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Eine Einschätzung zur aktuellen Lage in Afghanistan und die Perspektive des internationalen Engagements

 

Auszug:

Afghanistan ist ein Paradoxon: Je mehr Geld die internationale Gemeinschaft ins Land pumpt, je länger die militärische Kampagne andauert, desto schlechter wird die Lage. Jedenfalls in der Gesamtbilanz, nicht in allen Bereichen. Jahr um Jahr seit 2002 sind die Taliban stärker geworden, kontrollieren mittlerweile mehr als die Hälfte Afghanistans. Sie stellen sich keiner offenen Feldschlacht, konfrontieren die ausländischen Nato- und US-Soldaten oft gar nicht mehr, aber terrorisieren die Bevölkerung – oder werden von ihr (jedenfalls im Süden und Osten) geschätzt als Gegner der zunehmend verhassten Besatzer.

Dieses Dilemma hat eine lange Vorgeschichte: Jede auswärtige Nation hat Afghanistan stets als Benutzer-Oberfläche gesehen. Die Sowjetunion wollte in den achtziger Jahren den Kommunismus retten, die USA ihn justamente dort besiegen. Die Nato will heute ihren Zusammenhalt in Afghanistan retten, die USA wollen den Terrorismus dort bekämpfen, Pakistan will ein unkontrolliertes Hinterland haben zur Guerrilla-Ausbildung für seinen klandestinen Kleinkrieg gegen Indien.

Die grandiose, seit 160 Jahren gern wiederholte Fehleinschätzung: aus der – ja berechtigten - Annahme, dass die Afghanen in Jahrhunderten keinen vernünftigen Staat geschaffen haben, nun zu glauben, man könne ihnen einen fremden aufzwingen.

Das geht schief, denn noch mehr als gegen ihre eigenen Herrscher haben sich Afghanen stets gegen Fremde gewehrt. Egal, wie gut deren Absichten, egal, wie spendabel deren Regierungen waren. Der afghanische Geist ist einer, der stets verneint. Jede Einmischung von außen, so gut sie auch gemeint sein mag, verändert die innere Machtbalance, ruft stets Gegner auf den Plan, die vom Status quo mehr profitieren als von dessen Veränderung.

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Dossier

Afghanistan - Ziviler Aufbau und militärische Friedenssicherung

Die Heinrich-Böll-Stiftung ist seit Anfang 2002 in Afghanistan aktiv und fördert die zivile und demokratische Entwicklung des Landes. Afghanistan ist auch ein Prüfstein dafür, ob der Prozess des „state building“ und des friedlichen Wiederaufbaus in einem zerrütteten Land gelingt.