Jan Elshof, Friedrich-Schiller-Universität – Jena

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Kritik und Planung. Von Marxʼ Kritik an Proudhon zu den Grundlinien einer informationsbasierten Produktionsweise

In jüngerer Zeit wird vermehrt das Thema Commons diskutiert: Eine neue Politik Jenseits von Markt und Staat (Helfrich/Heinrich-Böll-Stiftung 2014) soll ermöglicht werden. Zu den zentralen Fragestellungen in der Commons-Debatte zählt, wie die Produktion gemeinschaftlich organisiert und partizipativ geplant werden kann, wie die Gebrauchsgüter in hinreichendem Ausmaß gewährleistet und angemessen unter den Teilnehmer*innen verteilt werden können. Dabei wird unter anderem über Markt, Tausch, Arbeitsgeld und das Bedürfnisprinzip debattiert. Dies sind Fragen, die schon (Früh-)Sozialisten wie Robert Owen und Pierre-Joseph Proudhon oder Karl Marx beschäftigten. Die Idee der Commons entwickelt sich maßgeblich durch die Entwicklung des Internets, mit dem eine „commons-based peer production“ (Benkler 2006: 60) Vorschub erhält. Ähnliches gilt für neuere kommunistisch orientierte Konzepte: Die zeitgenössische Produktivkraftentwicklung macht ihnen zufolge mit informationsbasierten Technologien gesellschaftliche Planung und Absprache in einem erweiterten und partizipativen, statt zentralistischem Rahmen möglich.  Wegen der auffälligen Ähnlichkeiten spricht Nick Dyer-Whitheford (2007) auch vom „Commonism“. Entwürfe alternativer, auf Computertechnologie gestützter Produktionsmodelle fordern daher dazu auf, so meine erste These, erneut Fragen der gesellschaftlichen Planung zu stellen.

Trotz oder gerade wegen der anzutreffenden Pluralität der Ansätze im Bereich des Commonism halte ich systematisch prüfende Fragen bzw. Kriterien für angebracht, die zur Klärung der Begriffe und Vorschläge beitragen können. Die Überlegung dabei ist: Wenn wir uns eine postkapitalistische Ökonomie vorstellen, wie lässt sich ein relevanter Bereich dieser Ökonomie mit Gemeingütern organisieren? Wie lässt sich eine solche Gemeingüterökonomie grundsätzlich umsetzen, wie sähe sie im Detail aus? Welche Modelle halten einer Reihe von Kriterien stand, welche erweisen sich als problematisch? Diese Kriterien lassen sich, so meine zweite These, mit Hilfe der Proudhonkritik (MEW 4: 63ff.; MEW 42: 49ff.) von Marx entwickeln. Anstatt solche Modelle genau auszuarbeiten, hat Marx jedoch vor allem eine Kritik an sozialistischen Modellen ausgeführt, welche auf die Kategorien der warenproduzierenden Gesellschaft zurückfallen. Vor allem übt er in dieser Weise Kritik am Proudhonismus (Proudhon 1975 [1844]). In den an Marx anschließenden Debatten führt die Proudhonkritik zu einer Blockade bei der Ausarbeitung von Planungsmodellen; was immer vorgeschlagen wird, wird von Anderen unmittelbar verworfen (Rakowitz 2003). Diesem Defizit gilt es durch einen kritisch-produktiven Umgang mit der Proudhonkritik entgegenzuwirken. Hält man einzelne Elemente dieser Kritik auseinander, werden, so meine dritte These, positive, reflektierte Planungsutopien möglich. In meiner Arbeit untersuche ich verschiedene Konzepte des Commonismus und überprüfe, ob sich das vorgeschlagene Modell als Blaupause für einen relevanten Teil der Produktion in einer postkapitalistischen Ökonomie eignet.

 

Literatur:

Benkler, Yochai (2006): The Wealth of Networks. How Social Produktion Transforms Markets and Freedom. New Haven/London: Yale University Press.

Dyer-Witheford, Nick (2007): Commonism. <http://www.turbulence.org.uk/turbulence-1/commonism/&gt;, letzer Zugriff am 08.08.2017.
Helfrich, Silke/Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (2014): Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat. Bielefeld: Transcript.

Marx, Karl/Engels, Friedrich  (1956ff.) (MEW): Marx-Engels-Werke. Band 1-42. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zk der SED. Berlin: Dietz Verlag.

Proudhon, Pierre-Joseph (2003 [1846]): System der ökonomischen Widersprüche. Oder: Philosophie des Elends. Berlin: Karin Kramer Verlag.

Rakowitz, Nadja (2003): Einfache Warenproduktion. Ideal und Utopie. Freiburg: ça ira-Verlag.