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Langsam, langweilig und lesbisch? - Frauenfußball im Internet

Das Internet schimpft sich ein demokratisches Medium. Mit dieser Charakterisierung verknüpft sich vor allem die Vorstellung, jeder und jede könne daran teilnehmen und alle Themen würden ihre Repräsentation in den Weiten des Netzes schon finden – auch so etwas vermeintlich Abseitiges wie Frauenfußball. Diese Kategorisierung mag der einen oder dem anderen längst komisch vorkommen: Das Jahr der Heim-WM hat Frauenfußball, zumal Deutschland ohne weitere sportliche Medienevents dieser Größenordnung auskommen muss, zu einem Mainstream-kompatiblen Thema gemacht. Wer Birgit Prinz ist, weiß inzwischen auch der Durchschnittsbürger und die Durchschnittsbürgerin. 

Hinter vorgehaltener Hand heißt es noch immer: Frauenfußball ist langsam, langweilig und lesbisch

Doch werfen wir einmal einen Blick hinter das sorgfältig von den Medien und dem DFB konstruierte Image des Nationalteams, sind wir schnell bei alten Vorurteilen: Frauenfußball ist langsam, langweilig und lesbisch. Diese scheinbar nur soziale Abwertung geht mit einer gerne vergessenen Geschichte der Repression einher: Frauenfußball war hierzulande bis 1970 verboten. Anders als z. B. in den USA oder den skandinavischen Ländern trägt der deutsche Frauenfußball diese Stigmata bis heute mit sich herum, was sich auch auf seine Repräsentation im Web niederschlägt. Viel zu oft bleibt unthematisiert, dass durch Google & Co. nur die bereits ausgetretenen Pfade verbreitert werden und dass es Geld, Zeit und entsprechendes technisches bzw. journalistisches Know-how braucht, um nicht als zwar gut gemeinte, aber dilettantische Handmade-Seite im Abseits zu vermodern. 

Frauenfußball im Web nach vorne bringen 

Wer vor vier, fünf Jahren etwas zum deutschen Frauenfußball im Internet finden wollte, stieß neben der Informationswüste auf offiziellen Seiten wie DFB und Kicker nur auf eine Reihe ehrenamtlicher Fanseiten in der berüchtigten Schriftart Brush Script. Diese Konstellation bildete nicht nur ab, wie wenig ernst der Frauenfußball in Deutschland genommen wurde, sondern wirkte ihrerseits auf die Meinung derjenigen zurück, die sich im Internet über Frauenfußball informieren wollten. Wir haben uns deshalb 2009 als Aufgabe gesetzt, diese Kräfteverhältnisse um den Frauenfußball zu beleuchten und den Blog Das Projekt Spielfeldschnitte gegründet, den ersten Blog für Frauenfußball-Kultur in Deutschland. Dieser Blog versteht sich als kritische Analyse der Inszenierung des Frauenfußballs, welche gleichzeitig seine Realität ist, sowie als eine neue Form des Denkraums und der Sichtbarkeit. Dieses Projekt war und ist aber nicht nur von eigenen Gedanken und Ideen bestimmt, sondern auch durch andere Autor/innen geprägt, die sich um den Frauenfußball bemühen. 

Wenn wir im Folgenden einen kleinen Überblick über Frauenfußball im Internet geben, geschieht dies vor dem Hintergrund unserer persönlichen Anlaufstationen im Netz und den Veränderungen, die die WM in Deutschland in den letzten zwei Jahren online erzeugt hat.

Womensoccer: Vorreiter mit neuem Server

Was für den Männerfußball kicker.de ist, ist für den Frauenfußball womensoccer.de. 2007 startete die Seite als Frauenfußball-Blog, mittlerweile ist sie die erste Anlaufstation, wenn es um zeitnahe und fundierte Informationen zum Geschehen in den internationalen Ligen und den Nationalteams geht. Die Autor/innen Markus Juchem und Nora Kruse haben sich damit einem der wichtigsten Desiderate des Frauenfußballs in den Medien angenommen: der Informationspolitik. Während dem Kicker der Frauenfußball nur eine Randspalte vor den Junioren wert ist, berichtet Womensoccer ausschließlich und umfassend über den Frauenfußball. Die Seite kann vor allem als Informationsbörse charakterisiert werden, auch wenn die Autor/innen immer wieder kritisch zu aktuellen Themen bloggen. Der Vorreiterposition von Womensoccer im Bereich des informativen Journalismus mag es geschuldet sein, dass sich die Seite mit der Zeit zu einem Treffpunkt vieler Frauenfußballbegeisterter entwickelt hat, die mit ihren vielen Kommentaren die Seite um heterogene und vielschichtige Meinungsbilder bereichen. Zur WM 2011 hat Womensoccer eigens seinen Server aufgerüstet. Die Seite zählt definitiv zu den ersten, die es vor, während und nach dem Turnier aufzurufen gilt. 

Framba: Von der Statistik bis zum Film über Frauenfußball

Ähnlich wie Womensoccer berichtet auch die Frauenfußball-Seite framba.de über die Geschehnisse aus dem Ligabetrieb und den Nationalmannschaften. Seit 2009 veröffentlicht Oliver Zimmermann nicht nur aktuelle Artikel zum Frauenfußball, sondern pflegt auch ein wertvolles Statistik-Archiv. Wer hat wann wie viele Spiele für welchen Verein absolviert? Wie viele gelbe Karten sah Alexandra Popp? Welcher Club verbockte bislang die meisten Eigentore? (Es ist der 1. FC Saarbrücken.) Dazwischen wartet Framba immer wieder auch mit Artikeln über Filme und Literatur zum Frauenfußball auf und gestaltet regelmäßig eine lesenswerte Blogschau.

Gender im Netz-Fußball

Kultur- und genderwissenschaftliche Beiträge versammeln sich auf der Seite des Netzwerks F_in Netzwerk Frauen im Fußball. Nicole Selmer und Antje Hagel versammeln Themen rund um Frauen und Fußball und wollen dabei Sexismus und Diskriminierung aufzeigen und bekämpfen. Die Vernetzung betrifft etwa Fanprojekte, Fanorganisationen, Journalismus, Wissenschaft und Mädchenarbeit. Regelmäßig werden Pressemitteilungen zu aktuellen Themen zum Download bereitgestellt und kritische Kommentare zu Frauenfußball-Themen veröffentlicht. Darüber hinaus versammeln die Autor/innen interessante Publikationen zum Download und organisieren Workshops, sogenannte „Vernetzungstreffen“ - zuletzt im Februar zum Thema „Mein Leben als Capa. Frauen in der Fußballfanszene.“ Über alledem steht das Ringen um Sichtbarkeit, die Frauen im Fußball oftmals verwehrt bleibt.

11 Freundinnen und 11 Freunde

Der Onlineauftritt der Zeitschrift 11 Freunde spielt schon lange in der obersten Liga mit, wenn es um interessante, differenzierte und humorvolle Artikel zum Thema Fußballkultur geht. Seit 2009 liegt dem Magazin (leider in viel zu langen Abständen) das Magazin 11 Freundinnen bei, die derzeit einzige lesenswerte Printpublikation über Frauenfußball. Online gab es bisher vom 11 Freundinnen-Team noch nicht so viel zu sehen – dies soll sich aber zum WM Sommer ändern. Die Macher/innen feilen derzeit an einer eigenen Seite zur WM, die man ab April auf der bekannten Präsenz 11freundinnen.de abrufen kann. Dort wird es nicht nur Infos über das Nationalteam in bekannter 11Freundinnen-Manier geben, sondern auch spannende Reportagen über die jeweiligen Teilnehmerländer. Besonders freuen wir uns schon jetzt auf den Grimme-Preis-gekrönten Live-Kommentar-Ticker, der alle Spiele mit deutscher Beteiligung und die K.O.-Runde des Turniers begleiten wird.

Mehrwert für Spezialistinnen

Die oben genannten Seiten empfehlen sich als Anlaufstation für einen ersten Überblick. Zusätzlich aber gibt es noch eine Vielzahl weitere Webseiten, die mit etwas spezifischerer Ausrichtung über den Frauenfußball aufwarten:

Das Frauenfußball-Magazin fansoccer.de versammelt Beiträge von Fans für Fans. Die Autor/innen leben und schreiben über die Bundesrepublik verstreut und bestücken ihre Seite mit Berichten und Bildern. Hier gibt es auch die Möglichkeit, selbst Beiträge und Bilder beizusteuern, um die Seite noch vielfältiger zu machen. Ausschließlich von Frauen gestaltet ist die Seite frauenfussball-info.de. Das Streben nach einem informativen Journalismus paart sich hier mit dem Bedürfnis, die Gesetze einer immer noch männlich dominierten Medienlandschaft zu durchbrechen. Themen sind aktuelle Geschehnisse auf und neben dem Fußballfeld. Ähnlich berichtet auch Birgit Kath auf ihrer Seite frauenfussball-guide.de, wo und wohin der Ball gerade rollt. Es gibt darüber hinaus auch hilfreiche Trainingstipps. Ein Ableger von transfermarkt.de zum Thema Frauenfußball ist soccerdonna.de. Über den Namen kann man sicherlich streiten, aber es gibt dort aktuelle Infos, eine Tipprunde und ein Forum, in dem Frauenfußball-Fans diskutieren können. Frauenfußball-News gibt es auch auf ffnews.de und auch hier kann im Forum diskutiert werden. Wem es einmal nach Artikeln im Stil der Boulevardpresse gelüstet, wird hier immer wieder fündig. Das Frauenfußball Magazin (das unserer Ansicht nach bisher nicht mit der Magazin 11Freundinnen mithalten konnte bzw. von dieser übertrumpft wurde) pflegt ebenfalls einen Online-Auftritt mit reichhaltigen Informationen unter ff-magazin.com – lesenswert für alle, die auch in punkto Printausgabe auf den Geschmack gekommen sind.

Sucht man Bilder zum Frauenfußball im Internet, muss man sich erstmal mühsam durch die vielen geifernden Postings von Simone Laudehrs legendärem Triktotlüpfer scrollen. Wer abseits davon gute Fotos aus dem Frauenfußball sucht, sollte auf ff-archiv.de  stöbern. Nora Kruse ist hier aktiv und versammelt tolle Fotos aus allen Bereichen des Frauenfußballs.

Die mit Abstand umfangreichste Diskussionsplattform im Netz bietet ff-forum.net. Von der Nationalmannschaft bis zur vierten Liga wird hier so gut wie alles thematisiert. Fast 7.000 Mitglieder tummeln sich in den unterschiedlichen Sparten, zur WM werden es sicher noch eine Menge mehr. Es geht im FF-Forum nicht nur um Meinungsaustausch, sondern so gut wie alle relevanten Artikel aus dem Netz hier von fleißigen Surfer/innen verlinkt. Inhalte und Kommentare jedweder Couleur machen das Angebot zu einer kurzweiligen Angelegenheit.

Feministische Kritik, Literaturhinweise und Beauty-Tipps

Es gibt abseits der rein auf Frauenfußball ausgerichteten Seiten auch Blogs im Netz, die immer wieder spannende Beiträge zum Frauenfußball veröffentlichen. Zu denen gehört an erster Stelle der Blog maedchenmannschaft.net, auf dem auch unter anderen Nicole Selmer über Frauen und Fußball schreibt. Zu WM 2011 soll es ein Onlinedossier mit den bisherigen Texten des Mädchenmannschafts-Teams zum Thema Frauenfußball, Fußball & Feminismus und Gender geben. Lesenswert ist auch der Blog des Missy Magazine. Dem Maiheft wird das Pocketheft „Kick it like Bajramaj“ der Heinrich-Böll-Stiftung beigelegt sein – der Blog wird aber sicher pünktlich zur WM auch mit weiteren Artikeln aufwarten. Die Deutsche Akademie für Fußballkultur versucht kulturwissenschaftlich das „weite Feld zwischen Sportteil und Feuilleton“ abzudecken. Die Akademie beschäftigt sich mit dem Phänomen Fußball insgesamt, hat aber in der Vergangenheit schon öfter auch zum Frauenfußball veröffentlicht. Zur WM 2011 wird es vorrangig Frauenfußball-Themen zu lesen geben. Schon jetzt gibt es eine feine Sammlung von Beiträgen und Links zu Veranstaltungsterminen und Ausschreibungen. Ist man auf der Suche nach guter Literatur zum Frauenfußball oder einer Veranstaltung abseits vom „Public-Viewing-Kommerz“, wird man bei der Akademie auf jeden Fall fündig.

Der DFB pflegt natürlich selbst auch einen Online-Auftritt zur Nationalmannschaft. Kulturwissenschaftlich angehauchte Beiträge zu Geschlechterpolitiken wird man hier zwar vergeblich suchen, dafür aber auf Homestories mit bekannten Spielerinnen und Werbung für eigene Promotionmaßnahmen stoßen (durchaus mit der ein oder anderen interessanten Fotostrecke). Medienpartnerin Brigitte bietet ebenfalls Berichte und Aktionen an, allerdings schreibt man sich auch zur Frauenfußball-WM die Leitthemen „Mode, Beauty, Rezepte, Figur“ auf die Fahnen. Schade, dass ausgerechnet der explizite Medienpartner des DFB das Ideal von der pferdeschwanzbezopften, femininen Fußballspielerin forciert – ganz so, als würde erst eine „richtige Frau“ den Frauenfußball zum FRAUENfußball machen.

Der von uns vermittelte Einblick muss notwendig unvollständig bleiben. Das Internet ist ein fluides Medium und durch die WM in Deutschland drängen immer mehr Inhalte-Anbieter auf den Markt. Obgleich diese stärkere Sichtbarkeit des Frauenfußballs, seine zunehmende Professionalisierung auch im Netz notwendig und begrüßenswert ist, bleibt nicht weniger wichtig, diesen Darstellungsformen kritisch und kreativ zu begegnen, da sie immer schon die Realität des Frauenfußballs mitgestalten.


Rosa Wernecke und Mayte Zimmermann betreuen das Blog spielfeldschnitte