In der Praxis ist das natürlich nicht ganz so einfach. Erstens ist es viel Arbeit und zweitens braucht es einige Kenntnis und auch etwas Esprit, um die richtigen Themen und Personen ausfindig zu machen. Vielen Dank also an alle, die an diesem Unternehmen beteiligt waren und sind, insbesondere an unseren langjährigen Partner, das Goethe-Institut, sowie an die Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum, die heuer zum ersten Mal mit an Bord ist. Ich hoffe, dass diese Zusammenarbeit Zukunft hat.
Ganz besonders danke ich den Autorinnen und Autoren, die wir für die sechs Veranstaltungen im Rahmen der diesjährigen Reihe gewinnen konnten – von ihnen lebt das Projekt.
Schließlich möchte ich mich bei dem Team der Böll-Stiftung bedanken, das die diesjährige Veranstaltungsreihe vorbereitet hat, insbesondere bei Marianne Zepp, die krankheitsbedingt heute leider nicht dabei sein kann, bei Karin Lenski aus unserem Kulturreferat sowie bei Michaela Birk als externe Unterstützung.
Die Grundidee dieses Projekts war und ist, Neugier aufeinander zu wecken, durch das Prisma der Literatur ein besseres Verständnis von unseren Gesellschaften zu gewinnen und einen lebendigen Austausch jenseits festgezurrter Stereotypen zu befördern.
Dass dieses Anliegen nach wie vor aktuell ist, hat die jüngste Abmahnung Israels durch Günter Grass gezeigt: steile Thesen, holprige Lyrik und wenig Kenntnisse. Wenn man von der pseudoliterarischen Form dieses Leitartikels absieht, ist diese Kombination nicht ganz untypisch. Fast alle hierzulande haben starke Meinungen zu Israel. Allzu häufig eilen sie aber dem Verständnis für die komplexe Realität dieser Gesellschaft und für die Dynamiken nahöstlicher Politik voraus; Anwesende sind natürlich ausgenommen.
Über das tief sitzende deutsche Bedürfnis nach Selbst-Entlastung durch Verteufelung Israels ist viel gesagt worden, das ist heute nicht unser Thema. Nur so viel zum Selbstverständnis dieser Reihe: Dieses Projekt ist getragen von einer fundamentalen Empathie für Israel. Für uns, für mich ist das kein Staat wie jeder andere. Die besondere Verpflichtung Deutschlands gegenüber dem jüdischen Staat ist nicht obsolet. Das heißt keineswegs, dass wir uns verpflichtet fühlen, die Politik der jeweiligen israelischen Regierungen gutzuheißen und zur Besatzung der Westbank oder zur Diskriminierung von Minderheiten in Israel zu schweigen. All das war und ist Thema der Literaturtage. Die Behauptung, man könne in Deutschland Israel nicht kritisieren, ohne des Antisemitismus beschuldigt zu werden, ist kompletter Stuss.
Aber wir wollen die Beziehungen zwischen unseren Gesellschaften nicht auf die Diskussion über den Nahost-Konflikt und die verpassten Chancen für eine 2-Staaten-Lösung reduzieren. Es geht um ein fortdauerndes Gespräch über viele Facetten unserer Lebenswirklichkeit, um soziale, kulturelle, politische Fragen, um sympathische und befremdliche Dinge, um gemeinsame oder auseinander gehende Sichtweisen. Vor allem geht es nicht um vorschnelle Urteile, sondern um ein genaueres Verständnis dessen, was uns eint und was uns unterscheidet.
In den bisherigen Treffen wurde über ein weites Spektrum von Themen gesprochen: über die Widerspiegelung der Shoa in der Literatur; den „Traum von der Normalität“, der für kurze oder längere Momente gelebt und dann doch immer wieder durch die Schrecken der Vergangenheit und eine konfliktreiche, manchmal blutige Gegenwart aufgestört wird; über Berlin und Tel Aviv, über prekäre Heimat und über Parallelwelten in beiden Gesellschaften.
Dieses Jahr geht es um Beziehungsgeschichten im weitesten Sinn, um familiäre Bindungen und ihr Zerbrechen, um Solidarität und Fremdheit. Wer Israel ein bisschen kennt, dem ist vermutlich aufgefallen, wie groß dort Familie geschrieben wird, wie intensiv Verwandtschaften und Freundschaften gelebt werden – trotz aller ausgeprägten Individualität und trotz der globalen Verzweigung vieler Familien, vielleicht auch gerade deshalb. Diese Gleichzeitigkeit von Kosmopolitismus und Familienbande ist ein Phänomen, über das ich gern mehr erfahren würde, ebenso wie über die Brüche und Konflikte, die es natürlich auch in Israel in traditionellen Strukturen gibt. Das gilt erst recht vor dem Hintergrund der enormen kulturellen Heterogenität, die Israel noch stärker als die Bundesrepublik auszeichnet. Es ist unser Bestreben, diese Vielfalt auch immer im Programm der DIL deutlich werden zu lassen. Bevor ich das Mikrofon an Andreas Ströhl, den Leiter der Abteilung Kultur und Information des Goethe-Instituts, weitergebe, wünsche ich den diesjährigen deutsch-israelischen Literaturtagen viel Erfolg und eine große öffentliche Resonanz.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!