Mit einem geschätzten Wert von bis zu 3 Milliarden US-Dollar an Rohstoffen könnte Afghanistan zu einer der wertvollsten Rohstoffregionen der Welt avancieren. Vorkommen von Mineralien, seltenen Erden und Öl könnten das Land aus der wirtschaftlichen Krise führen, so die Hoffnung vieler Akteure. Ob die Förderung von Rohstoffen tatsächlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der lokalen Gemeinden beiträgt, hängt jedoch nicht zuletzt davon ab, wie transparent Vertragsentscheidungen auf der nationalen Ebene und dezentral diskutiert und kommuniziert werden.
Etwa eine Autostunde südöstlich der Hauptstadt Kabul, in der Provinz Logar, en route der ehemaligen Seidenstrasse, liegt Mez Aynak: weltweit zweitgrößtes Kupferdepot und gleichzeitig Fundort einer knapp 5.000 Jahre alten und ca. 40 Hektar großen buddhistischen Kupferstadt. Der Vertragsabschluss zwischen der afghanischen Regierung und einem chinesischen Investorenkonsortium über die Förderung des Kupferdepots in 2008 war der Beginn des landesweit expandierenden Bergbausektors. Ab 2016 soll die Kupferförderung in Mez Aynak laut offizieller Schätzungen über 5.000 Arbeitsplätze und jährlich 500 Millionen US-Dollar an Umsatz ins Land bringen. Verlockende Aussichten, nicht nur für die lokalen Gemeinden, deren Einkommen bisher ausschließlich aus Landwirtschaft und Viehzucht besteht. Darüber hinaus verspricht die für den Kupferabbau notwendige Infrastruktur bessere Kommunikationswege und einen Ausbau von Dienstleistungen im Bildungs- und Gesundheitssektor.
Doch im Herbst dieses Jahres sind die Vorbereitungsarbeiten ins Stocken geraten. Neben den langwierigen notwendigen archäologischen Bergungsarbeiten ist die unstete Entwicklung der Sicherheitslage der Hauptgrund. In der Provinz Logar kämpfen derzeit mehrere bewaffnete Gruppen um die Kontrolle, gleichzeitig fehlt es den Investoren und der afghanischen Regierung an Unterstützung durch die lokalen Gemeinden. Die Bevölkerung der umliegenden Siedlungen wurde nicht ausreichend über die wichtigen Bestandteile des Vertrages informiert und nicht in lokal relevante Entscheidungsprozesse für die Vorbereitungs- und Durchführungsarbeiten eingebunden. Kompensationsversprechen für Familien, die direkt von Umsiedlungen betroffen sind, wurden nicht eingehalten. Anstatt Arbeitsplätze für Menschen aus der Region zu schaffen, wurden externe und internationale Arbeiter/innen engagiert und Wachpersonal aus anderen Provinzen nach Logar gebracht. Entsprechende Mechanismen für die Weiterleitung von Beschwerden aus der Bevölkerung an die entsprechenden Behörden gibt es nicht. Ebenso fehlt es an realistischen Erhebungen der Auswirkungen des Kupferabbaus auf die Sozialstruktur in der Provinz und auf den Umweltbereich. So droht durch den für den Kupferabbau notwendigen hohen Wasserverbrauch beispielsweise das weitere Absinken des Grundwasserspiegels. Dies hätte wiederum gravierende Auswirkungen auf Landwirtschaft und Viehzucht in dem ohnehin von Trockenheit geplagten Gebiet. Die Verschmutzung des in der Nähe liegenden Kabul-Flusses würde einen Teil der Trinkwasserversorgung in der Region und in der Hauptstadt Kabul gefährden.
Die Situation in Mez Aynak spiegelt die Problematik des Kupferabbaus in anderen Regionen Asiens und auch Afrikas im Detail wieder. Anstelle der Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungen über Rohstoffabkommen und an der Verteilung der daraus gewonnenen Erträge geht es darum, wer den Zugang zu und die Kontrolle über die Rohstoffvorkommen bekommt. Entscheidungstragende in der Regierung und lokale Machtvertreter verstehen es hier, ihre Vorteile zu nutzen.
Die im Anschluss an die internationale Geberkonferenz zu Afghanistan im Juli 2012 verabschiedete Erklärung fordert die Entwicklung von Rahmenbedingungen für den Bergbausektor, die basierend auf internationale Richtlinien Vorgaben für einen verantwortliche, effektiven und transparenten Umgang mit Afghanistans natürlichen Ressourcen umfassen. Anfang Oktober 2012 hat die afghanische Regierung nun 200 Verträge im Bergbausektor sowie einen Vertrag im Bereich der Ölförderung veröffentlicht. Vorwiegend handelt es sich dabei um kleinere Verträge beispielsweise im Salzabbau.
Eine von der Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit anderen nationalen und internationalen Akteuren verfasste Erklärung begrüßt diesen Schritt in Richtung Transparenz. Gleichzeitig fordert die Erklärung eine realistische Umsetzung der EITI (Extractives Industries Transparency Initiative), zu der sich die afghanische Regierung bekennt. Wie das Beispiel Mez Aynak zeigt, kann nur durch eine breit angelegte Debatte über die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Erschließung von Rohstoffen und durch die transparente Einbindung der afghanischen Bevölkerung in Entscheidungen, die sie und ihre Gemeinden betreffen, vermieden werden, dass sich der gegenwärtige Ausbau des Bergbausektors weiter destabilisierend auf das Land auswirkt.
Auch die Außen- und Entwicklungspolitik der deutschen Bundesregierung ist hier gefordert, einen umfassenden Beitrag zu leisten. Das seitens der Bundesregierung mit Afghanistan in 2012 geschlossene strategische Partnerschaftsabkommen bietet die Möglichkeit, positiv beratend auf die afghanische Regierung und auf die interessierten Investoren einzuwirken. Darüber hinaus ist die Offenheit zur Koordination und Kooperation mit allen im Rohstoffbereich engagierten Akteuren in Afghanistan sowie die Nutzung lokal vorhandener Potenziale die Voraussetzung dafür, die Fehler aus anderen Ländern zu vermeiden.
Marion Regina Müller ist Leiterin des Auslandsbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Kabul.