Ghana war nicht nur das erste Land, das sich für die WM in Südafrika qualifizierte, es hat einen weiteren Rekord erzielt: als einziges afrikanisches Team, das es bis ins Viertelfinale geschafft hat bei dieser WM, die zum ersten Mal auf afrikanischem Boden stattfindet. In ganz Ghana, sogar im gesamten Afrika, blieben Ghanas Black Stars die einzige Hoffnung.
Der anfängliche Erfolg der Stars hatte ein Lachen auf viele Gesichter in Ghana gezaubert, und in jedem Haus und jeder Hütte – von Nord bis Süd und West bis Ost – fand man die Nationalfarben Rot, Gelb und Grün, mit dem schwarzen Stern in der Mitte. Alle religiösen Institutionen, seien es christliche, muslimische oder traditionell afrikanische, versuchten durch Rituale für die Stars einzutreten, auf dass sie den Pokal heimbringen mögen. Nicht nur an Sonntagen wurden besondere Gebete gesprochen, um die Gunst Gottes für die Stars zu gewinnen. Pfarrer und KirchgängerInnen trugen die nationalen Farben, manche sangen sogar “Black Stars is going to make it, Go Go High” (Die Black Stars werden es schaffen, hoch sollen sie leben!). Manche sahen es als ihre nationale Pflicht an, sich während der Spiele der Stars voll und ganz auf ihre Gebete zu konzentrieren.
In den meisten Dörfern und Gemeinden im Zentrum Ghanas wurden große Leinwände aufgestellt, auf denen die Spiele übertragen werden. Auch die Vuvuzela hat so einige Feiern bereichert, als die Stars gewannen. Bei den meisten dieser public viewing in Ghana ertönte die Vuvuzela um unser Nationalteam anzufeuern.
Ganz Ghana im Fußballfieber
Bauern und Fischer ließen ihre Arbeit liegen, sobald die Black Stars spielten. Und auch Schulkinder wurden von dem WM-Fieber angesteckt: fröhlich trällerten sie Lieder wie “Go Black Stars” von der NGO African Information Movement und führten besondere Fan-Tänze für die Black Stars auf.
An den Schulen Ghanas lassen sich noch immer während jeder Pause mindestens acht oder zehn Schüler_innen finden, die über die Black Stars oder die WM im Allgemeinen diskutieren. Manche schlichen sich nach Hause, um ein Match zu gucken. Auch die LehrerInnen diskutieren mit ihren KollegInnen das Abschneiden der Stars in den letzten Spielen – vor allem das letzte. Doch schon das Spiel zwischen Ghana und Deutschland hatte eine aufgeregte Diskussion entfacht, da manche LehrerInnen glaubten, Deutschland werde die Stars aufgrund seiner Taktik und seines modernen Spielstils besiegen.
Die Leidenschaft der GhanaerInnen für Fußball wuchs seit WM Anpfiff in einem unglaublichen Tempo. So begannen viele Leute in Ghana sehr früh zu essen, nämlich bevor die Black Stars zu einem Match antraten. Der Grund dafür: Fußball kann voller magenschädlicher Enttäuschungen sein. Lieber nicht mit vollem Magen zuschauen, falls die Stars verlieren. Das ghanaische Gesundheitsamt warnte gar schwangere Frauen und Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankung vor dem Zuschauen, besonders wenn die Black Stars spielten.
Die WM hat den Verkauf von Essen und Alkohol jeglicher Art angekurbelt. Der Konsum des lokalen Getränks “Akpetshie” ist über alle Maße gestiegen. Immer wenn die Ghana Black Stars gewannen, drohte der Alkohol in den ländlichen Gemeinden zur Neige zu gehen.
Im Gegensatz zu den vorigen Weltmeisterschaften, zieht diese WM sehr viel mehr Leidenschaft und Öffentlichkeit auf sich. Die Euphorie ist geradezu berauschend, zumal es das erste Mal in der Geschichte ist, dass einem afrikanischen Land die Rolle des Gastgebers zukommt. Im Falle von Ghana ist es außerdem das erste Mal, dass die Regierung 1.600 GhanaerInnen eine Reise nach Südafrika finanziert hat, damit sie dort die Stars unterstützen. Manche sind der Meinung, dass dies raus geschmissenes Geld war – man hätte es lieber in den Bildungssektor investieren sollen. Aber die meisten GhanaerInnen finden, dass es im Sinne der nationalen Sache war, ein Zeichen von Patriotismus.
Die Medien haben entscheidend dazu beigetragen, das WM-Fieber in alle Haushalte zu tragen. Die offiziellen Songs von Südafrika 2010, “Wavin' Flag” und “Waka Waka”, laufen in den elektronischen Medien Ghanas rauf und runter. Auf sämtlichen Radiosendern wird über die Details der laufenden Spiele gestritten, und jede/r kann anrufen um zu kommentieren, was in seinen Augen gut oder schlecht gelaufen ist. Aber nicht nur das Abschneiden der eigenen Mannschaft wird kommentiert: Einer der größten Streitpunkte war das nicht gegebene Tor für England, im Spiel gegen Deutschland. Viele GhanaerInnen waren sehr unzufrieden mit der Entscheidung des Schiedsrichters und schlugen vor, ihn auszuwechseln. Auch waren die meisten mit dem offiziellen Ball, “Jubulani”, der sehr schnell rollt und schwierig zu kontrollieren ist, nicht gerade glücklich.
Hoffnung und Vorbild für ganz Afrika
Die Hoffnung Afrikas lag zuletzt auf den Schultern der Black Stars. Zahlreiche afrikanische Länder betrachteten Ghanas Einzug ins Viertelfinale als Segen und Hoffnung für den Kontinent. Alle AfrikanerInnen standen nun hinter den Stars, fieberten vereint dafür, dass die Stars die Meisterschaft für den gesamten Kontinent gewinnen. Interessanterweise hat sogar das WM-OK (Organisationskomitee) die SüdafrikanerInnen dazu aufgerufen, für Ghana zu jubeln.
Als Ghana gegen die USA gewann titelten die meisten Zeitungen und Radiosendungen: “Ghana gunned down United States” (Ghana schießt USA ab), oder “President Mills whips President Obama” („Präsident Mills liest Präsident Obama die Leviten.“) Die Mehrzahl der GhanaerInnen war daraufhin optimistisch, dass die Black Stars die WM gewinnen und der Welt beweisen würden, dass afrikanischer Fußball ein Niveau erreicht hat, das bei internationalen Turnieren mithalten kann.
Sogar jetzt noch, da die Stars es nicht bis ins Halbfinale geschafft haben, sind ihre Landsleute von der sportlichen Leistung beeindruckt – allen voran von Asamoa Gyan, Andre Ayew (Sohn des berühmten Abedi Pele) und der frühere Mittelfeldspieler im deutschen Nationalteam, Kevin-Prince Boateng, der erst vor wenigen Wochen zu den Black Stars wechselte. Dank der grandiosen Spiele davor, würde niemand dem ghanaischen Team die letzte Niederlage vorwerfen.
Die WM hat mehr Zusammenhalt zwischen den Menschen Ghanas gestiftet als je zuvor. Egal welcher politischen Orientierung, Hautfarbe oder ethnischen Zugehörigkeit – alle beteten gemeinsam dafür, dass die Black Stars den Pokal mit nach Hause bringen. Das ist ein bedeutendes Zeichen der Einheit, nicht zuletzt da das Land nach den Präsidentschaftswahlen von 2008 politisch gespalten war. Es ist die Zeit der Einheit nicht nur in Ghana, sondern für ganz Afrika.