Katrin Gerlach, Bayerische Julius-Maximilians-Universität - Würzburg
Durch die Verbrechen des ‚Dritten Reiches’ sahen sich Vertreter der verschiedenen Künste zur Reaktion herausgefordert. In ihrer Ambition, die Gräueltaten des Naziregimes zu verurteilen, Mahnmale zu schaffen um die Erinnerung daran nicht verblassen zu lassen, entstanden Kompositionen, die sich mit Krieg, Holocaust, Vertreibung und Trauer auseinandersetzen. Die Zahl jener lieux de memoire (Pierre Nora) ist groß und reicht von der intimen Trauer bis hin zum politisch motivierten Appell an die Nachgeborenen.
Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die musikalische Auseinandersetzung mit der schuldbeladenen Vergangenheit der Deutschen im deutsch-deutschen Vergleich und im Kontext der ‚Vergangenheitsbewältigung’ zwischen 1949 und 1990 zu untersuchen.
Zwar entstanden bereits unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme musikalische Reaktionen, doch konzentriert sich das Forschungsvorhaben auf in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und der Bundesrepublik Deutschland (BRD) verfasste Kompositionen. Einbezogen werden darüber hinaus auch im Exil verfasste Werke und jene der ‚Inneren Emigration’ (Dessau „Deutsches Miserere“, Eisler „Deutsche Sinfonie“, Hartmann „Klaviersonate 27. April 1945“ etc.), die im Nachkriegsdeutschland erstmals aufgeführt und damit öffentlich rezipiert wurden.
Im Spiegel der in der DDR und der BRD ähnlich, aber auch unterschiedlich verlaufenden ästhetischen Bezugnahme auf die Vergangenheit soll verdeutlicht werden, wie Musik als zeithistorische Quelle mit einem eigenen Erkenntnispotential analysiert werden kann und wie Symphonien, Streichquartette, Oratorien, Kantaten, Lieder etc. zu Orten und Medien der Erinnerung werden. Gegenüber anderen Künsten gelingt es Musik im Besonderen Emotionalität zu transfigurieren und damit auch gefühlte Erinnerung zu bewahren, die sonst verdrängt würde. Damit möchte die Arbeit einen Beitrag leisten, die Musik, die spätestens seit dem 20. Jahrhundert als Reaktion auf Gesellschaft und Zeitgeschichte verstanden wird, in die Debatte um Erinnerungskulturen zu integrieren.