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Die ökologische Transformation ist bezahlbar

Foto: Joachim S. Müller - lizensiert unter Creative Commons.

5. Mai 2010
Von Hannes Koch
Es ist eine Gespensterdebatte. Politiker von Union und FDP, Lobbyisten der Energiekonzerne und auch manche Medien behaupten, die Erneuerbaren Energien würden Milliarden Euro verschlingen, ohne dass dies einen entsprechenden Nutzen habe. Die Förderung der Öko-Energien diene dazu, die Konten von Windkraftbetreibern und Solarproduzenten zu füllen, den Bürgern und Verbrauchern aber würde sie eher schaden. Mit dem Argument der „Überförderung“ begründet die schwarz-gelbe Regierung, dass sie die Einspeisevergütung für Solarstrom kürzen will.

Nun kann man sich mit einem gewissen Recht darüber streiten, ob die Förderung gerade der Solarenergie gegenwärtig zu großzügig ausfallen mag. Das grundsätzliche Argument der volkswirtschaftlichen Bedenklichkeit der Ökoenergien, das die Kritiker der Überförderung gerne nebenbei transportieren, allerdings entbehrt jeglicher Grundlage. Nach allem, was wir heute wissen, dürfte das Gegenteil zutreffen.


Kapital für die Energiewende fließt


Ein wesentlicher Teil der großen Transformation, die Ökologisierung des Energiesystems, ist erstens finanzierbar und bringt zweitens schnell erhebliche ökonomische Vorteile. Wer die Produktion und Verwendung von Energie heute nachhaltig gestaltet, muss selbstverständlich investieren, vermeidet aber gleichzeitig auch enorme Kosten. Und künftig werden die wirtschaftlichen Vorteile eines umweltfreundlichen Energiesystems die ökonomischen Nachteile bei weitem übersteigen. Auf den ökologischen Pfad zu verzichten, wäre deshalb extrem kurzsichtig.

Eine weitere gute Nachricht lautet: Das Kapital für die Energiewende ist in Deutschland und anderen entwickelten Staaten nicht nur vorhanden, sondern es fließt. Wir leisten uns den Umbau des Energiesystems, und wir werden ihn uns auch in Zukunft ohne große Probleme leisten können. Aus staatlichen und privaten Quellen – darunter Investitionsförderung, Einspeisevergütung auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und Aktienkapital - kommt ausreichend Geld zusammen, um diesen zentralen Teil der Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu bewältigen.

Im globalen Maßstab ist die Lage allerdings komplizierter. Um die weltweite Energiewende zu einem klimafreundlichen System zu schaffen, fehlen heute zentrale Voraussetzungen. Weder konnten sich die Staaten bis zur Klimakonferenz in Kopenhagen auf gemeinsame, verbindliche Ziele für die Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes ab 2012 einigen, noch existieren die Finanzierungsinstrumente.  

Wie andere Industriestaaten ist Deutschland in dieser Hinsicht schon etwas weiter. Gutachten im Auftrag des Bundesumweltministeriums belegen die grundsätzlichen ökonomischen Vorteile der Ökoenergien. Unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung schreiben: „Ein grober Überschlag über die Systemkosten für Erneuerbare Energien insgesamt zeigt, dass 2007 den Kosten in Höhe von 5,6 Milliarden Euro ein Nutzen von ca. 7,7 Milliarden Euro gegenübersteht, wobei dieser Nutzen sich alleine auf die vermiedenen Emissionen stützt.“ (1) Für 2008 sieht die Berechnung ähnlich aus.


Weltmarktpreise für fossile Energieträger steigen


Und in Zukunft dürfte sich das Bild weiter positiv entwickeln. In ihrem „Leitszenario 2009“ im Auftrag des Umweltministeriums schreiben die Wissenschaftler Joachim Nitsch und Bernd Wenzel: „In der Periode 2021-2030 ersparen die weiter wachsenden Erneuerbaren Energien der Volkswirtschaft bereits 42 Milliarden Euro, die andernfalls zusätzlich für den Mehrbedarf an fossilen Energien aufgewandt werden müssten.“ (2) Im folgenden Jahrzehnt 2031 bis 2040 werde der Vorteil auf schätzungsweise 270 Milliarden Euro zunehmen. Die positive Differenz kommt unter anderem dadurch zustande, dass die Weltmarktpreise für fossile Energieträger wie Öl und Gas infolge zunehmender Knappheit steigen, während die Herstellungskosten für regenerative Energie sinken. Dem Leitszenario liegt die Vision zugrunde, die deutschen Emissionen von Kohlendioxid bis 2050 gegenüber 1990 auf 20 Prozent zu verringern und damit einen angemessenen Beitrag zur Einhaltung des weltweiten 2-Grad-Zieles zu leisten.     

Um diesen Effekt möglich zu machen, werden laut Leitszenario gegenwärtig rund 15 Milliarden Euro pro Jahr in den Umbau des deutschen Energiesystems investiert. Das macht etwa 0,6 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes aus. Bis 2050 soll der Investitionsbetrag auf gut 20 Milliarden Euro pro Jahr steigen, wodurch allerdings – im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum - der Anteil am Bruttoinlandsprodukt sinken würde. Für die EU kommen Untersuchungen im Auftrag der Europäischen Klima Stiftung zu vergleichbaren Ergebnissen. Der „Roadmap 2050“ zufolge kann Europa die Transformation zu einem nachhaltigen und klimafreundlichen Energiesystem schaffen, wenn die Gemeinschaft jährlich „weniger als ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts“ aufwendet. (3)

Beträge von 15 oder 20 Milliarden Euro für Deutschland klingen scheinen gewaltig. In Rechnung stellen muss man allerdings, dass es sich hierbei nicht um Kosten handelt, sondern um Investitionen, die einerseits Ausgaben vermeiden (Umweltschäden, Rohstoffe) und andererseits  Einnahmen generieren. Zu nennen sind hier unter anderem Arbeitsplätze und Exporterlöse.

Angesichts des zu erwartenden Nutzens, funktioniert es heute ohne Probleme, derartige Investitionen aufzubringen. Und es spricht nichts dafür, dass sich das in Zukunft ändern könnte.


Die Rolle der Staaten


Nur ein kleiner Teil des Kapitals stammt direkt aus staatlichen Töpfen. In Deutschland gehört dazu augenblicklich das Marktanreizprogramm, mit dem die Bundesregierung jährlich bis zu 500 Millionen Euro für ökologische Wärmeerzeugung zur Verfügung stellt. Hinzu kommen etwa 300 Millionen Euro für Forschungsförderung. Indirekt würden aber rund 40 Prozent der Investitionen durch staatliche Maßnahmen und Gesetze generiert, sagt Joachim Nitsch, Wissenschaftler beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Hierzu zählen Vergütungen für Investitionen im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die Bernd Wenzel vom Ingenieurbüro für Neue Energien auf rund zwei Milliarden Euro jährlich für die in 2010 neu in Betrieb genommenen Anlagen schätzt. Weiter zu Buche schlagen etwa Steuererleichterungen für Biokraftstoffe und günstige Kreditzinsen der öffentlichen KfW-Bankengruppe.

Infolge des Spardrucks auf die öffentlichen Haushalte könnte die Rolle des Staates bei der Förderung der Öko-Energien künftig abnehmen. Andererseits kommen auch neue öffentliche Geldquellen hinzu. So rechnet man bei der Deutschen Emissionshandelsstelle des Umweltbundesamtes damit, dass Deutschland ab 2013 pro Jahr rund sechs Milliarden Euro durch den Verkauf von Emissionszertifikaten einnehmen könnte. Und das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat im Auftrag der Heinrich Böll Stiftung unlängst ein Konzept für eine Ökosteuer-Reform vorgelegt, das kurzfristig 16 Milliarden Euro erbringen könnte.

Rund 60 Prozent der Öko-Energie-Investitionen stammen heute aus originär privaten Quellen, wobei ein Anreiz durch staatliche Maßnahmen und Gesetze nicht auszuschließen ist. Dieser Anteil wird künftig steigen. Wenn die Erneuerbaren Energien konkurrenzfähiger gegenüber den fossilen Trägern werden, bauen private Investoren beispielsweise mehr Wind- und Solarparks. Die Herkunft dieses Geldes anhand von Kriterien wie Eigenkapital von Unternehmen, Kreditfinanzierung durch Banken oder Fondsinvestitionen mittels privaten Rentenkapitals zu unterscheiden, ist mit konkreten Zahlen kaum möglich. Klar ist freilich, dass der Anteil der Frühphasenfinanzierung (Venture Capital) vergleichsweise gering ist. Andrew Murphy von der Bonner Investmentgesellschaft Murphy&Spitz schätzt ihn auf lediglich 100 bis 200 Millionen Euro in Deutschland.

Gerhard Schick, grüner Finanzexperte im Bundestag, zieht aus dieser Lage den Schluss, dass "bei der Finanzierung von Standardlösungen kein Mangel herrscht". Engpässe gäbe es freilich, wenn junge, innovative Firmen Startkapital bräuchten, um unorthodoxe Wege zu beschreiten. Dabei könnten regionale öffentliche Fonds helfen, so Schick, die man zu diesem Zweck gründen oder ausbauen müsse.


Woher soll das Geld für die Transformation kommen?


Diese nationalen Schwierigkeiten allerdings nehmen sich unbedeutend aus im Vergleich zur internationalen Lage. Die Aussagen darüber, welche Anstrengung die Transformation des  globalen Energiesystems kosten wird, weichen stark voneinander ab. Innerhalb der Vereinten Nationen reichen die Schätzungen über die erforderlichen zusätzlichen Investitionen von 70 bis zu 500 Milliarden Dollar pro Jahr, sagt Wolfgang Sterk vom Wuppertal Institut. Gemessen an der heutigen Weltwirtschaftsleistung von rund 60 Billionen Dollar eröffnen diese Zahlen einen Raum zwischen einem und sechs Prozent des Welt-BIP.

Die Frage ist auch, woher dieses Geld kommen soll. Einen Teil könnten die Industrieländer transferieren, etwa aus den Einnahmen des europäischen Emissionshandels, die die EU-Kommission auf 60 Milliarden Euro im Jahr 2020 schätzt. Zusätzlich müssten die Staaten einen globalen Emissionshandel etablieren, der bislang allerdings schon am Fehlen einer fundamentalen Voraussetzung scheitert: Weltweit verbindliche CO2-Reduktionsziele für die kommenden Jahrzehnte existieren noch nicht. Dementsprechend fehlt die Mengenbegrenzung, die den Handel mit dem knappen Gut der Verschmutzungsrechte erst ermöglichten würde.

Ebensowenig konnten sich die Staaten bisher auf einen alternativen Finanzierungsweg verständigen – die koordinierte Einführung von CO2-Steuern unter anderem auf Flugverkehr und Schifffahrt. Vor der Klima-Konferenz von Kopenhagen hatte Frankreich als Vorreiter ein entsprechendes nationales Gesetz verabschiedet. Nach einer Wahlniederlage ließ Präsident Nicolas Sarkozy die Initiative kürzlich allerdings wieder kassieren. Dieser Vorgang belegt: Dass die Transformation des Weltenergiesystems kaum vorangeht, liegt meist auch in der Verantwortung der Industriestaaten.


Fußnoten:

  1. DIW/ Fraunhofer ISI/ izes/ gws: Einzel- und Gesamtwirtschaftliche Analyse von Kosten- und Nutzenwirkungen des Ausbaus Erneuerbarer Energien im Deutschen Strom- und Wärmemarkt. Berlin 2010. S. 259. http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/endbericht_ausbau_ee_2009.pdf
  2.  BMU/ Nitsch, Wolfgang/ Wenzel, Bernd: Leitszenario 2009. Langfristszenarien und Strategien für den Ausbau Erneuerbarer Energien unter Berücksichtigung der europäischen und globalen Entwicklungen. Berlin 2009. Kurzfassung, Absatz 26. http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/leitszenario2009_kurzfassung_bf.pdf
  3. European Climate Foundation: Roadmap 2050. Brüssel 2010. Executive Summary, S. 13. http://www.roadmap2050.eu/Volume1_ExecutiveSummary.pdf

Green New Deal / Great Transformation