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Uruguays Stichwahl: Sieg an der breiten Front

Das Regierungsbündnis Frente Amplio - "FA" - klarer Gewinner der Stichwahl vom 29. November 2009
Foto: Polifemus (Gonzalo Viera Azpiroz) Dieses Foto steht unter einer Creative-Commons-Lizenz.

1. Dezember 2009
Von Michael Álvarez

Von Michael Álvarez

Das linksliberale Regierungsbündnis Frente Amplio (span. breite Front) siegte bei den Stichwahlen am vergangenen Sonntag mit ihrem Präsidentschaftskandidaten José „Pepe“ Mujica mit 52,6% der Stimmen vor dem konservativen Luis Lacalle von der Partido Nacional, der nur 43,3% erzielte.

Klares Stichwahlergebnis

Mit diesem überraschend klaren Erfolg übertraf der ehemalige Tupamaro-Guerillero Mujica das - allerdings bereits im ersten Wahlgang erzielte - Ergebnis seines Amtsvorgängers Tabaré Vázquez von 2004 um rund 2%. Nach dem ersten Wahlgang am 25. Oktober 2009 hatte sich im Regierungslager angesichts der bevorstehenden Stichwahl und einer unklaren Entwicklung der Umfragewerte Nervosität breitgemacht. Es waren auch Stimmen laut geworden, die den verfehlten Wahlsieg im ersten Gang auf die mangelnde Unterstützung des Kandidaten Mujica durch seinen Amtsvorgänger Tabaré Vázquez zurückführten. Noch am Abend des ersten Wahlganges hatte der Kandidat auf das Vizepräsidentenamt, Danilo Astori, einen Wechsel der Wahlkampfstrategie bekanntgegeben: Das Profil der Frente Amplio als einziger Partei mit einem langfristigen, auf 20 bis 30 Jahre angelegten politischen Reformprojekt sollte geschärft werden. Und es sollte herausgearbeitet werden, wie bedeutend die Kontinuität einer partizipativen, transparenten und nicht korrupten Regierung für eine erfolgreiche Demokratie sei.

Regenfälle und Überschwemmungen stellten Wahltermin in Frage

Tabaré Vázquez wiederum hatte sich in den letzten Wochen vor dem zweiten Wahlgang nun häufiger mit seinem gestern Abend bestätigten Nachfolger Mujica sehen lassen – offensichtlich mit einem gewissen Erfolg. Allerdings sorgten in den letzten Tagen heftige Regenfälle und Überschwemmungen für zusätzliche Unruhe, die eine Evakuierung von mehreren Tausend Personen vor allem in den nördlichen Landesteilen zur Folge hatten. Noch am Freitag und Samstag waren Forderungen zu hören, den zweiten Wahlgang zu verschieben, falls den Evakuierten keine ordnungsgemäße Stimmabgabe garantiert werden könne.

Doch wahlentscheidend wird am Ende vor allem die mangelnde Anziehungskraft des Gegenkandidaten Lacalle gewesen sein, den viele Uruguayer_innen immer noch mit einer Reihe von Korruptionsfällen im Rahmen der Privatisierungskampagnen seiner Präsidentschaft in den Neunzigern in Verbindung bringen.

Botschaft der Versöhnung

Direkt nach Bekanntgabe der ersten, recht klaren Prognosen bemühte sich der frisch gewählte Präsident Mujica im strömenden Regen vor Tausenden von Anhängerinnen und Anhängern im Zentrum Montevideos in den ersten Sätzen seiner Ansprache um eine Botschaft der Versöhnung zwischen beiden Lagern: Es gebe „weder Sieger noch Besiegte“, man habe nur eine neue Regierung gewählt, die nicht im alleinigen Besitz der Wahrheit sei und alle Bürger_innen des Landes repräsentieren wolle. Ebenso sprach er den Oppositionsparteien seine Anerkennung aus.

Deren Kandidat Lacalle hatte bald nach Bekanntgabe der Prognosen seine Niederlage öffentlich eingestanden. Auch wenn eine Beteiligung am Kabinett ausgeschlossen wurde, signalisierten er und sein Lager ihre Bereitschaft, Repräsentanten in die verschiedenen Regierungsbehörden und -institutionen zu entsenden, um eine „ernsthafte und erfolgreiche Oppositionsarbeit“ leisten zu können.

Gedankenspiele um dritte Amtsperiode für Frente Amplio

Mit dem Ergebnis hat sich das Regierungsbündnis Frente Amplio nun endgültig als stärkste politische Kraft des Landes etabliert – soweit, dass bereits gestern Abend im Wahlkampfhauptquartier erste Gedankenspiele um eine dritte Amtsperiode der Frente Amplio ab 2014 kursierten – dann wieder mit Tabaré Vázquez als Kandidaten, der immerhin mit Höchstwerten von 71% Zustimmung aus dem Amt scheidet. Doch fünf Jahre sind gutes Stück Weg in Zeiten von Wirtschafts- und Klimakrise, und die neue alte Regierung hat bis dahin auch angesichts ihrer Wahlversprechen noch eine ordentliche Agenda abzuarbeiten.

Michael Álvarez ist Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung für das Cono Sur in Chile.