Hat die Tatsache, dass ein Super-GAU in einem Hochtechnologieland stattfinden konnte, die Atomkraft global so geschwächt, dass man von einem Auslaufmodell sprechen konnte?
Atomkraft war schon vor Fukushima ein Auslaufmodell und zwar vor allem aus ökonomischen Gründen. Atomstrom aus neuen Atomkraftwerken ist der teuerste Strom. Daher scheitern fast alle Bemühungen neue Atomkraftwerke zu errichten daran, dass sich keine Investoren finden. Lediglich wenn enorme staatliche Subventionen bezahlt werden, kommt es zu einem Neubau.
Wie können wir sicherstellen, dass angesichts einer weltweiten Kohlerenaissance und einem fehlenden globalen Emissionshandel der Verzicht auf die Atomkraft nicht der Einstieg in die Kohle bedeutet und somit zu Lasten des Klimas geht?
Längst produzieren die Erneuerbaren Energien günstiger als Kohlekraftwerke. Nun muss Erzeugung und Verbrauch besser in Übereinstimmung gebracht werden. Dazu muss vor allem in Speichertechnologien investiert werden. Darüber müssen auf dem Markt Anreize für hochflexible Kraftwerke geschaffen werden, die die fluktuierende Produktion ausgleicht.
Welche Auswirkungen hatte Fukushima auf Deutschland? Hat die schwarz-gelbe Regierung letztlich nur die Laufzeitverlängerungen rückgängig gemacht und somit den Ausstiegsbeschluss der rot-grünen Regierung aus dem Jahr 2002 wiederhergestellt? Oder erleben wir seit einem Jahr eine „beschleunigte Energiewende?“
Von einer „beschleunigten Energiewende“ kann man ganz und gar nicht sprechen. Die Bundesregierung hat bei der Gebäudesanierung deutlich gekürzt. In Brüssel verhindert sie ambitionierte Ziele und maßnahmen um die Energieeffizienz zu verbessern. Beim Ausbau der Netze und Speicher hat sie nichts erreicht und den Ausbau der Erneuerbaren Energien bremst sie, wo immer das möglich ist. Dafür hat sie aber die Industrie von den Kosten der Energiewende weitgehend befreit, dafür müssen Bürger und Handwerk mehr bezahlen.
War es angesichts explodierender Kosten nicht an der Zeit die Solarförderung zu kürzen, um die Akzeptanz der Verbraucher/innen nicht zu gefährden?
Auch wir sind für eine regelmäßige Anpassung der Fördersätze an die Marktentwicklung eingetreten. Mit der Ankündigung des Abwürgens der Solarförderung hat Herr Rösler den Dezemberboom bei der Photovoltaik erst ausgelöst. Und die jetzt vorgelegten Vorschläge der Bundesregierung würden lediglich zu einem Zusammenbruch der deutschen Solarwirtschaft führen, ohne die Belastungen für die VerbraucherInnen wesentlich zu reduzieren.
Haben die Grünen eine ungefähre Vorstellung was uns auf dem Weg in einen regenerativen Strommarkt die Förderung der Erneuerbaren Energien, des Netzausbau, der Speicher und evt. staatliche geförderte Gas-Kapazitäten kosten werden? Und wer wird das bezahlen?
Es handelt sich zum Großteil um Investitionen. Die Kosten der Investitionen werden durch die Nutzung finanziert, wie dies bei den bestehenden Anlagen auch der Fall ist. Die Energiewende ist nicht zum Nulltarif zu haben. Die Wirkungen auf die Strompreisentwicklung sind aber eher moderat. Börsenpreis, Netzausbau und EEG-Umlage könnten insgesamt zu einer Erhöhung der Strompreise für Endverbraucher im Bereich von 1 – 3 ct/kWh führen. Das wäre eine Erhöhung um maximal 12 % über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren, rechnerisch also rund 0,6 % pro Jahr.
Der Übertragungsnetzbetreiber Tennet sieht sich nicht im Stande, die deutschen Offshore-Windparks im nötigen Tempo ans Netz anzubinden. Die erforderlichen Investitionen in Höhe von 15 Milliarden Euro seien von einer einzigen Netzfirma nicht zu tragen. Fehlende Akzeptanz und behördliche Planungsverzögerungen sind weitere Probleme. Wird die Energiewende am fehlenden Netzausbau scheitern?
Es kann nicht sein, dass die Energiewende am Netzausbau scheitert. Wir benötigen den Netzausbau auch für den steigenden Stromhandel. Lange wurde kaum in die Netze investiert. Die jahrelange Zurückhaltung der Netzbetreiber muss beendet werden. Und wenn Tennet sich nicht in der Lage sieht, den Netzausbau wie notwendig umzusetzen, ist die Bundesregierung gefragt, diese Frage zu lösen z.B. in dem der Staat den notwendigen Netzausbau selbst in die Hand nimmt.
Die Polen drohen zu Spitzenzeiten keinen erneuerbaren Strom mehr reinzulassen und ihre Stromkuppelstellen zu schließen. Die Tschechen schieben ihre steigenden Strompreise auf die deutsche Energiewende. Der Unmut über die deutsche Energiewende wächst bei den Nachbarn. Kann man ein Energiewende in einem europäischen Strommarkt im Alleingang entscheiden? Wo brauchen wir in Zukunft europäische Lösungen?
Sicherlich brauchen wir einen europäischen Strommarkt mit einheitlichen Regelungen. Dabei kann aber nicht sein, dass polnischer Kohlestrom und tschechischer sowie französischer Atomstrom europaweit Vorfahrt hat und deutscher erneuerbaren Strom nur genutzt wird, wenn in Frankreich und Italien Stromnotstand ist.
....
Das Interview führte Dorothee Landgrebe.