CELS - Centro de Estudios Legales y Sociales

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"30.000 Gründe": Die Zahl der Verschwundenen aus der Zeit der Militärdiktatur in Argentienien wird auf 30.000 geschätzt. Foto: MaxiPe. Dieses Foto steht unter einer Creative-Commons-Lizenz.

In den 70er und 80er Jahren entstanden in Argentinien immer mehr Bewegungen und Organisationen, die sich aktiv für die Einhaltung von Menschenrechten und ein Monitoring staatlicher Menschenrechtspolitiken einsetzten. Zwei Gründe waren hierfür ausschlaggebend: 1) der Militärputsch vom 24. März 1976 und die darauffolgenden Jahre des Staatsterrorismus mit bis zu 30.000 Verschwundenen und 2) die Entwicklung des Konzepts der universellen Menschenrechte, basierend auf den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs.

Die Gründung der Nichtregierungsorganisation CELS (Centro de Estudios Legales y Sociales – Zentrum für Rechts- und Sozialstudien) im Jahr 1979 und damit in der letzten Phase der Militärdiktatur vollzog sich in eben diesem Kontext. Die Konstituierung des CELS zu diesem Zeitpunkt war einerseits eine Antwort auf den konkreten Bedarf, die terroristischen Aktivitäten des Staates zu dokumentieren und andererseits den Verwandten der Opfer, speziell denen, die verschleppt wurden, Rechtsbeistand zu leisten.

Nach der Wiederherstellung der Demokratie in Argentinien (1983) wurde das CELS eine zentrale Anlaufstelle für die Arbeit der Nationalen Kommission der verschwundenen Personen (Comisión Nacional de Desaparición de Personas, CONADEP) und der Gerichte. Seine Rolle als rechtlicher Beistand von Opfern und deren Angehörigen erwies sich als bedeutender Beitrag dabei, Beschwerden und Zeugenaussagen zu sammeln, auszuwerten und sie später für Gerichtsverhandlungen verwendbar zu machen.

Vor dem Hintergrund der Arbeit des CELS während und kurz nach der Militärdiktatur wurde ein weiterer Schwerpunkt gelegt auf die Aufdeckung von Menschrechtsverletzungen durch Polizeibeamte, die unmenschlichen Bedingungen in Gefängnissen und die andauernden institutionellen Menschenrechtsverletzungen, wie Folterungen, Missbrauch oder ungerechte Behandlung, insbesondere marginalisierter Teile der Gesellschaft.

Gleichzeitig setzt sich das CELS seit Mitte der 90er Jahre für die Förderung, Garantie und Einklagbarkeit wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte ein, die die Organisation als unabdingbare Voraussetzung für die Entwicklung und Stabilisierung demokratischer Verhältnisse versteht.

Sie verfolgt dabei folgende grundlegende Strategien, um ihre Ziele umzusetzen:

  • Anklage von Menschenrechtsverletzungen
  • Einflussnahme auf die politische Entscheidungsprozesse in Fragen und Politikfeldern, die die Grundrechte berühren
  • Förderung von gesetzlichen und institutionellen Reformen, die sich Demokratie fördernd auswirken
  • Unterstützung bei der Umsetzung von WSKU- Rechten, besonders in den schwachen Sektoren der Gesellschaft

Als Teilnehmer an Gerichtsverfahren betreibt das CELS zudem ein aktives Monitoring der juristischen Prozesse bezüglich einer Gleichbehandlung auch marginalisierter Bevölkerungsteile.

Das CELS führt momentan über 100 Prozesse an argentinischen Gerichten und über 30 vor internationalen Menschenrechtsorganisationen.

Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung

In der Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung engagierte sich das CELS unter anderem für die Verbesserung juristischer Zugangsmöglichkeiten und Beschwerdemöglichkeiten für marginalisierte Bevölkerungsteile. Die Verbindung zwischen sozialer Exklusion und mangelnder institutioneller Repräsentanz soll aufgezeigt und verändert werden. So sollen den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft, darunter auch vielen Kindern, auf mittelfristige Sicht gesehen bessere Lebensbedingungen ermöglicht werden.

Im vergangenen Jahr konzentrierte sich die Kooperation insbesondere auf die Frage von Umweltrechten.

 

Horacio Verbitsky


Horacio Verbitsky ist Präsident des CELS – Centro de Estudios Legales y Sociales (Zentrum für Rechts- und Sozialstudien).

Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die so genannten „Schlusspunkt-Gesetze“ und die „Gesetze zum Befehlsnotstand“, die 1985-1986 erlassen wurden und die Strafverfolgung für mehrere Jahre unmöglich machten, nun wieder aufgehoben wurden.

Er ist politischer Kolumnist der argentinischen Tageszeitung “Pagina/12” und Autor von zahlreichen Büchern über politische, kirchliche, sozial-ökonomische und militärische Themen. Sein wohl bekanntestes Buch ist “El vuelo” ("Der Flug"), in dem das Geständnis des Kapitäns Adolfo Scilingo dokumentiert ist, der bekannte, während der Diktatur in Argentinien 30 Personen aus dem Flugzeug ins Meer geworfen zu haben. Für diese Verbrechen wurde er später in Madrid verurteilt.

Die Latin American Studies Association, die führende Akademiker/innen der Welt vereint, die auf die Region spezialisiert sind, verlieh Verbitsky 1996 den „Media Award“ in Anerkennung seiner langjährigen journalistischen Arbeit in Lateinamerika, für sein Engagement während der Militärdiktatur, wo er eine wesentliche Rolle bei der Untersuchung der in dieser Ära begangenen Menschenrechtsverletzungen spielte und für seine Recherche der Korruptionsfälle während der Regierungszeit der demokratisch gewählten Regierungen.

Er ist Mitglied des Beirates der Fundación Nuevo Periodismo Iberoamericano (Stiftung Neuer Iberoamerikanischer Journalismus), die von Gabriel García Márquez geleitet wird und Vorstandsmitglied von Human Rights Watch/Americas.


Horacio Verbitsky ist einer der Referenten der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung "Erinnerungskulturen - Kampf gegen die Straflosigkeit in Argentinien" am 28. September 2010, 18:30.