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Äquatorialguinea: Ein Außenseiter macht große Fußball-Schritte

Stadion von Malabo, Foto: Tadpolefarmer, Quelle: wikipedia, Lizenz: gemeinfrei

3. Mai 2011
Jana Emkow
Äquatorial Guinea ist mit seinen 700.000 Einwohnern das kleinste Land, was sich bisher für eine Frauen WM qualifizieren konnte. Neben Kolumbien gehört es zudem zu den WM-Neulingen und stellt wahrscheinlich für viele Fußballfans ein unbeschriebenes Buch dar. Abgeschottet, wie man in der Hauptstadt Malabo auf einer tropischen Insel nördlich im Atlantik nur sein kann, formierte sich dennoch nahezu unbemerkt innerhalb weniger Jahre eine beachtliche Frauenfußballmannschaft. Anfänglich dümpelte das Team auf den untersten Plätzen der afrikanischen Liga, der Zufluss einiger spanischer Spielerinnen mit äquatorialguineischen Wurzeln stärkte jedoch die Gruppe und führte zu einigen guten Spielen.

Nach dem ersten Länderspiel zur WM Qualifikation in den USA 2002 und der 0:3 Pleite gegen Angola ging es jedoch bergauf für die Elf unter Trainer Jean Paul Mpila. Nach der ersten Teilnahme bei der Afrikameisterschaft  2006 war die Auswahl der Nzalang Nacional (1)  im Jahr 2008 selbst Gastgeber des Turniers und holte hierbei erstmals einen Sieg. Seither spielte Äquatorialguinea nur gegen andere afrikanische Teams und bekam im Gegensatz zu den Fußballgroßmächten Nigeria oder Südafrika nur wenig Aufmerksamkeit. Doch mit der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2011 bereitet sich endlich auch der Weg zum internationalen Fußballparkett, auf dem die Elf im Gegensatz zu ihren nigerianischen Teamkolleginnen völlig ohne Druck und Erwartungen auftreten kann.

Streit um Geschlechterfrage

Bei so viel unerwartetem Erfolg bleiben jedoch Neider selten aus. Nach der Qualifikation zur WM 2011 im vergangenen Jahr unterstellte man der äquatorialguineischen Mannschaft, sie hätte sich die WM-Teilnahme erschlichen, indem sie ungerechterweise Männer mitspielen lasse. Nigeria reichte öffentlich beim Afrikanischen Kontinentalverband CAF  Beschwerde  ein, der das Anliegen nach wie vor prüft. Und obwohl die Federación Ecuatoguineana de Fútbol (FEGUIFUT)  mit einem offiziellen Papier auf die Anschuldigungen reagierte und jegliche Unterstellungen zurückwies, halten sich die Gerüchte um die Nationalspielerinnen Äquatorialguineas hartnäckig.

Trotz aller Erfolge weiblicher Fußballmannschaften scheint es für einige Menschen immer noch unvorstellbar zu sein, dass jemand, der so trickreich, schnell und torgefährlich wie die 21 jährige äquatorialguineische Nationalspielerin Genoveva Añonma ist, eine Frau sein könnte. Aber auch den Mannschaftskolleginnen und Schwestern Salimata und Biliguisa Simpore unterstellt man vor allem wegen ihres maskulinen Äußeren ein männliches Geschlecht.

Vor allem im Sport zeigt sich immer wieder, welchen Nachholbedarf es nach wie vor im richtigen Umgang mit ungeklärten Geschlechterfragen gibt. Bereits der Fall der südafrikanischen Mittelstreckenläuferin Caster Semenya  sorgte für Furore und ist Sinnbild für einen entwürdigenden Umgang mit Transgendern oder Intersexuellen, die als Sportler/innen in der Öffentlichkeit stehen. Im Vorfeld der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin, bei der sie eine Goldmedaille gewann, machten Gerüchte die Runde, Semenya sei intersexuell. Aufgrund ihres maskulinen Aussehens, ihrer tiefen Stimme und einer ungewöhnlichen Leistungssteigerung ordnete man eine Überprüfung des Geschlechts an. Zwar werden die Resultate vertraulich behandelt, jedoch darf die Afrikanerin bei der nächsten Weltmeisterschaft wieder antreten. Seither hat sich jedoch an der Sensationslust der Presse und dem Umgang mit den beschuldigten Spielerinnen kaum etwas geändert.

Ein kleiner Fußballtraum

Für die gebürtige Malaboanerin Genoveva Añonma ist zumindest ein Traum wahr geworden, den viele ihrer weiblichen Kolleginnen auf dem ganzen Kontinent teilen: Sie wurde in eine europäische Mannschaft geholt. Jetzt spielt sie beim Frauenfußball-Erstligisten USV Jena , den mit Abstand beliebtesten Club Äquatorialguineas, weil sie dort "die einzige berühmte Sportlerin des Landes" ist.

Auch während des Welcome-Termins in Malabo zeigte sich, dass die Frauen-WM das Ereignis des Jahres in Äquatorialguinea ist. Und selbst die Botschafterin des Frauenfußballs und Chefin des Organisationskomitees, Stephanie Jones , meint, dass die Mannschaft Schwung in das Turnier bringt, unberechenbar sei und Potenzial für Überraschungen habe.  

Jana Emkow hat Politikwissenschaften und Philosophie in Rostock, Granada und Berlin studiert und arbeitet derzeit als Assistentin in der Internetredaktion der Heinrich-Böll-Stiftung.

(1) Spitzname des Teams Äquatorialguineas

Zur Fußball-WM der Frauen sind wir mit am Ball und erkunden die Fußballkultur der teilnehmenden Länder: Was kosten Eintritt und Stadion-Wurst? Wie viele Fans gibt es in Rio, Abuja und London? Wer hat das Zeug zur Torschützenkönigin? Gleichzeitig schauen wir auch über den Stadionrand hinaus und fragen: Wo birgt der Fußball Potenzial für gesellschaftliche Veränderungen? Wie wird Fußball für Frauen ein Emanzipationskick? Wir gehen auf Tour in die WM-Austragungsorte und laden ein in die Böll-Arena.