nicht groß zu Wort. Es ist kein Geheimnis, dass ein Großteil der Europäer Obama die Daumen gedrückt hat - und dass die europäischen Medien sich derzeit voll auf ‚diesen Barack-Typen’ konzentrieren. Als ob er Präsident wäre oder so was.
Dabei ist Europa der springende Punkt, und die Rechten haben das kapiert: Obama will Amerika europäisieren. Was könnte schlimmer sein?
Eine Schande, dass die Rechten in Europa nicht mehr zu sagen haben. Sie nämlich könnten uns erklären, was gerade so alles falsch läuft. Und: Sie könnten uns etwas sehr Wichtiges zum Thema Bildung verklickern.
Amerika, hast Du es besser?
Momentan sind die Rechten ganz damit beschäftigt, Obamas Konjunkturpaket schlecht zu reden. Sie und ich mögen es vielleicht für gar nicht so übel halten - nicht perfekt, klar, aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Schließlich sieht das Paket vor, den Bildungsetat des Bundes über die nächsten zwei Jahre auf rund 150 Milliarden US-Dollar zu verdoppeln um die Renovierung von Schulen, Förder- und Vorschulprogramme und College-Stipendien für Bedürftige zu finanzieren. Es wäre der größte Anstieg der Bundesmittel in der Nachkriegszeit. Der Gedanke dahinter ist, dass die Renovierung von Schulen der wegen der Immobilienkrise am Rande des Kollapses stehenden Bauindustrie einen dringend benötigten Schub geben würde. Die Finanzspritze würde zudem, jetzt, wo immer mehr Jobs verloren gehen, Lehrer in Lohn und Brot halten, die die kommende Generation ausbilden und so dafür sorgen, dass die USA mit technologischen Entwicklungen Schritt halten können - was wiederum für die Wirtschaft gut wäre.
Aber einer ganzen Herde Republikaner, nicht zuletzt den über einhundert republikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus, die dem erzkonservativen Republican Study Committee angehören, fällt nichts Besseres ein, als zu meckern. Sie kapieren nicht, was Bildung mit der Schaffung von Arbeitsplätzen (jetzt oder in der Zukunft) zu tun hat. Für sie sind die 150 Milliarden US-Dollar, die im Laufe zweier Jahre ausgegeben werden sollen, nichts als ein „Geschenk“ an die Lehrergewerkschaft. Mit seinem Plan, so ein konservativer Bildungsexperte, führe Obama lediglich „die althergebrachte Tradition fort, die Studentenkredit-Branche mit öffentlichen Mitteln zu subventionieren“.
Probleme beim Verstehen von Bildung
Die Republikaner, scheint mir, werden ihrem Ruf gerecht. Da sie keine Verbindung zwischen Bildung und irgendetwas von Wert erkennen, macht es für sie auch wenig Sinn, sich selbst weiterzubilden. Hätten sie’s getan, wüssten sie, dass seit einigen hundert Jahren Bildung der wichtigste Faktor für wirtschaftliche Entwicklung und gute Chancen im Beruf ist. So ergeht es jenen, die den Wert von Bildung nicht zu schätzen wissen: Sie bekommen zu wenig davon ab, um wissen zu können, was ihnen entgangen ist.
Vor zwei Wochen hat ein Kongressausschuss Zahlen ins Internet gestellt, laut denen die Regierung bis zum September 2010 erst 38 Prozent der Mittel aus dem Konjunkturpaket ausgegeben haben wird. Sofort fielen die Republikaner über Obama her: ‚Das Konjunkturbelebungspaket wird zu spät kommen, um noch irgendetwas zu beleben!’ - und die konservative Presse überschlug sich. Wie sich zeigte handelte es sich dabei jedoch um „partielles“ Zahlenmaterial. Die vollständigen Zahlen weisen aus, dass bis September 2009 ungefähr 64 Prozent, also 526 Milliarden US-Dollar, unters Volk gebracht sein werden.
So ergeht es einem, wenn man den Wert der Bildung nicht zu schätzen weiß: Das Leseverständnis reicht nicht aus, um Worte wie „partiell“ und „vollständig“ zu verstehen.
Lückenhaftes Leseverständnis
Weiter beschwerten sich die Republikaner darüber, sie könnten nicht nachvollziehen, wie höhere Bildungsausgaben tatsächlich zu einer besseren Bildung beitragen würden. Ein berechtigter Einwand. Man sollte immer Belegen dafür verlangen, dass sich Investitionen auch rentieren. Ein Jammer nur, dass beim Militäretat nicht entsprechend nachgehakt wurde: Haben die zehn Milliarden, die wir seit Jahren allmonatlich für die Truppen im Irak ausgeben, unsere Sicherheit verbessert? Haben wir mit unserem Verteidigungshaushalt - der der Summe dessen entspricht, was die 25 nächstgrößten Militärmächte ausgeben - den Planeten weniger gewalttätig gemacht?
Der Bildungsexperte Frederick Hess vom konservativen American Enterprise Institute hat vorgeschlagen, die Budgets der Schulen an die Einnahmen aus der Eigentumssteuer zu koppeln. Das würde bedeuten, dass reiche Gegenden noch tollere Schulen und arme Gegenden noch schlechtere Schulen bekämen. Und dass arme Kinder arm bleiben und der Gesellschaft die Beiträge entgehen, die sie vielleicht geleistet hätten, hätten sie eine bessere Bildung erhalten. Aber wenn man Bildung nicht schätzt, läuft man Gefahr, zu wenig davon abzubekommen, um das zu kapieren.
Wie Jim Manzi vom konservativen Politmagazin National Review herausgefunden hat, sollen die Mittel aus Obamas Konjunkturpaket primär in vier Bereiche fließen: Bildung, soziale Absicherung (Nahrungsmittelhilfe, Krankenversicherung, Wohngeld für arme Familien), Umweltschutz / Förderung alternativer Energien und allgemeine Infrastrukturmaßnahmen (Straßenbau usw.).
Raubbau am Militärhaushalt ?
Dahinter steht die Überlegung, dass, wenn man den Bedürftigsten Geld gibt, die Wirtschaft unmittelbar davon profitiert, weil Leute, die von der Hand in den Mund leben, das Geld sofort ausgeben. Der Ausbau erneuerbarer Energien würde nicht nur dem Planeten helfen - was vielleicht ein paar abgedrehten Baumknutschern wichtig sein mag, aber bestimmt keinem vernünftig denkenden Konservative (was vermutlich daran liegt, dass die nicht von dieser Welt sind). Der Ausbau erneuerbarer Energien würde auch neue Industrien schaffen und damit neue Jobs - also genau das, was die Konservativen, die Obama kritisieren, angeblich auch wollen. Wie Manzi weiter feststellte, macht Verteidigung nur rund drei Prozent des Konjunkturpakets aus, während ihr Anteil am gesamten US-Haushalt bei zwölf Prozent liegt.
„Unterm Strich“, schrieb ein fassungsloser Manzi, „wird das Konjunkturgesetz dazu führen, dass der Anteil der Ausgaben für Verteidigung und öffentliche Sicherheit am US-Etat schrumpfen, der für Sozialprogramme wachsen wird - und dass sich die USA wohl oder übel immer mehr zu einem Wohlfahrtsstaat europäischer Prägung entwickeln.“
Kreisch! Kann es was Schlimmeres geben? Das Ende ist nah!
Teuflische Sozialausgaben
Allerdings erklärt Manzi in seinem Artikel nicht, was daran so schlimm sein soll. Aber so geht’s, wenn man den Wert von Bildung nicht zu schätzen weiß: Man bekommt zu wenig davon ab, um zu begreifen, dass man seine Behauptungen auch erklären muss.
Die Republikaner von der Republican Study Group hingegen haben ihren Gegenvorschlag für einen Wirtschaftsaufschwung erklärt: keine zusätzlichen Staatsausgaben (abgesehen von den astronomischen Beträgen, die wir für das Militär ausgeben), dauerhafte Senkung der Einkommensteuer für alle um fünf Prozent (zusätzlich zu Bushs Steuergeschenken) und die Beibehaltung des Steuersatzes von 15 Prozent auf Kapitalgewinne und Dividenden (statt ihn, wie bereits beschlossen, ab 2010 zu erhöhen). Außerdem wollen die Republikaner Kapitalgewinne inflationsbereinigt besteuern, was die Steuern weiter senken würde, und die Unternehmenssteuer von 35 auf 25 Prozent reduzieren.
Nachhilfe für Republikaner
Von einer Senkung der Kapitalertrags- und Unternehmenssteuer profitieren, wie die Republican Study Group möglicherweise weiß, nur die, die reich genug sind, um umfangreiche Investitionen vorzunehmen. Genau das hat Bush mit seinen Steuersenkungen getan - die Reichen noch reicher gemacht. Deshalb fiel die „Erholung“ der Konjunktur nach der Rezession von 2002 auch so schwach aus, wie keine andere in der jüngeren Vergangenheit, und trug nicht dazu bei, die aktuelle Finanzkrise abzuschwächen. Aber so ergeht es einem eben, wenn man den Wert der Bildung nicht zu schätzen weiß: Man bekommt zu wenig davon ab, um sich an so etwas erinnern zu können.
Aber ehrlich gesagt, ich finde auch, dass Obamas Konjunkturpaket einen entscheidenden Fehler hat. Mein Vorschlag: Man müsste das Paket um einen Sonderfonds ergänzen - um ein Bildungsprogramm für Republikaner.
Marcia Pally, Professorin an der New York University, veröffentlichte zuletzt das Buch „Die hintergründige Religion“ über den Einfluss der evangelikalen Bewegung auf die US-Politik (Berlin University Press, 2008).
Übersetzung aus dem Englischen: Thomas Pfeiffer.
- Sämtliche Beiträge zum „Diary of Change“ - Ein Tagebuch zum Wechsel in Washington
- 23.2.09 - Sebastian Gräfe: Guantanamo zu, alles gut? Von der Ankunft in der Realität
- 22.2.09 - Liane Schalatek: Die Immobilienkrise in Washingtons Vorstädten: politische Schwarzweißmalerei mit Grautönen
- 21.2.09 - Bernd Herrmann: Richmond, Virginia: Im Süden was Neues
- 20.2.09 - Andrea Fischer: Die ewige Krise des amerikanischen Rentensystems
- 19.2.09 - Bernd Herrmann: Michigan: Kann der Rostgürtel recycelt werden?
- 18.2.09 - Andrea Fischer: Carmaker’s nightmare continues – die Autoindustrie ganz unten
- 17.2.09 - Andrea Fischer: Next step ahead – health care reform
- 16.2.09 - Andrea Fischer: Presidents’ day – celebrating Obama
- 15.2.09 - Andrea Fischer: Bipartisanship – ein weltweiter Hit, kleingekocht
- 14.2.09 - Liane Schalatek: „My Funny Valentine"— Obamas kurze Liebesaffäre mit der neuen "Postparteilichkeit"
- 13.2.09 - Andrea Fischer: Eine realistische Chance
- 11.2.09 - Robert Habeck: Der Präsident als Bürger. Kleine Ikonografie der Obama-Rhetorik
- 10.2.09 - Robert Habeck: Mit voller Kraft ins Unbekannte
- 9.2.09 - Robert Habeck: Selbsterfüllende Prophezeiungen. Ein Kaffeegespräch
- 8.2.09 - Robert Habeck: Obama, ein sehr amerikanischer Präsident
- 7.2.09 - Robert Habeck: Das andere Washington: Anacostia
- 6.2.09 - Robert Habeck: Das Werkzeug der Manipulation
- 5.2.09 - Robert Habeck: Tom daschelt Obama
- 4.2.09 - Marcia Pally: Erlöser oder Präsident? Obamas Alternativen
- 3.2.09 - Marcia Pally: Die ungestellten Fragen zur US-Innen- und Außenpolitik
- 2.2.09 - Marcia Pally: Obama: Breaking news vom Wochenende
- 1.2.09 - Marcia Pally: Obama und die „Neuen Evangelikalen“
- 31.1.09 - Marcia Pally: Bildungsmisere bei den Republikanern
- 30.1.09 - Marcia Pally: Ausgewogenheit und Hermeneutik im Nahen Osten
- 29.1.09 - Marcia Pally: Die Wiederherstellung des Glaubens
- 28.1.09 - Michael Werz: Krise ohne Ende - das 20. Jahrhundert als Hypothek
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- 26.1.09 - Liane Schalatek: „Purpose“ statt „Purchase“- Obama versucht die Transformation der US-Gesellschaft vom Konsumismus zum Kommunitarismus
- 26.1.09 - Michael Werz: „So wahr mir Gott helfe“ - Obama interpretiert die Unabhängigkeitserklärung neu
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