Ethisch reflektierte Professionalität: Zur Grundlegung eines ethischen Konzepts für angemessene Entscheidungen in der sozialarbeiterischen Handlungspraxis

Lesedauer: 3 Minuten

Karola Kreutner, Technische Universität - Dresden

26. August 2009

Fragestellung:

Dass sozialarbeiterisches Handeln, soll es als professionell gelten, auf der Basis wissenschaftlichen Wissens reflektiert werden muss, gilt als Konsens in der Professionalisierungsdebatte. Vernachlässigt wird dabei – und das ist die Ausgangsthese meines Promotionsvorhabens – dass Entscheidungen in der Praxis der Sozialen Arbeit nie wertneutral sind und deshalb auch die ethische Reflexion als integraler Bestandteil professionellen Handelns zu verstehen ist. Die zentrale Fragestellung lautet daher: Wie ist eine angemessene ethische Reflexion der Wertentscheidungen im professionellen Handeln der Sozialen Arbeit möglich? Als Voraussetzung für deren Beantwortung sollen im Rahmen einer empirischen Untersuchung zunächst moralisch relevante Entscheidungen von PraktikerInnen in der Sozialen Arbeit rekonstruiert werden. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund des philosophisch-ethischen Diskurses um Begründungen von Werturteilen kritisch reflektiert. Auf dieser Basis wird nach Möglichkeiten der Grundlegung eines ethischen Konzepts gefragt, das SozialarbeiterInnen bei der Suche nach angemessenen Entscheidungen hilfreich ist.

Theoretische Einbettung:

Die theoretischen Grundlagen bilden das strukturtheoretische Professionalitätsmodell von OE-VERMANN, die Forderung nach einer „reflexiven Professionalität“ von DEWE/OTTO und einschlägige Erkenntnisse aus der Professionalisierungsforschung (z. B. HEINER und SCHWEPPE).
Für die Grundlegung eines ethischen Konzepts wird auf kohärentistische Ethikansätze (z. B. BA-DURA und NIDA-RÜMELIN) zurückgegriffen, die eine hohe Praxisrelevanz bei der Bewältigung moralischer Konflikte versprechen und daher gerade im Bereich der sog. ‚angewandten Ethiken’ weit verbreitet sind. In der Sozialen Arbeit blieben sie bisher nahezu unbeachtet.

Methodischer Ansatz:

Für die empirische Untersuchung wurde ein qualitativer Ansatz gewählt. Die Daten werden mithilfe von leitfadengestützten Interviews, die stark erzählgenerierende Elemente narrativer Interviewformen nach SCHÜTZE und Techniken des Dilemma-Interviews (AUFENANGER)  beinhalten, erhoben. Befragt werden sollen unmittelbar in der Praxis stehende SozialarbeiterIn-nen/SozialpädagogInnen; die Auswahl der Stichprobe erfolgt sukzessive im Sinne des „theoretical sampling“ und nach Maßgabe der maximalen strukturellen Variation. Um ein für die Soziale Arbeit adäquates ethisches Konzept entwickeln zu können, werden moralische Konflikte aus der Sozialen Arbeit in Koproduktion mit PraktikerInnen bearbeitet werden. Damit steht die Untersuchung in der Tradition der sog. Praxisforschung, die auf eine Verbesse-rung der Praxis durch eine gleichberechtigte Kooperation von Wissenschaft und Praxis zielt.

Relevanz:

Das Novum des beschriebenen Vorhabens besteht darin, eine fall- und situationsbezogene ethische Reflexion durch die handelnden SozialarbeiterInnen als Merkmal von Professionalität zu begreifen. Damit steht es im Gegensatz zu den in der Sozialen Arbeit gängigen Ansätzen, die universell gültige Moralkodizes zu begründen versuchen und deren quasi-technologische Anwendbarkeit in der Praxis suggerieren. Erste Untersuchungen (BORRMANN) zeigen jedoch, dass in der sozialarbeiterischen Praxis große Verunsicherungen im Umgang mit moralischen Konflikten bestehen. Das führt zu der Frage, wie SozialarbeiterInnen ethisch-moralische Kompetenz vermittelt werden kann, damit sie ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung sowie ihrer Verpflichtung auf die Menschenrechte besser gerecht werden können. Hierfür wird meine Dissertation wichtige Grundlagen leisten.

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