Die höchste nationale Liga Damallsvenskan war lange ein Magnet für internationale Topspielerinnen, wie die fünfmalige Weltfußballerin Marta, und zählt noch immer zu den professionellsten und qualitativ besten Frauenligen im Fußball weltweit. Mit durchschnittlich 1000 Zuschauerinnen und Zuschauern pro Spiel, hat die Damallsvenskan nach Aussage des nationalen Schwedischen Fußballverbandes (Svenska Fotbollförbundet - SFF) die höchsten Zuschauerzahlen unter den europäischen Frauenfußball-Ligen. Pro Saison werden mehrere Ligaspiele und alle Spiele der Nationalmannschaft live im schwedischen Fernsehen übertragen. Die Liveübertragung des WM- Finales zwischen Schweden und Deutschland war 2003 das sportliche Ereignis mit den höchsten Einschaltquoten des Jahres. Dementsprechend wurde die Bekanntgabe des Kaders für die Olympischen Spiele 2008 öffentlich zelebriert und live im Fernsehen übertragen.
Die vergleichsweise große Popularität und Akzeptanz des Frauenfußballs in Schweden wird von vielen mit der staatlichen Gleichstellungspolitik und ihrer Doppelstrategie von Diskriminierungsverboten und aktiver Gleichstellungsförderung in Verbindung gebracht. Tatsächlich aber war Frauenfußball an der Basis, in Schulen, an Universitäten und in Betriebssportgruppen, schon seit den Fünfziger Jahren populär. Der SFF hinkte diesen Entwicklungen lange hinterher und erkannte den Frauenfußball erst 1972 offiziell an. Die 24 Regionalverbände des SFF, die u.a. für die Organisation des Spielbetriebes verantwortlich sind, unterstützten zu diesem Zeitpunkt den Frauenfußball auf regionaler und lokaler Verbandsebene schon seit den Sechziger Jahren.
Die Anfänge
Die ersten Frauenfußballmannschaften gründeten sich in Schweden bereits während des Ersten Weltkrieges. Gegner der Frauen waren in den Anfängen v.a. „Alt-Herren Mannschaften“, bevor 1918 dann das erste Fußballspiel zwischen zwei Frauenmannschaften in Stockholm stattfand. Infolge der international erstarkenden Frauenbewegung wurde Frauenfußball in den Zwanziger und Dreißiger Jahren kritisch betrachtet und die weitere Professionalisierung, etwa in Form eines Ligabetriebes, verhindert. (1)
In den Vierziger und Fünfziger Jahren wurde Fußball in Schweden aufgrund der internationalen Erfolge der Männermannschaft (1. Platz Olympiade 1948, 3. Platz WM 1950, 2. Platz WM 1958) zunehmend populärer und die Zuschauerzahlen in den heimischen Stadien stiegen rapide an; so lag die durchschnittliche Zuschauerzahl 1959 bei 13,000. In den Sechziger und Siebziger Jahren verlor der Männerfußball an Popularität und die Zuschauerzahlen sanken. Fußballspiele wurden live im Fernsehen übertragen und das Freizeitverhalten der Menschen begann sich zu ändern. Neue Sportarten wurden entdeckt und zunehmend aktiv ausgeübt. Zeitgleich stieg die Zahl fußballspielender Frauen an. 1950 organisierte eine Lokalzeitung das erste Frauenfußballturnier des Landes in Umeå und 1966 gründete sich der erste Frauenfußballverein, Öxabäck IF, in der Provinz Västergötland östlich von Göteborg. Hier wurde 1968 auch die erste offizielle Frauenfußball-Liga ins Leben gerufen. Zeitgleich entstanden in verschiedenen Landesteilen Frauenmannschaften, etwa an den Universitäten Stockholm, Lund und Göteborg.
1969 gab es bereits in zwei weiteren Provinzen Schwedens eigenständige Frauenfußball-Ligen. Zwischen 1970 und 1972 stieg die Zahl der Spielerinnen in den Fußballverbänden von 728 auf 9387. Die Gründe für die steigende Zahl von Fußballspielerinnen sehen einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (2) nicht ausschließlich in der erstarkenden Frauenbewegung seit Mitte der Sechziger Jahre. Vielmehr habe ein Großteil der fußballspielenden Frauen rein sportliche und nicht feministische Motive für die Wahl der Sportart gehabt. Unabhängig von den Motiven trugen die Frauen durch die Ausübung des „Männersports“ Fußball aber dazu bei, bestehende Normen im Rollenverständnis von Mann und Frau zu durchbrechen.
Während der nationale Fußballverband SFF diesen Entwicklungen zunächst keine Beachtung schenkte, wurde der Frauenfußball von den Regionalverbänden unterstützt. 1971 hatten siebzehn der insgesamt 24 Regionalverbände eigene Frauenfußball-Ligen. 1972 entschloss sich die SFF, den Frauenfußball anzuerkennen – nicht ohne zuvor eine medizinische Studie in Auftrag zu geben, in der untersucht wurde, ob Schläge auf den Brustkorb Brustkrebs auslösen könnten.
Damallsvenskan
1973 wurde die nationale Frauenfußball-Liga, seit 1988 Damallsvenskan genannt, gegründet. Aufgrund der guten finanziellen Ausstattung einiger Vereine, den hohen Zuschauerzahlen und der Attraktivität der Liga für Sponsoren galt die Damallsvenskan lange als Vorzeigeliga im internationalen Frauenfußball. Erfolgreiche Spielerinnen können in der Damallsvenskan professionell Fußballspielen und ihren Lebensunterhalt mit dem Sport bestreiten. Die Topstürmerin Lotta Schelin, die bis 2008 in der schwedischen Liga spielte, kann sich 2007 nach eigener Aussage aufgrund eines lukrativen Werbedeals langfristig auf den Fußball konzentrieren (3). Die deutsche Nationalspielerin Ariane Hingst spielte von 2007 bis 2008 in der schwedischen Liga. „Frauenfußball hat einen höheren Status in Schweden. Unser Trainer Anders Johansson hat Frauenmannschaften trainiert, danach in der ersten Herrenliga bei Malmö FF gearbeitet und jetzt ist er wieder bei uns gelandet. Das wäre in Deutschland ziemlich undenkbar, wo viele Trainer den Frauenfußball eher als Sprungbrett in den Männerfußball sehen.“(4)
Seit der Gründung der Women's Professional Soccer (WPS) in den USA im Jahr 2009 muss sich die Damallsvenskan neuen Herausforderungen stellen. Einige Topspielerinnen, z.B. Marta, wanderten in die WPS ab und nach wie vor verfügen die zwölf Erstliga-Clubs über unterschiedliche finanzielle Ressourcen. So wird Umeå IK von einem großen deutschen Automobilhersteller gesponsort, während Vereine wie Kristianstads DFF auf aufsehenerregende Publicity setzen, um das finanzielle Überleben des Vereins sichern zu können. So sollten Zuschauer durch Fotos der Spielerinnen mit nacktem Oberkörper zum Kauf von Dauerkarten bewegt werden. (5)
Ausblick
Für die Weltmeisterschaft 2011 hat der SFF große Ziele: Ein gutes Abschneiden der Schwedinnen ist wichtig, um die Öffentlichkeit auf die Europameisterschaft 2013 einzustimmen, die in Schweden austragen wird. Göran Havik, Projektleiter beim Schwedischen Fußballbund, geht davon aus, dass das mediale Interesse an der WM enorm sein wird. (6) In Kooperation mit Vereinen sollen 1.000 Fans zum ersten Spiel am 28. Juni gegen Kolumbien nach Leverkusen anreisen - so viele Schweden haben noch nie eine Frauennationalmannschaft bei einem Auswärtsspiel angefeuert. Mit den USA und Nord-Korea sind allerdings zwei Fußballschwergewichte in der Gruppe C der Schwedinnen vertreten – das Erreichen der Finalrunde wird kein leichtes Unterfangen.
Nora Farik hat Politikwissenschaften in Frankfurt/Main und Birzeit, West Bank, studiert. Schwerpunkt ihrer bisherigen Tätigkeiten war u.a. die Analyse zivilgesellschaftlicher Bewegungen. Sie hat für das Brüsseler Büro der HBS die Broschüre „1968 revisited - 40 years of protest movements“ herausgegeben.
Fussnoten:
(1) Hjelm, Jonny und Olofsson, Eva:.A Breakthrough: Women´s Football in Sweden. In: Hong, Fan und Mangan, J.A. (Hrsg.) (2004). Soccer, Women, Sexual Liberation - Kicking Off a New Era. London.
(2) Ders.
(3) Mannschaftsporträt Schweden, Fussgänger, Rainer
(4) Bundesliga gegen Damallsvenskan – welche Liga hat die Nase vorn?, Fussgänger, Rainer
(5) Kristianstad: Mit nackten Tatsachen den Verein retten, Juchem, Markus, 8. Juli 2009
(6) Schwedens Fußballbund träumt vom Sommermärchen, 31. Januar 2011