Der Dokumentarfilm „Football under cover” handelt von dem ersten Spiel einer deutschen Frauenmannschaft aus Berlin-Kreuzberg gegen das iranische Frauennationalteam. Er beginnt so, wie die Geschichte dieses Films tatsächlich angefangen hat: Die Regisseure Ayat Najafi und Marlene Assmann lernen sich auf dem ersten Berlinale Talent Campus 2005 kennen. Auf einem Balkon in Kreuzberg entsteht dann die Idee, in den Iran zu reisen und dort ein Freundschaftsspiel zu organisieren. In der Zeit von der ersten Reise nach Teheran 2005 bis zum Anpfiff des Spiels im April 2006 in Teheran ist ein beeindruckender Dokumentarfilm entstanden: mit Nahaufnahmen aus dem Alltag iranischer Frauen, wie wir ihn bisher selten gesehen haben. „Football under cover” wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem “Teddy Award 2008” für Best Documentary Film (Berlin) und dem “Freedom Award 2008”.
Ein Film voller Eindrücke
“Football under cover” ist prall gefüllt mit Eindrücken der Regisseure Ayat Najafi und Marlene Assmann. Das deutsch-iranische Duo präsentierte den Film durch ausgewählte Ausschnitte, die anschließend kommentiert wurden. Eine Szene zeigt Ayat Najafi mit einem Berliner Mannschaftsbegleiter, wie sie nicht ins Stadion gelassen werden. „Das hängt mit der strengen Geschlechtrennung im Iran zusammen”, erklärte Najafi. Im Stadion habe es von Sittenwächterinnen gewimmelt; eine Kamera habe alles gefilmt. „Die Hälfte der Sittenwächter sind Frauen, aber sie sind genau so streng wie die Männer”, kommentierte der Regisseur die Szenerie. Selbst bei Abwesenheit der Männer mussten sich alle Sportlerinnen verhüllen. Denn solange die Kamera das Spiel begleitet, wird der Sportplatz zu einem öffentlichen Raum. Und im Iran müssen sich Frauen im öffentlichen Raum verhüllen. Die Fußballspielerin Marlene Assmann, die sich auch außerhalb des Stadions verhüllen musste, sieht die ganze Sache weniger dramatisch: “Mir machte das nichts aus. Mir wurde mehr Respekt entgegengebracht. Ich konnte mich freier bewegen.”
Im Iran darf der Film nicht gezeigt werden. Eigentlich sollte es auch ein Rückspiel in Deutschland geben, aber dazu kam es bislang nicht. Nur einen Tag vor dem festegelegten Termin sagte das iranische Sicherheitsministerium „aus technischen Gründen” ab. 2000 verkaufte Karten mussten wieder zurückgegeben werden.
Zur Geschichte des Frauenfußballs
Im folgenden Gespräch mit dem Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB) Theo Zwanziger fragte ihn Moderator und Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung Ralf Fücks nach seinen Eindrücken. Der Film zeige, welche Botschaft vom Fußball ausgehen kann, kommentierte Theo Zwanziger. „Da gibt es echte Kameradschaft und Völkerfreundschaft.” Ralf Fücks bemerkte, dass es beeindruckend sei, wie der Film Fußball mit Menschrechten in Zusammenhang bringe. Theo Zwanziger erinnerte an die Tatsache, dass es im Iran eine Frauenfußballmannschaft gegeben hat, als in Deutschland noch Frauenfußball bis 1973 verboten war. Für viele der Anwesenden im Saal schlicht unvorstellbar. „Wir müssen diesen Sport dafür benutzen, vom Rassismus und Diskriminierung weg zu kommen“, sagte der Präsident des DFB. Entsprechend befremdlich fand Theo Zwanziger, dass „zum Integrationsgipfel der Bundesregierung alle eingeladen waren, nur nicht der Sport“.
Im Anschluss an das Gespräch diskutierten Omid Nouripour, Bundestagsabgeordneter von Bündnis90/Die Grünen, Ayten Kiliçarslan, Leiterin des Muslimischen Frauenbildungswerks Köln und Vorstandsmitglied von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, sowie die Autorin und Publizistin Hilal Sezgin.
„Es hat mich unheimlich berührt, dass die Spielerinnen aus Kreuzberg aus Solidarität auch Kopftücher trugen“, sagte Hilal Sezgin. Omid Nouripour, der im Iran geboren wurde, hatte einen ganz anderen Eindruck. Er habe den Film zusammen mit seiner Mutter gesehen und beide hätten Rotz und Wasser geheult. Wohl deshalb wurde er ein wenig pathetisch: „Ich appelliere an die iranische Regierung, uns zu sagen, welche technischen Probleme es bei der Einreise der iranischen Frauenmannschaft gibt, damit wir helfen können“, rief er in den Saal.
Muslimische Frauen und Fußball
Auf die Frage wie es sich bei der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion mit Mädchen- und Frauensport verhält, antwortete Ayten Kiliçarslan: „Ich wusste, dass diese Frage kommt. Und ich will Ihnen eine Antwort darauf geben.“ Sie sei mit Fußball aufgewachsen, aber es gebe nur einen einzigen Frauenverein in Köln. „Aber die trainieren draußen“, beklagte sie sich. Deshalb wünsche sie sich, dass der DFB den muslimischen Frauen den Fußball in der Halle ermögliche. Das Thema betreffe nicht nur die türkischen, sondern alle muslimischen Frauen. „Das müsste man respektieren, wenn sie sich in der Öffentlichkeit nicht frei bewegen können“, sagte sie. Hilal Sezgin vertrat eine ähnliche Meinung: „Es sollte im Fußball eine Regelung geben, die erlaubt, sich zu verhüllen“, forderte sie.
Theo Zwanziger erinnerte daran, dass der Weltfußballverband FIFA das Kopftuch verbietet. Beim Sport dürfe es keine religiösen Symbole, Bekundungen und Auseinandersetzungen geben. Genauso dürften keine Dinge getragen werden, die den Gegner verletzen könnten. Der DFB habe auf den Kopftuchstreit mit einer Stelle einer Integrationsbeauftragten reagiert. Seitdem führt Gül Keskin die Geschäfte des DFB in diesem Bereich.
Das Kopftuchthema im Sport
Omid Nouripour sah das Kopftuchthema anders: „Die Größe eines pluralistischen Staates besteht darin, dass er sich keinen Kulturkampf aufzwingen lässt. Ich lebe hier nicht im Iran“, sagte er. Auf die Frage Ralf Fücks´ zum Thema Schwimmen sagte Ayten Kiliçarslan: „Eine konkrete Empfehlung kann ich nicht geben, aber es ist wichtig, dass man die Kleidervorschriften einhalten kann.“ Und beim koedukativen Sportunterricht? „Es gibt Eltern, die übertreiben, aber auch hierbei gibt es keine Pauschallösungen. Wichtig ist, dass man nicht in Gewissenskonflikte kommt.“ Wenn die Tochter nicht schwimmen dürfe, solle auch der Sohn nicht dürfen, meinte sie.
Zu guter Letzt hatte Theo Zwanziger eine erfreuliche Nachricht zu verkünden: „In den nächsten zwei Jahren wird der DFB in den Mädchen- und Schulfußball und in die Integration 20 Millionen Euro investieren“, versprach er. Auf die Forderung, dass der DFB beim Auf- und Ausbau von Sporthallen investieren solle, sagte Zwanziger: „Wir haben sechseinhalb Millionen Mitglieder. Davon sind eine Million Frauen. Auf Vereine und ihre Hallen haben wir wenig Einfluss.“
Beim anschließenden gemeinsamen Imbiss versprach Omid Nouripour: „In jedem Fall werde ich versuchen, den iranischen Frauen zu helfen, damit sie nach Deutschland kommen können“. Auch die Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt die Initiative.