Julia Willrodt, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Im Krankenhaus zählt die Behandlung von Männern und Frauen mit akutem Herzinfarkt zum ärztlichen Routinefall und es wird eine Zunahme der Herzinfarkt-Geschehnisse prognostiziert. Für eine nachhaltige und geschlechtergerechte Versorgung nach Herzinfarkt ist die Beachtung psychosozialer und Geschlechteraspekte wesentlich. Hierbei nehmen ÄrztInnen aufgrund ihrer übergeordneten Stellung zu anderen Professionsgruppen im Krankenhaus sowie im asymmetrischen Verhältnis zu ihren PatientInnen eine Schlüsselfunktion ein: So können psychosoziale Aspekte, wie z.B. emotionale, berufliche, finanzielle oder familiäre Belange, die u.a. mit dem Geschlecht und Alter der PatientInnen variieren, die akute sowie rehabilitative Behandlung behindern. Internationale Studien belegen indes, dass Ärztinnen häufiger und stärker auf die psychologischen und sozialen Krankheitsaspekte ihrer PatientInnen als ihre männlichen Kollegen eingehen. Gegengeschlechtliche Patienten scheinen hiermit jedoch weniger zufrieden zu sein und bewerten die weniger psychosozial ausgerichtete Behandlung der gleichgeschlechtlichen Ärzte zufriedenstellender.
Das genaue Zusammenspiel von ÄrztInnen- und PatientInnengeschlecht ist bisher kaum untersucht. Sowohl mit Blick auf die steigenden Frauenanteile in der Ärzteschaft als auch unter den Herzinfarkt-Betroffenen stellt sich die Frage: Inwieweit divergieren psychosoziale Aspekte in der akutstationären Versorgung nach Herzinfarkt je nach ÄrztInnen- und PatientInnengeschlecht?
Mittels der Daten der teilnehmenden Beobachtungen inkl. Tonbandmitschnitte des interaktiven Geschehens können spezifische Interaktionsmuster qualitativ analysiert werden. In der Visitenforschung hat sich die Auswertung nach dem Roter Interaction Analysis System bewährt, das vielfältige Kodierungs- und Strukturierungsmöglichkeiten bietet. Ferner ergänzen ExpertInnen-Interviews mit den beteiligten ÄrztInnen und PatientInnen die Clusterbildung.
Die damit gewonnenen Forschungsergebnisse geben erste Hinweise auf spezifische Interaktionsmuster in der Visite je nach ÄrztInnen- und PatientInnengeschlecht, insbes. hinsichtlich psychosozialer Aspekte in der Versorgung von Herzinfarkt-PatientInnen, und weisen auf spezifische Bedarfslagen auf der PatientInnenseite sowie damit Anforderungsprofile an die psychosozialen Kompetenzen ärztlicherseits hin.