Wider die Gewalt gegen Frauen
Im internationalen Vergleich steht das Land damit relativ gut da. Und doch sorgt es immer wieder für negative Schlagzeilen. Wenn es um die Zahl der Vergewaltigungen geht, liegt Südafrika mit an der Weltspitze. Die von der südafrikanischen Polizei ausgewiesene Zahl von mehr als 52.000 Fällen pro Jahr ist nur der amtlich erfasste Teil. Zahlreiche Studien haben das in erschreckendem Detail belegt. Auch Jungen werden Opfer sexueller Gewalt. So ergab 2008 eine Befragung an 1.200 Schulen, dass 40 Prozent der Schüler unter 18 Jahren vergewaltigt worden waren – oft genug vom Lehrer, von einem Mitschüler oder einem Familienmitglied. Die progressive Verfassung und die revolutionäre Rhetorik der Übergangszeit haben lange darüber hinweg getäuscht, dass die südafrikanische Bevölkerung in Gender-Fragen ziemlich konservativ ist. Viele Männer beharren aggressiv auf traditionellen Vorstellungen, weil sie sich als Verlierer der neuen Ordnung sehen. Frauen würden für manche Positionen bevorzugt eingestellt, während sie arbeitslos seien. Nicht einmal Herr im Haus seien sie mehr, da der Staat sich an allen Ecken und Enden in ihr Privatleben einmische: sie sollen sich an der Hausarbeit beteiligen, dürfen ihre Frauen nicht länger schlagen, werden wegen sexueller Belästigung angezeigt. Schutz müssen in Südafrika auch heterosexuelle Frauen
suchen. Das NISAA Institute for Women’s Development, einer der ältesten Partner der Heinrich-Böll-Stiftung, betreibt seit 1994 ein solches Frauenhaus. 2008 hat NISAA zum zweiten Mal eine nationale Konferenz über Frauenhäuser organisiert, bei der immerhin von 67 derartigen Einrichtungen berichtet wurde. NISAA hat seit seiner Gründung 50.000 Frauen ambulant getröstet und beraten. NISAA hat zudem immer wieder Kampagnen gestartet, die durch besonders gut gestaltete Plakate bestachen. Die bisher letzte Kampagne « Consent is sexy » mit attraktiven Plakaten an afrikanischen Sammeltaxis wurde von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt. Die Aktion hat Debatten unter den Fahrgästen stimuliert, eine Befragung dazu an den Taxiständen hat aber erneut ergeben, wie tief geschlechtsgebundene Stereotypen und Gewalt gegen Frauen in der südafrikanischen Gesellschaft verankert sind.
Gewalt gegen Migrantinnen
Neben langfristig angelegten Partnerschaften muss eine politische Stiftung auch kurzfristig reagieren können. Nachdem im Mai 2008 Bilder von brutalen Angriffen auf in Südafrika lebende Migranten aus afrikanischen Staaten um die Welt gingen, hat die Heinrich-Böll-Stiftung in ihrem in Kapstadt erscheinenden Newsletter «Perspectives» einen Beitrag veröffentlicht, der sich speziell mit Gewalt gegen Migrantinnen beschäftigt. Romi Fuller, die Autorin, konstatiert nüchtern, dass Gewalt in Südafrika die Norm sei: «Gewalt gegen Migranten/Flüchtlinge und Gewalt gegen Frauen sind zwei Arten von Gewalt, die die allgemeine Öffentlichkeit und der Rest der Welt mit Entsetzen sehen, die aber für den Umgang der südafrikanischen Gesellschaft mit Minderheiten und gefährdeten Gruppen ganz normal ist.» Jetzt untersucht ein Forschungsvorhaben am renommierten Johannesburger «Centre for the Study of Violence and Reconciliation» (CSVR ) die Übergriffe gegen weibliche Migranten und Flüchtlinge näher. Dass die ausländerfeindliche Gewalt eine geschlechtsspezifische Dimension hat, ist offensichtlich. Die südafrikanischen Männer beschuldigen die (oft besser ausgebildeten) Migranten und Flüchtlinge, ihre «Frauen zu rauben» und die Migrantinnen werden beschuldigt, «Ehemänner zu stehlen». Die ersten Forschungsergebnisse zeigen, dass einige Behördenvertreter die Situation der Frauen ausnutzen und zum Beispiel für Papiere und Hilfen sexuelle Dienstleistungen verlangen.
Ungewisse Zukunft der einstmals aktiven Frauenbewegung
Als Stiftung einer politischen Partei zielt die Arbeit der Heinrich-Böll-Stiftung auf politische Interventionen und Dialoge. Durch die langjährige Arbeit mit verschiedenen Partnerorganisationen im Land wissen wir sehr gut, dass die Erfolge in politischer Präsenz von Frauen und die neuen Gesetze das Land nicht wirklich zugunsten von Frauen und LGBT-Gemeinschaften verändert haben. Der Aufbau der sogenannten «Gender-Maschinerie» hat vielen engagierten Frauen zu Positionen in Politik, Verwaltung und Wissenschaft verholfen, damit aber auch die einstmals so aktive Frauenbewegung geschwächt. Viele sind damit in Loyalitäten (zum Beispiel einer Partei) eingebunden worden oder haben andere Interessen entwickelt. Und viele Wählerinnen hatten ihre Hoffnungen auf die inzwischen mit Zwei-Drittel-Mehrheit regierenden ANC gesetzt und verabschieden sich erst nach und nach von ihrer einstigen Befreiungsbewegung. Dass im Dezember 2007 mit Jacob Zuma ein Mann zum Parteichef und im April 2009 zum Präsidenten gewählt wurde, dessen patriarchalische Ansichten und Praxis, dessen aggressive Äußerungen gegenüber Schwulen und dessen abenteuerliche öffentliche Behauptung, durch Duschen HIV/Aids vorbeugen zu können, nur befremden, hat viele Frauenrechtlerinnen und Feministinnen schockiert. Und dass die Frauenliga des ANC sich im parteiinternen Machtkampf auf die Seite Zumas geschlagen hat, hat ebenfalls viele Frauen verstört.