Hoffnung auf positive Schlagzeilen

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Ingrid Spiller, Büroleiterin der Henrich-Böll-Stiftung in Mexiko

1. Dezember 2010
Welche Bedeutung hat der diesjährige UN-Klimagipfel für Mexiko?

Das Gipfeltreffen spielt für Mexiko außen- und innenpolitisch eine wichtige Rolle. Außenpolitisch, weil Mexiko wegen des „Drogenkriegs” zunehmend negativ in die Schlagzeilen gerät und unbedingt positive Nachrichten braucht. Die prekäre Sicherheitslage im Land zählt zu den wichtigsten Themen auf der nationalen Agenda. Der so genannte Drogenkrieg, den Präsident Felipe Calderón 2006 zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens initiierte, hat allein in diesem Jahr über 6.500 Tote gefordert.

Auch innenpolitisch ist der Klimagipfel, wenn er halbwegs positiv verläuft, eine gute Gelegenheit für Präsident Calderón und die Regierungspartei PAN, vor den nächsten Präsidentschaftswahlen 2012 mit positiven Nachrichten in die Öffentlichkeit zu kommen.

Was erwartet sich die mexikanische Regierung von den Klimaverhandlungen?

Es ist aufschlussreich, das Erwartungsmanagement der mexikanischen Regierung seit dem Desaster der COP 15 (engl.: Conference of the Parties, dt: UN-Vertragsstaatenkonferenz, Anm. d. Red.) vor einem Jahr in Kopenhagen zu verfolgen. Unmittelbar nach der letzten COP sprach Präsident Calderón noch davon, dass es in Cancún gelingen werde, ein internationales Abkommen zu erreichen. Im Verlauf des Jahres wurden diese Erwartungen nach unten revidiert, es war nur noch von wichtigen Teilergebnissen die Rede, die den erfolgreichen Abschluss beim nächsten UN-Klimagipfel 2011 in Südafrika vorbereiten sollten.

Inzwischen lautet der offizielle Sprachgebrauch, dass die COP 16 in Cancún den „Beginn einer neuen Etappe der Klimaverhandlungen” markieren soll. Damit bleibt offen, ob man an einen Abschluss 2011 in Südafrika glaubt. Die mexikanische Regierung will einen möglichst transparenten und integrativen Verhandlungsprozess garantieren, das Vertrauen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern wiederherstellen sowie das multilaterale System als Verhandlungsort rehabilitieren.

Während es ein offenes Geheimnis ist, dass man bei den Emissionsreduktionsverpflichtungen keine Fortschritte erreichen, sondern es allenfalls eine Bekräftigung des 2-Grad-Ziels geben werde, hofft man auf konkrete Fortschritte in den Bereichen Finanzierung (Etablierung eines globalen Finanzierungsmechanismus für Mitigations- und Adaptationsmaßnahmen), bei der Etablierung von REDD (Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern) sowie beim Technologietransfer.

Wie stellt sich die mexikanische und lateinamerikanische Zivilgesellschaft für Cancún auf?

Die Zivilgesellschaft ist politisch breit und vielfältig aufgestellt und wird sich sowohl innerhalb des offiziellen Verhandlungsgeschehens als auch außerhalb engagieren. Die Erklärung von Cochabamba, verabschiedet auf dem „Klimagipfel der Völker“, den die bolivianische Regierung im Frühjahr dieses Jahres organisiert hat, ist für viele Gruppen ein wichtiger Referenzpunkt geworden. Sie haben dort radikale Positionen formuliert, etwa das Ziel, dass die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad ansteigen dürfe, oder die Verurteilung von marktbasierten Mechanismen zur Lösung der Klimakrise.

Es wird in Cancún außerhalb des offiziellen Verhandlungsgeschehens verschiedene Veranstaltungsformate geben. Die drei wichtigsten sind das Bündnis ESMEX/Diálogo Climático, ein Zusammenschluss von über 260 Gruppen und Bewegungen aus dem Umwelt-, Frauen- und Sozialbereich, aus städtischen Bewegungen, internationalen Allianzen und Bauerngruppen; außerdem die internationale Bewegung Via Campesina mit Bündnispartner/innen wie dem „World March of Women“; und das Klimaforum, ein geschrumpfter Ableger des Klimaforums in Kopenhagen.

Alle gemeinsam werden sie in der zweiten Verhandlungswoche einen Aktionstag mit einer Großdemonstration und Straßenaktionen begehen.

Was sind die zentralen Botschaften der Heinrich-Böll-Stiftung in Cancún?

Wir erwarten erkennbare Fortschritte auf dem Weg hin zu einem ambitionierten, umfassenden und rechtlich verbindlichen Abkommen, das den Klimawandel effektiv stoppen kann.

Der Heinrich-Böll-Stiftung ist es wichtig, dass das Vertrauen in die Vereinten Nationen als Verhandlungsrahmen für internationale Klimakonferenzen wiederhergestellt wird. Auch wenn die UN schwerfällig und oft ineffizient sind, so sind sie doch das demokratischste Gremium, das uns für multilaterale Entscheidungen zur Verfügung steht. Kopenhagen hat in dieser Hinsicht ein fatales Signal gesendet, da sich nicht nur die großen Interessenunterschiede zwischen den einzelnen Verhandlungsblöcken gezeigt haben, sondern auch eine kleine Gruppe von Ländern mit dem „Kopenhagen Akkord” versucht hat, ihr Verhandlungspapier als zentrales Konferenzergebnis durchzusetzen

Das Gespräch führte die Heinrich-Böll-Stiftung.

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Publikation

Klima schützen, Armut verhindern

Der Klimawandel geschieht nicht erst morgen, er passiert schon heute – und er hat Folgen: Er lässt Ernten vertrocknen, verschlechtert die Trinkwasserversorgung in ohnehin trockenen Gegenden, begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten und überschwemmt mit sintflutartigen Regenfällen ganze Regionen.
All dies kostet jedes Jahr über hunderttausend Menschen das Leben und gehört auch seit jeher zu den Ursachen von Armut. Neu sind aber Zahl, Heftigkeit und Dauer solch extremer Ereignisse. Und es trifft vor allem Menschen in den Entwicklungsländern, obwohl sie in der Regel am wenigsten und häufig überhaupt nicht zu der Krise beigetragen haben. Den Klimawandel zu begrenzen ist die größte und dringendste Herausforderung dieses Jahrhunderts. Sie geht uns alle an. Und sie lässt sich meistern. Die anschauliche Publikation "Klima schützen, Armut verhindern" von Oxfam Deutschland und der Heinrich-Böll-Stiftung sensibilisiert für diese Aufgabe und sagt, was zu tun ist.

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