Kommunale Wege zur Nachhaltigkeit: das Geschäftsmodell Kommune erneuern?

Hep Monatzeder (Bündnis 90/Die Grünen) ist 3. Bürgermeister der Landeshauptstadt München 

 

Ein Interview mit Hep Monatzeder.

Die Schuldenkrise von Bund, Ländern und Kommunen setzt der Ausweitung öffentlicher Investitionen enge Grenzen. Wie kann unter diesen Vorzeichen der Übergang zu einer umweltverträglichen und sozialen Wirtschaft gelingen?

Monatzeder: Die Schuldenkrise zeigt die enorme Wichtigkeit nachhaltigen Wirtschaftens. Unternehmen wie Kommunen dürfen sich weder dauerhaft auf Pump finanzieren noch sich auf die reine „Verwaltung“ beschränken. Verantwortungsvolles Wirtschaften bedeutet, stets die Folgen seines Handelns im Blick zu haben. Deshalb muss sehr genau überlegt werden, wo Investitionen den höchsten Mehrwert schaffen und Einsparungen am wenigsten negative Folgen haben. Das meine ich ausdrücklich auch im sozialen und ökologischen Sinne! Wir in München haben deshalb Kindertagesstätten und Bemühungen zur Erreichung der Klimaschutzziele von Konsolidierungsmaßnahmen ausgenommen.

Was zeichnet handlungsfähige Kommunen aus? Worauf kommt es an?
 

Monatzeder: Kommunen sind der Lebensmittelpunkt der Menschen. Daraus erwachsen ganz spezielle Aufgaben. Damit Kommunen den gesellschaftlichen Auftrag der Daseinsvorsorge erfolgreich erfüllen können, ist eine entsprechende Finanzausstattung unerlässlich. Leider wurden den Städten und Gemeinden in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben übertragen, die daraus entstehenden Kostenfaktoren aber nicht ausreichend im Finanzausgleichssystem berücksichtigt. Stattdessen gibt es vielmehr immer wieder Überlegungen, die Finanzausstattung von Kommunen zu beschneiden, wie z.B. der Versuch zur Abschaffung der Gewerbesteuer, obwohl diese die wichtigste Einkommensquelle für die städtischen Haushalte darstellt. Die Idee, die Gewerbesteuer durch einen Teil der Einkommenssteuer zu ersetzen lehne ich ab, da dies einen zusätzlichen Konkurrenzkampf unter den Kommunen zur Folge hätte. Doch Geld ist auch bei einer Kommune nicht alles: Wie in einem gut funktionierenden Unternehmen gilt es, das Wissen und Engagement möglichst aller Menschen intelligent zu nutzen und unterschiedliche Interessen bestmöglich in Einklang zu bringen.

Muss das „Geschäftsmodell Kommunen“ erneuert werden?

Monatzeder: Gerade vor dem Hintergrund hoher Verschuldung und entsprechender Schuldendienste, sind leider immer mehr Kommunen gezwungen, Teile ihres Vermögens nach und nach zu veräußern. Ich sehe dies mit großer Sorge, da es nicht als nachhaltig angesehen werden kann, Tafelsilber zu verkaufen, um Schuldzinsen zu begleichen. Auch die Verlagerung kommunaler Aufgaben an Dritte darf nicht zur Patentlösung werden, um Kosten zu reduzieren. In München haben wir uns der Liberalisierungswelle in den 1990er Jahren erfolgreich widersetzt und sind heute sehr froh darüber. Während sich andere Kommunen bemühen, privatisierte Wasserwerke, Energieversorger oder Verkehrsinfrastruktur teuer zurückzukaufen, hat München über die stadteigenen Wohnungsbestände und Stadtwerke große politische Einflussmöglichkeiten auf den Markt und Strukturwandel. Und unsere Stadtwerke erwirtschaften für den städtischen Haushalt jährlich rund 100 Millionen Euro und investieren zugleich erfolgreich in erneuerbare Energien!

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Hep Monatzeder (Bündnis 90/Die Grünen) ist Dritter Bürgermeister der Landeshauptstadt München.

Das Interview führte Stephan Depping, Heinrich-Böll-Siftung

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