Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert

Deutschland: Frauenfußball muss auch nach der WM um Beachtung kämpfen

Lesedauer: 4 Minuten
Dr. Daniela Schaaf. Foto: privat.

19. April 2011
Interview mit Dr. Daniela Schaaf, Kommunikationswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations- und Medienforschung der Deutschen Sporthochschule Köln.

Jan Engelmann: Frau Schaaf, die Professionalisierung des Frauenfußballs ist in den letzten Jahren enorm vorangeschritten. Wird die WM 2011 zur Folge haben, dass seine Repräsentanz in der medialen Öffentlichkeit nachhaltig verankert ist?
 
Dr. Daniela Schaaf: Die Mehrheit der von mir befragten Sportjournalisten und Sponsoren geht nicht davon aus, dass die Bedeutung des Frauenfußballs aufgrund der WM wesentlich gesteigert wird. Denn jenseits der Nationalmannschaft ist der Frauenfußball eine nahezu bedeutungslose Randsportart, die auch zukünftig um mediale Beachtung kämpfen muss. Die im Sommer erwartete Aufmerksamkeit lässt sich wohl nicht dauerhaft in die Bundesliga transferieren. Es ist vielmehr zu erwarten, dass die Spiele nach dem Turnierende wieder vor kaum gefüllten Rängen stattfinden werden. Der DFB ist sich dieser Problematik jedoch bewusst und hat ein Nachhaltigkeitsprogramm zur Frauen-WM von ca. 19 Millionen Euro aufgelegt. Damit sollen zumindest für die Vereine Anreize geschaffen werden, den Mädchenfußball stärker zu fördern.

Wirtschaftsexperten nennen Frauenfußball einen "biased market", also ein Betätigungsfeld, das nicht unvoreingenommen oder gar geschlechterblind ist. Wie könnte sich dies wandeln?

Der Sport gilt als eine der letzten männlichen Refugien, in der sich hegemoniale Strukturen entfaltet haben und Geschlechterhierarchien aufrechterhalten werden. So sind die Schlüsselpositionen in Sportverbänden, Redaktionen und Unternehmen überwiegend mit Männern besetzt, die damit über einen Großteil der Macht verfügen. Langfristig lässt sich eine De-Konstruktion des traditionellen Geschlechterbildes im Frauenfußball daher nur realisieren, wenn Frauen in den Führungsetagen der beteiligten Institutionen angemessen vertreten sind und an allen Entscheidungsprozessen maßgeblich beteiligt werden.
 
Die Logik von "Sex sells" ist ein beliebter Mechanismus, um z.B. Tennisspielerinnen zu Pop-Stars zu machen. Müssen wir uns auf eine ähnliche Entwicklung im Frauenfußball einstellen?
 
Da in den Sportressorts eine Medienrealität konstruiert wird, die nach männlichen Selektionskriterien funktioniert, muss sich der Frauenfußball in seiner Selbstpräsentation dieser Logik anpassen. Zudem gilt es sich auf dem gesättigten Markt der Markenbotschafterinnen zu positionieren, der durch einen harten Verdrängungswettbewerb gekennzeichnet ist. Um sich von der Konkurrenz abzusetzen, müssen die Spielerinnen potenziellen Sponsoren neben der sportlichen Leistung einen Zusatznutzen anbieten, der oftmals in einem sexuell-attraktiven Körper besteht. Insbesondere die junge Generation der weiblichen Fußballprofis nähert sich den männlichen Präferenzen an und „gendert“ ihre Körper mit weiblichen Attributen, wie lange Haare, Make-up, Schmuck und femininer Kleidung. Allerdings scheint diese produktpolitische Sexualisierungsstrategie auch aufzugehen, denn die von mir befragten Sportjournalisten und Sponsoren weisen etwa Fatmire Bajramaj das höchste Vermarktungspotenzial im Hinblick auf die WM zu. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass das „Kournikova-Syndrom“ – nach dem die physische Attraktivität der Athletin eine höhere Bedeutung als ihre sportliche Exzellenz einnimmt – im Frauenfußball nicht zur Regel wird.

Die Akzeptanz von lesbischen oder bisexuellen Lebensweisen ist im Frauenfußball verglichen zu anderen Sportarten sehr hoch. Müsste nicht auch die Vermarktung darauf reagieren?
 
In der Werbung wird ein weiblicher Stereotyp präferiert, der dem gängigen Schönheitsideal entspricht, das u.a. von einer eindeutig heterosexuellen Ausstrahlung geprägt ist. Abweichungen von dieser männlich konstruierten – aber auch von Frauen mitgetragenen – Norm werden nicht geduldet und mit kommerzieller Nichtbeachtung gestraft. Insofern ist es für eine offen lesbisch oder bisexuell lebende Spielerin sehr schwer als Markenbotschafterin besetzt zu werden, da die Sponsoren ihre werbliche Kommunikation stets am Geschmack des Mainstreams ausrichtet. Die Zielgruppe der homosexuellen Konsumentinnen ist hingegen zahlenmäßig zu klein, so dass es sich aus ökonomischen Gründen oftmals nicht lohnt, sie gesondert anzusprechen.

Auch wenn sich die Trainingsmethoden und taktischen Systeme bei Männern und Frauen aneinander angeglichen haben, hat der Frauenfußball eine eigene Ästhetik. Werden wir dies auch als Fernsehkonsumenten bemerken?

Leider unterliegt der Frauenfußball nach wie vor dem Vorurteil, langsam und damit auch langweilig für die Rezipienten zu sein. Die Regisseure arbeiten daher mit schnelleren Schnitten als beim Männerfußball, um das Spiel dynamischer zu gestalten. Darüber hinaus könnte es mehr close-ups – also Nahaufnahmen – der als besonders attraktiv geltenden Spielerinnen zu sehen geben. Durch diese Ästhetisierungsstrategie soll die WM für die überwiegend männlichen Zuschauer medial interessanter aufbereitet werden.

 

..............

Dr. Daniela Schaaf ist Kommunikationswissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kommunikations- und Medienforschung der Deutsche Sporthochschule Köln.
Die Fragen stellte Jan Engelmann.

Zur Fußball-WM der Frauen sind wir mit am Ball und erkunden die Fußballkultur der teilnehmenden Länder: Was kosten Eintritt und Stadion-Wurst? Wie viele Fans gibt es in Rio, Abuja und London? Wer hat das Zeug zur Torschützenkönigin? Gleichzeitig schauen wir auch über den Stadionrand hinaus und fragen: Wo birgt der Fußball Potenzial für gesellschaftliche Veränderungen? Wie wird Fußball für Frauen ein Emanzipationskick? Wir gehen auf Tour in die WM-Austragungsorte und laden ein in die Böll-Arena.