Von Paavo Posselt
Die Frauennationalmannschaft, auch Gresshoppene (norwegisch für Grashüpfer) genannt, ist heute eine der erfolgreichsten Fußballmannschaften des Globus. Bisher erreichten die Gresshoppene bei den Weltmeisterturnieren mindestens das Viertelfinale, 1987 und 1993 wurden sie Europameister, 1995 Weltmeister sowie Goldmedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney. Zuletzt konnte die Mannschaft nicht mehr an ihre Erfolge anknüpfen. Im Jahr 2009 verlor sie alle Spiele im Algarve-Cup und steht somit derzeit auf Platz sieben der FIFA-Weltrangliste.
Zur Geschichte
In den 20/30er Jahren entstanden neben den Männer-Fußballmannschaften die ersten Frauenfußballmannschaften, so wie Kvik in Trondheim und Brandbu in Hadeland. Dies waren allerdings Randerscheinungen, da es von Seiten des Fußballverbandes keine Unterstützung gab. Im Jahr 1931 organisierte die neu gegründete Frauenmannschaft des Flǿya Vereins aus Tromsǿ ein Benefizspiel, um Geld für das Mannschaftsbanner zu sammeln. Der Verein schrieb den norwegischen Fußballverband an, um eine Genehmigung zu erhalten. Aufgrund des langsamen Postweges kam die Antwort des Verbandes erst nach dem absolvierten Benefizspiel an. Laut Verband sollten Frauen keinen Fußball spielen – nicht nur weil es sich nicht schickte, sondern auch, weil der Fußball die reproduktiven Organe der Frauen schädigen könnte. Flǿya sollte deshalb keine Frauen auf dem Fußballplatz zulassen. Ohne die Unterstützung des Verbandes blieb der Frauenfußball in den Anfangsjahren nur eine Randerscheinung. Somit blieb er in Norwegen bis in die späten 60er Jahre rudimentär.
Aufbruch in der Zeit der 68er
Die weitere Entwicklung des Frauenfußballs steht in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der norwegischen Gesellschaft einerseits und mit der aufkommenden Emanzipation der Frau ab Ende der 60er Jahre andererseits. 1972 wurde der norwegische Gender-Gleichberechtigungsrat gegründet und 1979 das Gender-Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet.
Die skandinavische Philosophie der Gleichstellung fördert nicht nur die Chancengleichheit, sondern unterstützt aktiv die Stellung der Frau in der Gesellschaft. 1981 wurde eine Gender-Quote eingeführt, die gesetzlich festlegte, dass in allen Gremien, Ausschüssen und Vorständen etc. jedes Geschlecht zu mindestens 40% vertreten sein muss. Vor diesem Hintergrund und der allgemeinen Antiautoritätsbewegung des gleichen Jahrzehnts ist es nicht verwunderlich, dass die norwegischen Frauen in den 70er Jahren wieder vermehrt anfingen, Fußball zu spielen. Obwohl es in den 70ern noch immer einen klaren gesellschaftlichen Widerstand und wenig Unterstützung von Staat oder Verband gab, spielten Männer und Frauen in gemeinsamen inoffiziellen Ligen und Meisterschaften, so wie sie es bereits in den 20er Jahren getan hatten.
Im Juni 1970 spielten die Amazons aus Grimstad gegen die BUL aus Oslo. Dieses Spiel erfuhr ein reges Medieninteresse und gilt als das erste Frauenfußballspiel in der norwegischen Geschichte. Obwohl zu diesem Zeitpunkt Frauenfußballspiele bzw. Spiele, an denen Frauen beteiligt waren, bereits seit mehr als 40 Jahren ausgetragen wurden, muss diesem Spiel aufgrund der differenzierten Medienberichterstattung eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Die Zeitung Dagbladet war ein wichtiger Unterstützer des Frauenfußballs und publizierte regelmäßig wohlwollende Artikel. Obwohl es bereits offizielle Vereine, Ligen und Meisterschaften gab, hatte der Frauenfußball noch mit einigen Widerständen zu kämpfen. Der norwegische Fußballverband verweigerte ihm aufgrund der angeblichen physischen Unterlegenheit der Frau, reproduktiver Faktoren sowie der Angst vor Homosexualität noch immer die Anerkennung. Hinzu kam das Fehlen einer Infrastruktur – keine oder minderwertige Sportplätze und Umkleidekabinen, Organisatoren und Schiedsrichter, die dem norwegischen Fußball den entscheidenden Schub zur Weiterentwicklung hätten geben können.
Frauenfußball als organisierter Verbandssport dank Gender Budgeting
Die staatliche Gender-Quote wurde erst 1990 vom norwegischen Fußballverband übernommen. Der Erfolg der Gresshoppene bzw. des norwegischen Frauenfußballs ist der staatlichen Förderung, dem sogenannten „Gender Budgetering“, zu verdanken. Dieses norwegische Model der Entwicklungsprogramme ermöglichte es, mehr Frauen als Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen zu rekrutieren. Darüber hinaus wurden professionelle Sportstätten errichtet und Fußballclubs gegründet. Somit wurde der Frauenfußball Teil des organisierten Verbandssports in Norwegen und der Welt. So kam es, dass Fußball seit 1995 die populärste Frauensportart in Norwegen ist. 2002 gab es bereits 3064 registrierte Frauenfußballmannschaften, 2005 waren es schon 5932.
Dieser Anstieg hängt sicherlich auch mit dem Erfolg der norwegischen Frauenfußballmannschaft zusammen, der durch eine konsequente staatliche Förderung ermöglicht wurde. Ein weiterer wichtiger Faktor des norwegischen Modells liegt in der Mischung von Jungen und Mädchen in den Jugendligen bis 12 Jahre. Jungen und Mädchen trainieren und spielen zusammen. Allerdings ist der Frauenfußball in Norwegen dem Männerfußball noch immer nicht tatsächlich gleichgestellt. Die Frauenclubs verfügen über einen kleineren Trainerstab als ihre männlichen Kollegen. Viele Trainer/innen, Physiologen/innen, Ärzte/innen etc. arbeiten ehrenamtlich. Ein weiteres Problem ist die Schwierigkeit, Sponsoren, Zuschauer und die Medien zu aktivieren.
Präsenz in den Medien ist gegenüber dem Männer-Fußball noch sehr überschaubar
Der Erfolg der Nationalmannschaft steigerte zwar das Interesse, die Berichterstattung im Fernsehen blieb allerdings überschaubar. Dies änderte sich 2005, als die Norwegian Broadcasting Company beschloss, regelmäßig eine 15-minütige Zusammenfassung der englischen Women`s Premier League zu übertragen. Die Sendezeiten sollen zukünftig weiter ausgebaut werden. Und auch andere Fernsehkanäle planen bereits, ihr Angebot zum Thema Frauenfußball auszubauen. Bei allem Erfolg des Frauenfußballs in Norwegen ist der Status von Männer- und Frauenfußball bis dato nicht derselbe. Die Identifikation mit Männerfußball, nicht aber mit Frauenfußball, spielt immer noch eine wichtige Rolle für das nationale norwegische Identitätsbild. Die Sendezeiten im Fernsehen sind keineswegs gleich verteilt und in der öffentlichen Wahrnehmung zeigt sich, dass Frauenfußball an einer männlichen, als universell angesehenen Norm gemessen und als von dieser abweichend empfunden wird. Die erfolgreichen und öffentlich bekannten Nationalspielerinnen können nicht von ihrer Sportausübung leben und besitzen auch keinen Prominentenstatus.
Männliche Nationalspieler hingegen gehören zu den Großverdienern und sind oftmals Multimillionäre. Sport wird noch immer geschlechterspezifisch eingeordnet und kann auch in Norwegen als wichtiger Schauplatz von Genderkonflikten angesehen werden.
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Paavo Posselt hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität Soziologie, Neuere Geschichte und Niederländische Philologie studiert. Schwerpunktmäßig beschäftigt er sich mit Integrationskonzepten und -politiken in Europa.
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Quellen:
- Fasting, K., (2004), Small Country - Big Results: Women´s Football in Norway. In: Fan Hong und Mangan (Hrsg.), Soccer, Women, sexual Liberation: Kicking Off a New Era.
- Hornscheidt, A. und Wechsel, K. (2005), Norwegischer und deutscher Frauenfußball. In: Henningsen, B (Hrsg.), Hundert Jahre deutsch-norwegische Begegnungen. Nicht nur Lachs und Würstchen. S. 313-315.
- Lopez, S. (1997), Women on the ball. A guide to women’s football.
- Magee, Caudwell, Liston and Scraton (eds.) (2007), Women, Football and Europe: Histories, Equity and Experiences.
- Skogvang, B.O. (1999), The culture in Norwegian elite football – Consequences for female and male players.
- http://www.fotball.no/ (Website des Norwegischen Fußballverbunds)
- http://de.fifa.com/womensworldcup (offizielle Seite der FIFA zur Frauenweltmeisterschaft 2011)