Menschenwürde in der angloamerikanischen Rechtsphilosophie
Die Würde des Menschen ist in der deutschsprachigen Rechtsphilosophie ein verbreiteter, zum Teil auch heftig kritisierter, aber etablierter Begriff. Sie ist aus vielen ethischen und rechtlichen Debatten hierzulande kaum wegzudenken und sowohl im deutschen Grundgesetz als auch in der europäischen Grundrechtecharta als höchstrangiges Recht festgeschrieben. Ganz anders hingegen die Situation im angelsächsischen Kulturraum (sofern man einen solchen einheitlichen Kulturraum unterstellt): Hier hatte die Menschenwürde geistesgeschichtlich nahezu keine Bedeutung und die philosophische Skepsis ihr gegenüber erscheint (auch im sich zunehmend etablierenden Menschenwürdediskurs) deutlich verbreiteter. Wie lassen sich diese Unterschiede erklären und für einen internationalen Diskurs über Recht und Rechtsethik fruchtbar machen?
Im Rahmen meiner Dissertation versuche ich, anhand eines Vergleichs der Begriffsgeschichte und der wichtigsten Merkmale der Menschenwürde einerseits und der angloamerikanischen Geistesgeschichte andererseits wesentliche Antworten auf diese Frage zu finde. Hierzu dient eine vertiefte Begriffsanalyse, deren Ergebnisse an den Theorien ausgewählter zentraler Denker_innen der angloamerikanischen Philosophie exemplifiziert werden – eingebettet in kulturhistorische Analysen. Es ergeben sich – trotz aller begrifflichen Differenz – erhebliche Schnittmengen, die zur Grundlage einer internationalen Debatte dienen können. Gleichsam und fundamentaler zeigen sich aber auch unterschiedliche Wertungen und Begriffsverständnisse, deren historische Gründe jedenfalls substantiiert indiziert werden können und sowohl in philosophischer Prägung wie auch in religiösen und rechtlichen Traditionen zu verorten sind. Auch diese gilt es offenzulegen, um die aus ihnen resultierende Skepsis analysieren und für den Kulturdialog sowie das internationale Recht kritisch würdigen zu können.
In Zeiten zunehmender Menschenwürdedebatten in der angloamerikanischen Philosophie und der internationalen Politik – vom sogenannten Krieg gegen den Terrorismus über bioethische Fragen bis hin zu Fragen religiöser und ethnischer Toleranz – scheint eine kulturübergreifende Verständigung über diesen und andere höchste Rechtswerte der internationalen Staatengemeinschaft unabdingbar. Hierzu zählt – neben vielen weiteren notwendigen Untersuchungen und als kleiner Schritt – auch die Analyse der Menschenwürdetraditionen der von mir untersuchten zwei (schematisch formulierten) Kulturkreise.