Die Bibliothek zu Babel wird durch das Scan-Projekt von Google zu einer realisierten Utopie. Millionen Leser dürfen sich über eine neue Einfachheit des Werkzugangs freuen, während viele Rechteinhaber um ihre Entlohnung fürchten. Ein amerikanisches Unternehmen leistet, was die öffentliche Hand gerne täte: Wissen für möglichst viele Menschen bereitzustellen. Eine Tagung erörterte die vielen Hoffnungen und Befürchtungen, die mit dem ambitionierten Vorhaben verbunden sind. Abgesehen von der juristischen Problematik ging es dabei vor allem auch um die Konturen einer digitalen Publikationspraxis für das 21. Jahrhundert.
Google Books ist eines dieser Netzphänomene, das im Gegensatz zu Blogs und Social Networks noch nicht ganz im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist. Dies mag unter anderem daran liegen, dass es sich auf der deutschen Google-Startseite bis jetzt noch hinter dem ganz unscheinbaren Menüpunkt "Mehr" verbirgt. Somit erweckt es vielleicht nicht den Eindruck, dass es sich hierbei um eine bahnbrechende Entwicklung handeln könnte. Doch schon Googles Beschreibung des Projekts lässt erahnen, womit man es hier zu tun hat: "Durchsuchen Sie mit Google Bücher weltweit Millionen von Büchern von Bibliotheken und Verlagen" heißt es da, "lassen Sie sich eine Vorschau anzeigen" und „entdecken Sie Ihr neues Lieblingsbuch oder einen alten Klassiker“. Googles erklärtes Unternehmensziel ist es, das Wissen aus vielen Millionen von Büchern zu organisieren und der Welt zugänglich zu machen.
Dies klingt alles andere als unbescheiden, doch – so kann man sich zu Recht als Internet-Nutzer und Leser fragen – wo liegt denn nun eigentlich das Problem? Wäre es nicht wunderbar, bei einer wissenschaftlichen Recherche nicht mehr durch lange Reihen verstaubter Bücherregale laufen zu müssen? Wäre dies nicht der Traum einer jeden Leseratte, auch nach den Öffnungszeiten von Buchhandlungen und Bibliotheken in Büchern stöbern zu können? Der Teufel steckt wie so häufig im Detail. Die von Heinrich-Böll-Stiftung, Goethe-Institut und iRights.info gemeinsam durchgeführte Tagung "Enteignung oder Infotopia? Google Books und die Zukunft des Wissens" am 2. Oktober 2009 hatte sich vor allem zum Ziel gesetzt, diese Details einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Ein kleines Gedankenexperiment: Wir stellen uns einen Autor vor, der abgeschieden in einer ländlichen Gegend wohnt. Vor ein paar Jahrzehnten hat er bei einem kleinen Verlag einen Roman veröffentlicht, der sich für ein paar Jahre ganz gut verkaufte. Sein Roman gelangt über Umwege auch in die Bibliothek der University of Michigan und fristet dort viele Jahre lang sein Dasein. Irgendwann meldet der Verlag unseres Autors dann Konkurs an. Ihn störte das nicht so sehr, denn er hatte sich schon längst damit abgefunden, dass das Schreiben nicht ganz das Richtige für ihn ist. Anfang des 21. Jahrhunderts kehrt unser glückloser Autor dann Deutschland den Rücken – sein Werk ist schon lange in Vergessenheit geraten. Es zählt zu den Millionen von "verwaisten" Büchern, die zwar mutmaßlich noch dem Urheberrecht unterliegen, deren Rechteinhaber aber verschollen sind, oder deren Verlag nicht mehr existiert. Googles Kooperation mit amerikanischen Bibliotheken führt nun dazu, dass auch das Buch unseres fiktiven Autors eingescannt wird und seitdem – ganz oder zumindest zu großen Teilen – für die amerikanischen Internetbenutzer zugänglich ist. Gefragt wurde unser Autor nicht, denn er gilt ja als "verschollen". Über die Möglichkeit, etwa mit Online-Bannern neben seinem Text Geld zu verdienen, hat ihn niemand informiert. Ob ihn die Aussicht freut, dass seine Bücher demnächst "on-demand" nachgedruckt werden könnten, bleibt zunächst einmal unbeantwortet .
Neue Spielregeln für das digitale Zeitalter
Zwei dieser organisierten Interessengruppen, die amerikanische Authors Guild und der Verlagsverband AAP, sind es auch, die im Jahr 2005 eine besondere Form der Sammelklage ("Class Action") gegen Google eingereicht haben, weil sie sich durch das Vorgehen des Unternehmens übergangen fühlten. Das Google Book Settlement, über das eigentlich bereits am 7. Oktober 2009 entschieden werden sollte, hat mehr als 700 Einwände und Eingaben Dritter beim zuständigen New Yorker Bezirksgericht nach sich gezogen. "ch habe längst den Überblick verloren" gestand Matthias Spielkamp angesichts der schieren Menge an relevanten Einzeldokumenten. Von "nterschiedlichen Stadien der Ahnungslosigkeit" sei im besten Falle auszugehen, was auch die stark divergierenden Bewertungen erklären mag: Ist der angestrebte Vergleich nun positiv oder negativ für Rechteinhaber, Verlage oder den Wettbewerb?
Dr. Nils Rauer, Fachanwalt bei Lovells LLP Frankfurt,
führte in die rechtliche Dimension um Google Books ein. Laut Settlement wolle Google für jedes eingescannte Buch eine Pauschale von 60 Dollar zahlen, sowie die Rechteinhaber mit 63% an den Werbeeinnahmen beteiligen. Doch aufgrund von Einwänden mehrerer Regierungen und anderer Interessengruppen ist der Vergleich, so wie er in den letzten Monaten diskutiert wurde, nun erst einmal „tot“. Rauer machte klar, warum ein späteres Zustandekommen von besonderer Bedeutung auch für Deutschland wäre: Die so genannte Class-Action-Klage sei für alle mitbetroffenen Parteien gültig, also auch für hiesige Autoren und Verlage, deren Bücher eingescannt wurden. Insbesondere machte Rauer deutlich, dass bei der Debatte um Google Books das Territorialitätsprinzips des angloamerikanischen Copyright bzw. kontinentaleuropäischen droit d’auteur durch die Transnationalität des Internets gleichsam ausgehebelt werde. Dass Google das grundlegende Prinzip der Rechteeinholung im deutschen Urheberrecht umdrehe, sodass Rechteinhaber innerhalb einer gesetzten Frist selbst aktiv werden müssen („opt-out“), stelle deshalb auch einen zentralen Konfliktpunkt dar. Zwar versuche Google den Zugang auf in Deutschland immer noch urheberrechtlich geschützte Werke zu beschränken, doch seien die entsprechenden IP-Sperren mit etwas technischem Sachverstand „innerhalb von drei Minuten“ zu umgehen. Deshalb zeige sich erneut, dass die Betroffenheit in Deutschland „nicht wegzudiskutieren“ sei.
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Dr. Irene Pakuscher, Leiterin des Referats Urheber- und Verlagsrecht im Bundesministerium der Justiz,
legte in Vertretung der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries dar, wie die Bundesregierung mit den Urheberrechtsfragen umgeht. Dabei ginge es nicht nur um die „Frage des Zugangs zu Wissen, sondern auch um große wirtschaftliche Interessen“. Europa könne den „Anschluss an die digitale Verwertung von Wissen verlieren“, wenn europäische Werke nicht digitalisiert würden, andererseits dürften die Rechte der Autoren und Verleger nicht missachtet werden. Daher sei es begrüßenswert, dass Google Books eine breite öffentliche Diskussion über das Urheberrecht angestoßen habe, da dies im Zeitalter des Internets eine Schlüsselfrage sei: „Urheberrecht soll kein Relikt aus alter Zeit werden, sondern die Grundlage für weiteres kreatives Schaffen“. Es müssten seitens der Bundesregierung neue „Spielregeln für unsere Gesellschaft“ festgelegt werden, damit geistiges Eigentum zum einen respektiert, zum anderen aber auch Wissen der Allgemeinheit im Internet zur Verfügung gestellt werde. Die Frage nach der Zukunft des Wissens sei mithin kein „Nischenthema“ mehr, sondern die zentrale rechts- und gesellschaftspolitische Frage unserer Zeit.
» Gute Nachrichten aus New York für Autoren und Verleger
"Google tickt anders als andere Firmen"
In der ersten Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Andreas Poltermann, kamen Vertreter der Verlage zu Wort. Dr. Joerg Pfuhl, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Random House, sprach davon, dass ca. 10.000 Titel seiner Verlagesgruppe bereits von Google eingescannt wurden. Obwohl er es generell begrüßte, dass Bücher auch im Internet auffindbar seien, äußerte er sich enttäuscht über das Vorgehen von Google, das Fakten schaffe, ohne die Betroffenen einzubeziehen. Pfuhl bewertete das von den amerikanischen Verbänden erwirkte Settlement deshalb als den richtigen Weg in die Zukunft, denn ohne dieses „hätten wir gar nichts, keine Rechtsgrundlage. Wir würden am Ende mit ziemlich leeren Händen dastehen“. Die im Raum stehenden Vergütungssummen seien alles in allem „akzeptabel“. Aus diesem Grund plädiert er auch dafür, „offensiv mit diesem Medium umzugehen und Chancen zu sehen“.
Jan Meine vom in Leipzig ansässigen Meine Verlag berichtete von gemischten Erfahrungen mit Google: Die Hälfte seiner Autoren befürwortete das Partnerprogramm, wobei die bloße Auffindbarkeit der Bücher eine wesentlichere Rolle spiele als deren Abverkauf. Bei den Urhebern spiele vor allem die Sorge vor „copy and paste“ eine Rolle, also die Angst vor dem Verlust des geistigen Eigentums. Er lenkte den Blick auch auf die Diskussion über Open Access, die Bewegung in der Wissenschaftswelt, die darauf abzielt, dass wissenschaftliche Texte der Öffentlichkeit frei zur Verfügung gestellt werden. Vor allem junge Wissenschaftler stünden oft vor dem Problem, für die Publikation ihrer Forschungen keinen Verlag zu finden bzw. hohe Summen für eine Veröffentlichung entrichten zu müssen.
Stefan Keuchel, Pressesprecher von Google Deutschland, bekräftigte, dass Google nicht an exklusiven Rechten der gescannten Bücher interessiert sei. Zum Beweis führte er an, dass die Bibliotheken immer eine Kopie der Digitalisate bekämen. Er verwahrte sich gegen das Argument, dass Google in diesem Bereich eine Monopolstellung anstrebe und begrüßte „jede Initiative, die Wissen weltweit zugänglich machen will“. Bei einer Frage nach den Finanzierungsproblemen einer europäischen Online-Bibliothek und der beherrschenden Marktstellung Googles stellte Keuchel die Gegenfrage: „Was ist die Alternative? Sollen diese Werke nicht digitalisiert werden?“. In der Diskussion um öffentliche versus privatwirtschaftliche Interessen bekräftigte Keuchel, dass „Google anders als andere Firmen tickt. Nicht alles ist darauf hin ausgerichtet, Gewinne zu produzieren“. Kritische Nachfragen vom Podium oder aus dem Publikum beschwichtigte er mit den Worten, „Wir sind große Buchfans. Wir halten uns an Recht und Gesetz“. Für die Leser wiederum sei, so Pfuhl und Meine einhellig, Google Books generell eine positive Entwicklung. Trotz der bestehenden Kontroversen freuten sie sich auf eine Zusammenarbeit mit Google.
Schlampige Scans und findige Verwerter
Im zweiten Podium führten der Schriftsteller, Journalist und Blogger Peter Glaser, Wolfgang Schimmel, Sekretär im Fachbereich Medien bei ver.di, der Germanist Dr. Florian Cramer von der Willem de Kooning Academie sowie Jan Engelmann, Kulturreferent der Heinrich-Böll-Stiftung, eine rege Diskussion um die Konsequenzen für Autoren. Schließlich sind deren Interessen alles andere als einheitlich: Während belletristische und Sachbuchautoren auf eine Gratifikation für ihre Arbeit drängen, sind wissenschaftliche Urheber eher an Zitation interessiert – die weiche Währung „Aufmerksamkeit“ ersetzt hier die sorgsam ausgehandelten Tantiemen.
Die Diskussion begann mit der Frage, ob die geringe Popularität von Plattformen wie dem Gutenberg-Projekt oder Europeana vor dem Hintergrund von Googles Finanzmacht nicht absehbar gewesen wäre. Peter Glaser stellte fest, dass das Gutenberg-Projekt positiv für den Kulturbetrieb hätte sein können, doch liefe es spätestens jetzt Gefahr, marginalisiert zu werden. Glaser betonte, dass Googles Scans „ziemlich schlampig“ seien – es ginge dem Unternehmen offenkundig nicht um Qualität, sondern – „husch, husch“ – um Quantität. Auch ein anderer Punkt bereite ihm Bauchschmerzen. Das Geschäftsmodell von Google ziele darauf ab, „den weißen Rand“ von Texten zu besetzen. Ob und in welcher Form ein Autor sich in ein Werbeumfeld hineinbegebe, müsse jeder für sich selbst klären.
Florian Cramer gab zu bedenken, dass Google immerhin in ein wichtiges Betätigungsfeld vorgestoßen sei, bei dem die öffentliche Hand bislang komplett versagt habe. Die Europeana halte er für „einen Witz“, denn ungarische Kafka-Übersetzungen seien für den durchschnittlichen Internetnutzer „absolut unbrauchbar“. Glaser sekundierte mit der hübschen Pointe, dass ausgerechnet Kafkas testamentarische Verfügung, sein Werk zu verbrennen, nicht nur von seinem Freund Max Brod missachtet wurde. Auch Roland Reuß, Initiator des „Heidelberger Appells“, habe die nun gemeinfreien Rechte für eine neue, zweifelsohne verdienstvolle Kafka-Edition genutzt.
Fragen der Verfügbarkeit standen im Mittelpunkt der Diskussion – einen möglichst ungehinderten Zugang hielten denn auch sämtliche Beteiligte für wünschenswert. Wolfgang Schimmel, Mitglied der mit dem Google Settlement betrauten Arbeitsgruppe der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort), zeigte sich jedoch nicht zufrieden mit der jetzigen Regelung, dass Google auf Bücher zugreife, und dann abwarte, bis Verleger oder Autoren einen Widerspruch anmelden würden. Der Bearbeitungsaufwand sei enorm, weswegen Schimmel für einen „vernünftigen Umgang“ mit diesem Phänomen plädierte. Es müsse eine öffentliche Infrastruktur geschaffen werden, damit Autoren ihren Anspruch auf Vergütung nicht verlieren bzw. diesen einfacher wahrnehmen können. Wie er darlegte, verfolgt die VG Wort gegenwärtig eine Politik des Rückzugs („Removal“) deutscher Rechteinhaber aus der Google-Datenbank, um in einem zweiten Schritt gegenüber dem Unternehmen als zentrale Lizensierungsagentur für weltweite, nicht-exklusive Nutzungsrechte auftreten zu können. Ob diese Strategie Bestand haben wird, werden freilich die nächsten Wochen und Monate zeigen.
Die Runde spekulierte auch darüber, ob die Erfassung von Millionen von Digitalisaten nicht auch einen „radikalen Bruch unserer wesentlichen Kulturtechnik“ einleite. So erlaubten die digitalen Lesegeräte womöglich bald die Einbettung von Audio- und Filmdateien und damit „Ambient-Lektüren“. Gegenwärtig, so kritisierte Glaser, seien eBook-Reader „immer noch im steinzeitlichen technischen Zustand“. Doch mit der technologischen Evolution stünden den Lesern ganz neue Genres und Kulturformen, „multimediale Ereignisse“, bevor. Dafür aber müssten technische Hürden wie z.B. Digital Rights Management beseitigt werden. Es sei ein „kultureller Rückschritt, wenn ich Bücher nicht mehr einfach an einen Freund verleihen kann“.
Zurück in die Steinzeit?
In der abschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Matthias Spielkamp, beschäftigen die mutmaßlichen Interessen der Leser die Diskutanten. Prof. Gabriele Beger, Leiterin der Staatsbibliothek Hamburg und Vorsitzende des deutschen Bibliotheksverbandes, sprach sich für den konsequenten „Umstieg auf das Digitale“ aus. Die Wissenssuche, vor allem auch in Bibliotheken, könne nicht in die „Steinzeit“ rückverlegt werden. Bereits heute übersteige in ihrem Haus die Zahl der registrierten Online-Nutzer jene der tatsächlichen Besuche vor Ort um das Neunfache. „Es geht nicht darum, Google zu stoppen, sondern rechtliche Rahmenbedingungen in Europa zu schaffen, die das Grundanliegen des freien Wissensaustauschs verwirklichen.“ Dabei komme es vor allem darauf an, mit Google günstige Bedingungen für die Bibliotheken zu verhandeln und z.B. die Weiternutzung der Digitalisate auch für den Fall sicherzustellen, dass es das Unternehmen eines Tages nicht mehr geben sollte.
Zuversichtlich zeigte sich auch Arnd Haller, Leiter der Rechtsabteilung von Google Deutschland: Die Kritik gegenüber dem intransparenten Vorgehen nehme man sich zu Herzen. Stolz verwies er darauf, dass die Bayerische Staatsbibliothek, ein offizieller Partner von Google, sich mit der Digitalisierungstechnik ihrer gemeinfreien Bestände sehr zufrieden zeige, weshalb einer Zusammenarbeit mit anderen Bibliotheken nichts im Wege stünde. Und er räumte mit einer Vermutung auf, die durch die Geheimhaltung der Verträge immer wieder geäußert wurde: Geld verdiene Google bei der Digitalisierung gemeinfreier ohnehin Werke nicht.
Dr. Christoph Bruch, Mitglied der Steuerungsgruppe im Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“, machte sich für ein bildungsfreundliches Urheberrecht stark, da Wissenschaftler vielerorts gerne ihre Werke möglichst zeitnah online veröffentlicht sehen. Google müsse deswegen „rechtlich in die Lage versetzt werden, wissenschaftliche Bücher durch eine Creative-Commons-Lizenz zu veröffentlichen“. Bei vielen Veröffentlichungen von vor 1995 lägen die Rechte für eine elektronische Veröffentlichung meist noch bei den Autoren. Deshalb sollten die organisatorischen Voraussetzungen – etwa in Form einer neuartigen VD Wissenschaft – dafür geschaffen werden, dass Autoren eine entsprechende Willenserklärung abgeben können.
Über weitergehende technische Möglichkeiten informierte Andreas Steinhauser, Technikchef des Berliner Start-ups Wizpac. Digitale Lesegeräte seien „ohne digitalen Content nichts wert“. Deshalb plädierte er dafür, die vorhandenen Wissensschätze nicht in Bibliotheken „verstauben“ zu lassen. Sein unternehmerischer Pragmatismus sprach wohl der Wissenschaftsseite ein wenig aus dem Herzen: Wenn der Staat die Digitalisierung nicht leisten könne oder wolle, sei eben ein privater First Mover wie Google am Zug. Künftig käme vor allem darauf an, Zugänge zu Netzinhalten so zu gestalten, dass die technischen Voraussetzungen dafür möglichst frei verfügbar seien.
Im Dschungel der Urheberrechte
Würde unser fiktiver Autor im Dschungel von „Wissen 2.0“, digitalen Verwertungsmodellen und inkompatiblen Copyright- und Urheberregimes nun klarer sehen? Würde er vielleicht die Lust am Schreiben im digitalen Zeitalter wiedergewinnen? Auf eBook-Readern neue Werke veröffentlichen? Wir wissen es nicht. Vielleicht hätte er sich nach dem Besuch dieser Tagung noch verunsicherter gefühlt als vorher. Doch eines hätte ihm wohl eingeleuchtet: Es bedarf schon eines möglichst vorurteilsfreien Blicks, um die Folgewirkungen von neuartigen Geschäftsmodellen im Netz überhaupt richtig einordnen und beurteilen zu können. Über das Google Settlement wird ein Richter namens Denny Chin befinden, dem man ein großes Fingerspitzengefühl bei der Einarbeitung der Einsprüche wünscht. Demgegenüber ist die deutsche Politik bei der Entwicklung eines „dritten Korbs“ der Urheberechtsgesetzgebung aufgefordert, den mitunter schwierigen Spagat zwischen Gemeinwohlinteressen und wirtschaftlichen Interessen genügend kenntlich zu machen – und auszuhalten.
Markus Berger ist Praktikant in der Abteilung Inland der Heinrich-Böll-Stiftung.
Google Books und die Zukunft des Wissens
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