Der deutsche Regisseur mit iranischen Wurzeln spricht über seinen Film „The Green Wave“, die Revolutionen in Tunesien und Ägypten und den Wunsch nach Demokratie und Pressefreiheit
Der Film „The Green Wave“ erzählt von den iranischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2009, der Hoffnung vor allem junger Menschen auf einen Regimewechsel und den darauffolgenden blutig niedergeschlagenen Aufständen der Bevölkerung. Dazu benutzen Sie die Technik der Montage und verflechten fiktive Elemente mit authentischen Bloggereinträgen und Handyaufnahmen.
Was hat Sie dazu bewegt, einen solchen Film zu machen? Wieso haben Sie gerade diese Technik für Ihren Film verwendet?
Die Ereignisse 2009 waren so massiv und für uns Iraner außerhalb Irans so bewegend, dass es uns für Monate lahmgelegt hat. Irgendwann, als ich aus dieser Starre aufwachte, begriff ich, dass ich irgendetwas tun muss. Ich wollte nicht mehr nur auf die Hiobsbotschaften aus dem Iran reagieren, sondern ich wollte für uns auch ein Zeichen setzen. Deshalb habe ich beschlossen, diesen Film zu machen.
Nur, wie macht man einen Film, wenn man nicht in das Land einreisen kann? So hab ich begonnen, Material aus verschiedenen Kanälen und Bereichen zu sammeln. Diese habe ich mir dann lange angeschaut und begriffen, dass ich mit den Bildern, die mit den Handys und Fotoapparaten gemacht worden waren, nicht in der Lage wäre, einen Film zu machen. Da der Iran eine Blogger-Nation ist und wahnsinnig viele Blogger hat, habe ich beschlossen diese Blogs in den Film einzuarbeiten.
Vor allem in Anbetracht der Ereignisse in Tunesien und Ägypten scheint „The Green Wave“ wieder an Aktualität zu gewinnen. In vielen Medien wurden Vergleiche zwischen den Aufständen im Iran und den Revolutionen im arabischen Raum gezogen. Erst gestern kam es in Teheran wieder zu Zusammenstößen zwischen Befürwortern und Gegnern des Regimes.
Glauben Sie, dass die Revolution auch im Iran weitergeführt werden kann?
Auf jeden Fall, und zwar aus einem einfachen Grund: Die Bedürfnisse, weshalb die Menschen auf die Straße gegangen sind, sind noch nicht gestillt worden. Die Waffengewalt als Methode des Totschweigens wird hier wenig nützen. Die Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit der Leute, die nicht vorhandenen Rechte der Frauen und die fehlende Presse- und Meinungsfreiheit sind handfeste Probleme des Irans, die nicht mit Militärgewalt und dem Totschweigen dieser zu lösen sind.
Hier in Berlin finden derzeit die 61. Internationalen Filmfestspiele statt. Der iranische Regisseur Jafar Panahi konnte der Einladung, dem Festival als Mitglied der Jury beizuwohnen, nicht nachkommen. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt und erhielt zudem ein 20jähriges Berufsverbot. Als Zeichen der Solidarität werden auf der Berlinale seine Filme gezeigt.
Glauben Sie, dass Aktionen wie diese Druck auf das iranische Regime ausüben können oder haben sie lediglich symbolischen Charakter?
Ich glaube, dass die iranische Regierung nicht damit gerechnet hat, dass so viele Menschen eine derartige Reaktion auf die Inhaftierung eines Filmemachers zeigen. Natürlich interessiert es die iranische Regierung nicht, dass sie ständig Schlagzeilen in Zeitungen machen, aber das tun sie faktisch, indem sie unschuldige Menschen wegsperren und indem sie auf berechtigte Fragen der Menschen mit Kugeln antworten. Für die Menschen im Iran ist es extrem wichtig, dass wir sie nicht vergessen.
Die Fälle der Regisseure Jafar Panahi und Mohammed Rasoulof zeigen, wie gefährlich es ist, im Iran Filme zu drehen und damit auf die politischen Missstände im Land aufmerksam zu machen.
Glauben Sie, dass man als kritischer Filmemacher im Iran noch etwas bewirken kann oder ist die Zensur längst allgegenwärtig?
Im Moment ist es so, dass sich die iranische Filmlandschaft in einer Starre befindet. Was in der Zukunft passieren wird, kann man nicht voraussagen. Aber momentan ist es so, dass die Filmschaffenden im Iran eigentlich nicht arbeiten können und auch nicht unter diesen Bedingungen arbeiten wollen. Dementsprechend gibt es eine Situation, in der nichts vor- oder rückwärts geht.
Ab Sonntag touren Sie mit ihrem Film auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung durch verschiedene Städte.
Wie sehen Sie die Rolle und die Möglichkeiten einer politischen Stiftung wie der Böll-Stiftung angesichts der lauter werdenden Rufe nach Freiheit und Demokratie im arabischen Nahen Osten und auch im Iran?
Ich glaube, dass wir gut daran täten, uns die Frage der Menschenrechte zu vergegenwärtigen. Und das unabhängig davon, ob man eine politische Stiftung ist oder nicht. Unsere Position im Westen gegenüber Ländern, in denen die Menschenrechte missachtet werden, sollte neu definiert werden. Es kann nicht sein, dass wir im 21. Jahrhundert eine Kanzlerin haben, die einige Monate zuvor einen Diktator als guten Freund Deutschlands bezeichnet und kurze Zeit später zurückrudern muss. Die Diskussion über Freiheit und Demokratie sollte weiterhin geführt und hochgehalten werden. Demokratie muss tagtäglich gelebt werden.
Das Interview führte Sevilay Karaduman, Heinrich-Böll-Stiftung am 17. Februar auf der Berlinale.
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Kurzbiographie:
Ali Samadi Ahadi ist am 9. Februar 1972 in der Hauptstadt Ost-Aserbaidschans geboren. Infolge des Golf-Krieges, in dem er als Kindersoldat rekrutiert werden sollte, floh er aus seiner Heimat nach Deutschland. Zu seinen Arbeiten gehören u.a. der preisgekrönte Film „Lost Children“, die Komödie „Salami Aleikum“ und der Dokumentarfilm „Culture Clan“.