1986 war es Dennis O‘Rourke, der für seinen Dokumentarfilm „Half Life“, er thematisiert die Auswirkungen der Atombombentests auf den pazifischen Marshall-Inseln, in der heute nicht mehr existierenden Filmbühne am Steinplatz den ersten Friedensfilmpreis überreicht bekam – eine Urkunde, kein Preisgeld, ein Publikum von 60 Zuhörern.
Ermutigen und zum Nachdenken anregen
24 Jahre später, 2009, ist die Akademie der Künste bis auf den letzten Platz und manche Treppenstufe gefüllt: Etwa 600 Menschen erleben, wie der Schauspieler Ben Foster, der Produzent Lawrence Inglee und der Executive Producer Steffen Aumüler die Friedensfilmpreis-Skulptur und das Preisgeld in Höhe von 5000 Euro für ihren Film „The Messenger“ entgegen nehmen. Ben Foster verliest die Dankes-SMS von Regisseur Oren Moverman direkt vom Handy-Display: „If we can be a part of a dialogue about war, which concludes in the idea of peace, then we have made something worth glancing at, and we are happy. Very happy.“
„The Messenger“ zeigt die Folgen von Krieg, ohne dass eine einzige Kampfhandlung zu sehen ist. Oren Movermans Film macht nachdenklich. Genaus das zu erreichen, sei, so Regisseur und Friedensfilmpreisträger Andres Veiel, die Aufgabe des Preises: „Die Jurys des Friedensfilmpreises haben der naiven Ausrichtung auf eine Friedensbotschaft immer misstraut und haben Filme ausgezeichnet, die sich einfachen Lösungen widersetzen. Deshalb sind viele der ausgezeichneten Filme eine Zumutung. Weil sie uns als Zuschauer irritieren und verunsichern – und damit ermutigen, selbst zu sehen und zu denken.“
Und nicht nur das Publikum soll ermutigt werden. Für die Filmemacher ist der Friedensfilmpreis mehr als eine weitere Plastik im Regal. Für Daniel Diaz Torres, der den Friedensfilmpreis für seinen Film „Alicia en el Pueblo de Maravillas – Alicia im Land der Wunder“ 1991 verliehen bekam, war der Preis eine wichtige Hilfe, seinen Film in Kuba zeigen zu können: Das Castro-Regime hatte ihn zunächst verboten. Die Hauptdarsteller von Yesim Ustaoglus Film „Reise zur Sonne“ wurden bei ihrer Rückkehr in die Türkei festgenommen. Kurz zuvor hatte die Regisseurin vom damaligen Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, den Friedensfilmpreis 1999 überreicht bekommen. Auswärtiges Amt, die Heinrich-Böll-Stiftung und der Friedensfilmpreis setzten sich für die sofortige Freilassung der Schauspieler ein.
Verbotene Aufführungen, demolierte Kinos
Vinko Bresans „Die Zeugen“ (2004), Jasmila Zbanics „Esmas Geheimnis“ (2006), Hana Makhmalbafs „Buddha zerfiel vor Scham“ (2008) – auch die jüngeren Preisträgerfilme haben an gesellschaftlicher Kraft und Brisanz nicht nachgelassen. Die Aufführung von „Die Zeugen“ wurde von der Bürgermeisterin Dubrovniks verboten, der Film sorgte in Kroatien für landesweite Debatten. Bei den ersten Aufführungen von „Esmas Geheimnis“ in Bosnien-Herzegowina wurden Kinos demoliert; doch durch den Film wurde eine breite gesellschaftliche Diskussion um die im Krieg systematisch vergewaltigten Frauen in Gang gesetzt.
Die Preisträgerfilme sollen etwas anstoßen, den Zuschauer berühren und ihn im besten Fall verändert aus dem Kinosaal entlassen. Sie sollen in Frage stellen und Diskussionen provozieren. Robert Thalheim, Regisseur und Laudator des Friedensfilmpreises 2009: „Frieden erreicht man ja nicht, indem alle nur nett zueinander sind, sondern indem man über Kultur auch streitet und diskutiert.“
Auch in der in diesem Jahr 10-köpfigen Jury des Friedensfilmpreises wird um Filme heftig gerungen, werden Argumente ausgetauscht und neue Überzeugungen gewonnen werden. Gestützt wird die Arbeit der Initiative Friedensfilmpreis seit zwanzig Jahren durch die Schirmherrin des Preises, die „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)“, die 1985 den Friedensnobelpreis verliehen bekamen. Der zweite wichtige Partner ist die Heinrich-Böll-Stiftung, die das Preisgeld zur Verfügung und die Finanzierung der Verleihungsveranstaltung sicher stellt.
Königsweg des modernen Kinos
In diesem Jahr wird der 25. Preisträgerfilm erkoren. Die Ansprüche an die Jury, die als einzige auf der Berlinale alle Sektionen vom Wettbewerb bis zum Kinderfilm sichten muss, sind hoch. Denn schon zum zwanzigsten Geburtstag des Preises sagte Ulrich Gregor, langjähriger Leiter des Internationalen Forums des Jungen Films: „Die Liste der mit dem Friedensfilmpreis ausgezeichneten Filme ist so etwas wie der Königsweg des modernen Kinos – jenes Kinos, das sich nicht dem Kommerz oder der Unterhaltung, sondern einer moralischen, gesellschaftlichen Aufgabe verpflichtet fühlt und für diese Aufgabe seine Mittel einsetzt.“ Und Dieter Kosslick fügte hinzu: „Ich weiß, dass wir vor allem für unsere Kinder für den Frieden arbeiten müssen, damit sie in Harmonie und Frieden aufwachsen und die Sehnsucht nach einer besseren Welt verinnerlichen können.“
Der 25. Friedensfilmpreis wird feierlich am Sonntag, den 21. Februar 2010, um 17 Uhr in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10 in Berlin-Tiergarten, verliehen. Sie sind herzlich eingeladen, sich vom Preisträger 2010 ein eigenes Bild zu machen – und sich zum Nachdenken verleiten zu lassen. Die Friedensfilmpreis-Gründerin Marianne Wündrich-Brosien fast den 25-jährigen Weg des Preises so zusammen: „Wissend, dass Frieden nicht vom Himmel fällt, dass wir ihn selber machen und erhalten müssen, werden wir ihn beharrlich mit Energie und Engagement weitergehen.“
In diesem Sinne: Vorhang auf, die Berlinale startet – die Suche nach dem Friedensfilmpreis 2010 beginnt.
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