Deutsche Rohstoffstrategie: "Legitime Handelspolitik wird als Zugangshemmnis charakterisiert"

Großer Lastwagen in einer Kupfermine bei Choapa in Chile. Foto: Luis Fabres. Dieses Bild steht unter einer Creative Commons Lizenz.

 

27. Oktober 2010
von Sara Larrain
Von Sara Larrain, Direktorin von “Chile Sustentable”

Die Rohstoffstrategie der deutschen Bundesregierung zielt darauf ab, über bilaterale Vereinbarungen und einen neuen Regulierungsrahmen ein Investitions- und Wettbewerbsregime zu schaffen, dass die langfristige Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen sichert. Die Strategie definiert als Grundlage dafür einerseits Nachhaltigkeitskriterien (z.B. nachhaltige Abbaubedingungen, verantwortliche sowie effiziente Nutzung inklusive Recycling) und verweist auf die EU-Strategien von 2007 und 2010, um die Versorgung aus rohstoffreichen Ländern zu sichern.

Zum anderen soll die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen in die Handels-, Industrie- und Entwicklungspolitiken der EU integriert sein.

Dafür schlägt das Papier vor:

 

  1. Eine Vertiefung der WTO-Regeln in der Beseitigung von Handels- und Wettbewerbsbarrieren; außerdem Subventionen für die Diversifizierung der Rohstoffquellen der deutschen Wirtschaft.
     
  2. Eine neue Außen- und Entwicklungspolitik, die bilaterale Beziehungen mit rohstoffreichen Ländern priorisiert. Gerade hier lässt sich der Vorwurf einer neokolonialen Orientierung nur schwer von der Hand weisen.
     
  3. Die Priorisierung öffentlicher Politiken und Finanzierung zur geologischen Erforschung neuer Rohstoffvorkommen weltweit, Transparenz und Governance im Abbau von Rohstoffen, Erforschung von Substitutionsmöglichkeiten für bestimmte Rohstoffe.
     
  4. Die Strategie der Regierung bezüglich der Regulierungsmechanismen konzentriert sich vor allem auf eine konsequente Unterstützung und Förderung der eigenen Industrien in der Versorgung mit Rohstoffen. Dabei werden ausschließlich Politiken zur Förderung des Weltmarktes, Forschungsfinanzierung und Marktentwicklung hervorgehoben. Für die Regulierung der Unternehmen empfiehlt die Strategie, die OECD-Richtlinien für internationale Unternehmen anzuwenden. 
     
  5. Im Kapitel 3 empfiehlt das Papier, Handelshemmnisse und unfairen Wettbewerb zu reduzieren - in der Logik des WTO-Konzeptes “Fairer Handel”, das einen unbegrenzten Zugang zu Rohstoffen postuliert als eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer globalen Wirtschaft. Das bedeutet jedoch in letzter Konsequenz nichts anderes als einen unbegrenzten und unkontrollierten Zugang von Unternehmen zu den Regionen und Territorien, in denen sich Rohstoffvorkommen befinden.

    Legitime Instrumente einer Handelspolitik wie Quoten, Exportsteuern und -abgaben werden explizit als Handelshemmnisse und wettbewerbsverzerrend abgelehnt, die zudem “mittelfristig das Wachstum und die Beschäftigung in Deutschland gefährden können”. 

    Das Strategiepapier übernimmt die GATT und WTO-Argumentation, dass nationale Politiken und Rahmenbedingungen den Markt verzerren, da sie grundsätzlich protektionistisch seien. Damit wird jegliche nationale Regelung oder Konditionalität laut der neuen Rohstoffstrategie zu einer Zugangsbarriere. Dieser Passus richtet sich gegen nationale und demokratisch legitmierte Souveränität, eigene Entwicklungsmodelle und Identitäten und soll Territorien freien Zugangs schaffen. Dies zielt darauf ab, die sowieso bereits kaum existierenden nationalen Konditionalitäten für einen Zugang/Abbau von Rohstoffen abzuschaffen. Dies führt letztlich zu einer Ausweitung und Vertiefung der WTO-Welthandelsregeln auch auf die Investitionsregime. 

    Die Strategie geht in ihrer Forderung nach Liberalisierung weiter als die EU-Handelspolitik und will die “Verzerrungen im internationalen Rohstoffhandel angehen”. Die Bundesregierung empfiehlt bilaterale Verhandlungen oder Dialoge insbesondere mit den Ländern, die politische Konditionalitäten aufstellen. Sie besteht darauf, die EU-Interessen in den neuen GATT-Verhandlungen zu berücksichtigen, da die Exportbeschränkungen eine entscheidende Rolle in der Versorgungssicherheit mit Rohstoffen spielen.

    Zugleich, und bezeichnenderweise in krassem und offenem Widerspruch dazu, empfiehlt das Papier eine Reihe protektionistischer Maßnahmen für die deutschen Unternehmen, die Zugang zu Rohstoffen benötigen: a) Transfer unternehmerischen Risikos zum Staat, z.B. über Steuererleichterungen b) Staatliche Beihilfen für Direktinvestitionen c) Exportgarantien  d) Geowissenschaftliche Forschung und Explorationsunterstützung.
     
  6. Auf Deutschland bezogen definiert die Strategie positive Rahmenbedingungen wie Materialeffizienz oder Wiederverwertung, die grundsätzlich Nachhaltigkeitskriterien und auch Forderungen grüner Politik entsprechen. 
     
  7. Andererseits definiert diese Strategie eine utilitaristische, enge und ausschließlich eigeninteressengesteuerte Entwicklungspolitik, die in der Konzentration auf technisches Capacity Buildung für Personen aus rohstoffreichen Ländern eine beinahe neokoloniale Orientierung aufweist.
     
  8. Schließlich schlägt das Papier für Deutschland als führender Technologienation und Rohstoffwettbewerber in seinem Kapitel über politische Flankierung eine Reihe von Industriepolitiken vor, die in ihrem Ausmaß letztendlich sehr viel wettbewerbs- und marktverzerrender sind, als die Rahmenbedingungen und Konditionalitäten, die die Strategie in den angeblich “protektionistischen” Ländern abbauen will, die den “Handel behindern”
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Die Autorin Sara Larrain ist Direktorin von “Chile Sustentable” in Santiago de Chile. Mehr Informationen zu "Chile Sustenable" unter www.chilesustentable.net

 

 

 
 

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