Es hat schon satirische Züge. Während die USA weltweit für schwache Klimaziele in der Kritik stehen, muss Al Gore zu Hause seine Investitionen in erneuerbare Energien verteidigen. Republikanische Kritiker werfen dem Friedensnobelpreisträger vor, sein klimapolitisches Engagement diene in erster Linie der Steigerung seines Privatvermögens. Schließlich hätte der ehemalige Vizepräsident als Finanzier emissionsarmer Technologien nach der Verabschiedung eines neuen Energie- und Klimagesetzes beste Möglichkeiten, als erster grüner Milliardär in die Wirtschaftsgeschichte einzugehen.
Fakt ist: Seit Jahren engagiert sich Gore nicht nur politisch für eine Energiewende, sondern setzt zunehmend auch auf private Investitionen. Während Gore in der Öffentlichkeit vor allem als Gründer der Alliance for Climate Protection und erneut als erfolgreicher Buchautor wahrgenommen wird ("Our Choice. A Plan to Solve the Climate Crisis"), berät er mittlerweile marktführende Unternehmen wie Apple und Google in ihrer Unternehmensstrategie. Als Miteigentümer der etablierten Risikokapitalgesellschaft Kleiner Perkins Caufield & Byers (KPCB) steht er für die Finanzierung junger grüner Technologieunternehmen. Massive Investitionen sollen diesen die notwendige Sicherheit und Marktreife ermöglichen. Die Verabschiedung des zurzeit im Senat verhandelten "Clean Energy Jobs and American Power Act" würde den amerikanischen Markt ab 2012 zum größten Emissionshandelssystem der Welt machen. Der dadurch entstehende Preis für CO2-Emissionen soll Milliarden Investitionen hin zu neuen emissionsarmen Technologien und erneuerbaren Energien lenken. Der Klimaaktivist Gore scheint auf die richtige Strategie zu setzen: die Durchsetzungskraft der amerikanischen Wirtschaft.
Die Gegner des Risikokapitalgebers Gore kommen mit ihrer Kritik eigentlich zu spät, denn inzwischen setzen US-Wirtschaftsgrößen auf grünen Strukturwandel. George Soros, Philantroph und ehemaliger Finanzmakler, beabsichtigt eine Milliarde seines Vermögens in erneuerbare Energien und die Gründung einer neuen Klimastiftung zu investieren. US-Milliardär Warren Buffett fährt mit seinem 10-prozentigen Anteil beim chinesischen Batterie- und Autohersteller BYD 2009 einen Gewinn von 1,6 Milliarden Dollar ein. Während BYDs Elektroautos nicht vor 2010 auf den amerikanischen Markt kommen, sagt Buffett der Kombination aus elektrischem Antrieb und erneuerbaren Energien ein steiles Wachstum voraus. BYD hätte beste Chancen, zum größten Autohersteller der Welt zu werden – eine Einschätzung, die auch die großen amerikanischen Hersteller Chrysler und General Motors nicht unbeeindruckt lässt. Beide arbeiten mit Nachdruck an der Serienreife ihrer Elektro- und Hybrid-Modelle.
Software-Riese Intel erwägt indes millionenschwere Investitionen in neue Informationstechnologie zur Voraussage von Windstärken und zur verlässlichen Nutzung von Windstrom in Elektroautos. US-weit stiegen im dritten Quartal 2009 private Investitionen in emissionsarme Technologien von Batterien bis hin zu intelligenten Stromnetzen um 46 Prozent. "Going Green" – ist der neue Slogan amerikanischer Unternehmen. Für einige bedeutet das nicht mehr als medienwirksame Imagepolitur, für andere eine lukrative Anlage für Risikokapital, für die meisten jedoch längst schon ein solides Marktkonzept für die Zukunft.
Weitere Veränderungen kündigen sich erst langsam an, denn noch sind viele aufsteigende Firmen unbekannt. Am 17. November 2009 wurden in San Francisco zum vierten Mal die Sieger der sogenannten Cleantech Open geehrt, 277 Firmen nahmen am Wettbewerb teil. Von den Medien relativ unbemerkt will das Forum innovative Unternehmensgründer ausfindig machen und fördern. Die Veranstalter sind überzeugt: Mithilfe von technischen und finanziellen Vordenkern werden die USA die Wirtschafts- und Klimakrise meistern. Sie setzen dabei ganz auf das Erfolgsrezept ihrer heutigen Sponsoren und ehemaliger Tüftler wie Google. Der kalifornische Internet-Riese rühmt sich mittlerweile nicht nur seiner weltweiten Marktpräsenz, sondern auch seines Energiekonzepts. Das Unternehmen hat seinen Verbrauch um 50 Prozent reduziert und investiert zudem Millionen in kleine und mittelständische Hoffnungsträger wie eSolar und BrightSource Energy. Investitionen wie diese werden den Sieger 2009 beim Cleantech Open ökonomisch voranbringen. Der siegreiche Neuling heißt EcoFactor, kommt ebenfalls aus dem Silicon Valley und hat ein Programm entwickelt, mit welchem intelligente Stromnetze die Heizung und Kühlung in Privathaushalten steuern sollen. Das Potenzial ist groß: Ein Drittel aller US-Emissionen könnte durch effizientere Energienutzung eingespart werden.
Bei diesen verheißungsvollen Anlagemöglichkeiten könnten Al Gores Kritiker bald einknicken. Dem Klimaaktivisten Gore mögen sie noch widersprechen, dem Risikokapitalgeber Gore stimmen sie bereits zu. Vielleicht ist ihre schrille Kritik nichts weiter als ein letzter Versuch, über eine längst gewonnene Erkenntnis hinwegzutäuschen: Investitionen in emissionsarme Technologien können nicht nur dem Klima, sondern auch der amerikanischen Wirtschaft aus der Krise helfen.
Till Kötter ist seit 2008 Projektkoordinator der Transatlantic Climate Group im Washingtoner Büro der Heinrich-Böll-Stiftung.
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