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Frauen kicken!

Zur Feminisierung eines globalen Sports

7. Juli 2011
Andrea Mesch
Frauen haben immer schon Fußball gespielt. Aber stets haben sie dabei ein Feld betreten, das nicht für sie vorgesehen war. Sport war Männersache. Erst sehr exklusiv an den Eliteuniversitäten, dann durch die „Muscular Christianity“-Bewegung während des Victorianischen Zeitalters konnte der Sport sich zumindest unter Männern über Klassen und Rassen hinweg ausbreiten. Im Übergang von der Agrar- in die Industriegesellschaft, als die  physischen Kraft an Bedeutung verlor, entwickelte sich der Sport zu einem Refugium, in dem Männlichkeit, Kraft und Athletik noch wertgeschätzt wurden.

Wollten Frauen Sport treiben, so ging dies immer mit einer „Feminisierung“ der Sportart einher. Felder wurden kleiner, Spielzeiträume kürzer, bestimmte Pässe verboten, um die weibliche Brust nicht zu gefährden.

Erst in den 1970er Jahren begann sich das dunkle Zeitalter des Frauensports langsam zu lichten. Der „Discourse of Empathy“  führte dazu, dass den Machtlosen die Teilhabe an der Gesellschaft per Verfassung zugesichert wurde (z.B. Title IX in den USA 1972) und ermöglichte die massive Inklusion von Frauen.

Aber wie weit geht die Partizipation von Frauen im Sport? Wird sie nachhaltig sein?
Wie wichtig ist das mediale Großereignis Fußball WM 2011 für die Neukonstruktion von Geschlechterverhältnissen?
Was bedeutet Sport für Frauen? Werden Frauen eines Tages genauso allumfassend mit Sport befasst sein wie Männer? Wollen sie das überhaupt?

Noch heute gilt im Fußball wie in den meisten Sportarten das Motto „separate but equal“. In keiner anderen gesellschaftlichen Sphäre wird diese Trennung noch akzeptiert. Wann also fordern wir erstmals gemischte Teams im Fußball, im Basketball, American Football?
Zum Schluss die vielleicht wichtigste Frage: Wann wird es die erste Quidditch WM geben? Denn die wird ganz sicher nicht mehr nach dem Geschlecht fragen.

Antworten auf diese Fragen und mehr liefert der faszinierende Vortrag des amerikanischen Soziologen und Politologen Prof. Dr. Andrei S. Markovits.

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Andrea Mesch, Programmteam Demokratie und Öffentlichkeit der Heinrich-Böll-Stiftung

Prof. Dr. Andrei S. Markovits

ist amerikanischer Politikwissenschaftler und Soziologe und seit 1999 Karl W. Deutsch Collegiate Professor of Comparative Politics and German Studies an der University of Michigan in Ann Arbor (USA). Er tritt in den USA und Europa, vor allem in Deutschland und Österreich, als mitreißender Redner und scharfsinniger Gesellschaftskritiker in Erscheinung. Markovits forscht und publiziert u.a. zu europäischer sowie amerikanischer Politik und Gesellschaft, sozialem Wandel hochindustrialisierter Gesellschaften und in letzter Zeit vermehrt zum Sport, namentlich Fußball. Im deutschen Sprachraum erschienen zuletzt seine Bücher „ Querpass: Sport und Politik im transatlantischen Raum“ (2007) und „Sport: Motor und Impulssystem für Emanzipation und Diskriminierung“ (2011).

Zur Fußball-WM der Frauen sind wir mit am Ball und erkunden die Fußballkultur der teilnehmenden Länder: Was kosten Eintritt und Stadion-Wurst? Wie viele Fans gibt es in Rio, Abuja und London? Wer hat das Zeug zur Torschützenkönigin? Gleichzeitig schauen wir auch über den Stadionrand hinaus und fragen: Wo birgt der Fußball Potenzial für gesellschaftliche Veränderungen? Wie wird Fußball für Frauen ein Emanzipationskick? Wir gehen auf Tour in die WM-Austragungsorte und laden ein in die Böll-Arena.